Kapitel 74: Du bist ja...

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Wayde kommt neben mich und legt die Sachen auf das Ende des Bettes. "Ich hätte nicht gedacht, dass du hier bei ihm bist", spricht er mich an und sieht mich mit diesen typisch kühlen Augen an, die in mir immer diesen kalten Respekt auslösen. "Ja...", gebe ich zurück und sehe wieder zu Hiro.
"Wir müssen Hiro leider wieder abgeben..." Plötzlich reißt der schwarzhaarige Junge die Augen auf und starrt Wayde schockiert an. Es kommt mir fast so vor, als ob er etwas sagen, ja gar schreien will, doch seine Kehle ihm keinen Ton erlaubt. Hiro verschluckt sich an der Luft und gibt ein Geräusch von sich, welches Husten und Würgen ziemlich nah zusammenbringt. "Was?", zischt er mehr bösartig, als weinerlich oder wie sein Gesichsausdruck eben schockiert. "Ihr gebt mich wieder in die Anstalt!?"
Wayde, der bis eben noch einen ziemlich emotionslosen Gesichtsausdruck trug, nickt angespannt. "Tut mir Leid, kleiner Bruder. Aber du kannst danach wieder zu uns kommen." - "Wie könnt ihr das tun?", nun schreit Hiro wirklich vor Entsetzen und hat sich schon längst kerzengerade in seinem Bett aufgesetzt. "Da drinnen ist die Hölle! Ich gehe da nicht wieder rein!"
Wayde schenkt Hiro einen bemitleideten Blick und will ihm über den Kopf streicheln, doch Hiro schlägt sie wütend weg und ich vernehme ein gut hörbares Knacken von Waydes Gelenk, welcher aber nur kurz den Mund verzieht, bevor er die Hand einfach wieder zurück zieht.
"Ich hasse euch alle", zischt der Junge und reißt sich alle möglichen Kabel und anderen Kram vom Körper.
Blut, welches ihn zugeführt werden sollte, tropft nun leise und in langsamen Abständen auf den Boden.
Der wütendr Blick Hiros trifft auch auf mich - der ihn vor Angst mit großen Augen anstarrt.
Seine Augen verlieren jegliche Wut und sein vor Wut zusammen gebissener Mund löst sich in einem sanften Lächeln auf, als hätte er mich erst jetzt wirklich bemerkt. "Luke, du bist ja ...", flüstert er süß und streckt die Hand nach mir aus, doch scheint sich im selben Moment daran zu erinnern, dass ich ihn verlassen habe - denn sein Blick verzieht sich wieder zu dem, welcher er zuvor war. "Du bist so ein Lügner", zischt er dann und spuckt mir allen ernstes gegen die Brust, um mir unverständlich zu zeigen, dass er allen Respekt vor mir verloren hat. "Ich hätte alles für dich gemacht!", kreischt er dann weiter Wayde, sowie ich gehen lieber auf Sicherheitsabstand. Eben war er noch so niedlich und hat so süß geschlafen ... Glaube ich zumindest.
In mir fühle ich dennoch die Leere und Schmerz. Mein Leben fühlt sich kaputt an, obwohl ich weiß, dass ich Mama und Nick habe, alles was ich brauche. "Aber du hast mich einfach weg gestoßen, obwohl du mir etwas versprochen hast!"

Die Zimmertür öffnet sich und eine Krankenschwester streckt ihren Kopf hinein. "Ist alles in Ordnung!?", ruft sie laut und scheint aufgeregt zu sein. Wayde nickt ihr zu, er scheint damit umgehen zu können. "Der Patient muss wohl bloß seinen Frust herausschreien" - "Geht das nicht woanders? Andere schlafen hier."
Da Wayde da ist, habe ich gar nicht so große Angst wie sonst vor Hiro. Ich denke einfach, dass er eingreift, würde Hiro mir sonst etwas antun wollen. Die eher nicht so professionellr Krankenschwester nimmt ihren Kopf auf der Tür und eine andere Dame mit einem Arzt kommen herein - in ihrer Hand eine Spritze, aus der sie gerade die Restluft drückt. Wayde macht ihnen Platz und geht zur Seite. Ich, völlig überfordert mit der Situation, kann nur zusehen, wie der Mann Hiro festhält und die Frau ihm was auch immer injeziert. "Das wird ihn beruhigen", meinen die beiden zueinander und Hiro versucht tatsächlich nach dem Arzt zu beißen, doch ohne Erfolg. Auch nach der Schwester zu treten gelingt ihm nicht und der Arzt hält ihn noch länget fest, bis er einfach nur noch in seinen Armen zusammen sackt und einschläft. Der Mann im weißen Kittel legt den Jungen in das Bett zurück und beginnt damit ihn neu an die Geräte anzuschließen.

"Es tut mir wirklich Leid", wendet er sich an Wayde und senkt den Blick. "Dem Jungen scheint es wieder gut genug zu gehen, ich werde die nächsten Schritte einleiten."
"Es ist okay. Es muss so sein."
Der Mann nickt und verlässt samt der Schwester den Raum. Ich blicke zu dem großen Jungen, in dessen Augen doch tatsächlich Trauer liegt. "Ich werde den Kleinen vermissen", gibt er mit einem beinahe verschämten Blick zu Hiro zu. "Kommt Hiro jetzt wirklich weg? Aber er hasst es dort so sehr ... Er wird niemals glücklich werden..."
"Hiro wird niemals glücklich werden, wenn die es nicht schaffen, aus ihm einen normalen Jungen zu machen, der ehrlich lacht und seine Artgenossen nicht hasst, der versteht, was in der heutigen Gesellschaft geht und was nicht. Ich denke nicht, dass Hiro weiß, dass das eben, zum Beispiel, als total traumatisch eingeschätzt wird. Für ihn war es wohl nur Selbstverteidigung, weil er alles einfach nicht versteht ..."
Ich muss ihm leidet Recht geben. Dass Hiro kein Gespür für solche Dinge hat, musste ich auch gehäuft feststellen.

"Und wie lange bleibt er dann dort?"
"Das ... kann niemand so genau sagen. Er muss mindestens einen Monat rein und ist dann von dieser Welt hier abgeschlossen. Wir können ihn einmal die Woche besuchen und er muss sein Handy abgeben ... Und generell alle seine Wertgegenstände. Wir werden sie aber wohl hier behalten."
Ich sehe bedrückt zu Boden. Mindestens einen Monat ... Das ist ganz schön lange.
"Es tut mir Leid", murmelt sein großer Bruder und dreht sich weg. Ich weiß nicht, ob er mich oder Hiro meint.
Aber wohl eher seinen kleinen Bruder. "Kannst du auf seine Katze aufpassen? Uns erinnert Öli zu sehr an Hiro, wir brauchen eine Auszeit. Meine Mutter ist total fertig und mein Vater kann Hiro nicht leiden - ich vergesse Öli zu oft und die Kleine ist noch zu jung."
Ohnr zu überlegen nicke ich. Natürlich ... Wenigstens das kann ich für Hiro tun.

Love Drugs and Boys (boyxboy yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt