Chapter 5 - Harry

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"Harry, hey!"

Verschlafen blinzelte ich und öffnete die Augen.

"Hey, wach auf."

Ich spürte, wie er leicht an meiner Schulter rüttelte.

"Ich bin ja wach", brummte ich leise, "Was ist denn?"

"Taylor ist gleich hier und wenn du ganz der Gentleman sein möchtest, solltest du sie vielleicht vorne am Tor abholen. Dann muss sie nicht alleine durch die ganzen Schafe und dich anschließend in der Scheune suchen."

"Ja, du hast wahrscheinlich Recht...", grummelte ich verschlafen und erhob mich, "Sehe ich okay aus?"

"Wunderschön", antwortete er prompt, wobei ich deutlich den Sarkasmus aus seiner Stimme heraus hören konnte. Warum fragte ich eigentlich?

Seufzend tastete ich nach der Strickleiter und kletterte sie vorsichtig nach unten. Worauf hatte ich mich da bloß wieder eingelassen? Niall versuchte ständig, mich mit irgendjemandem zu verkuppeln und quatschte oft in aller Öffentlichkeit wildfremde Mädchen an. Ich hatte ihm schon mehrmals gesagt, dass ich das nicht okay fand aber entweder vergaß er es einfach oder er blendete es aus.

Gedankenverloren verließ ich den Stall und ging über die Wiese zum Zauntor. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich die warme Herbstsonne auf meinem Gesicht spürte und mir eine leichte Windbrise um die Ohren wehte. Das Laub knirschte unter meinen Füßen und gab bei jedem meiner Schritte ein wenig nach. Wie ich diese Jahreszeit liebte.

"Harry?"

Erschrocken fuhr ich aus meinen Gedanken und hob den Kopf. Ihre Stimme klang zart und freundlich und sofort stieg mir der liebliche Duft ihres Parfums in die Nase. Verlegen hielt ich ihr meine Hand entgegen.

"Ja, Harry. Hey. Und du bist... Taylor?"

"Genau. Entschuldige bitte, ich hätte mich vorstellen sollen", erwiderte sie schüchtern und erwiderte meinen Händedruck. Dabei fielen mir ihre weiche Haut und die kleine Hand auf und ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

"Freut mich, dich kennenzulernen", gestand ich und dieses Mal meinte ich es zu meinem eigenen Erstaunen wirklich ernst. Ich wusste nicht genau, was es war, aber irgendetwas an Taylor war anders. Sie war anders. Anders als die Mädchen, die Niall sonst so für mich entdeckte.

"Bevor wir irgendwie über mich urteilst, solltest du vielleicht wissen, dass... ähh...", scheu kratzte ich mir am Hinterkopf.

"Dass du blind bist?", vervollständigte Taylor fragend meinen Satz und ich nickte stumm, "Das hat Niall mir schon erzählt gehabt. Er ist übrigens echt ein komischer Kerl. Ich meine, wer spricht schon einfach so wildfremde Leute an?"

Ich konnte hören, dass sie anscheinend Grinsen musste, weshalb ich ihr die Kritik an Niall nicht besonders übel nahm. Außerdem hatte sie ja Recht.

"Ja...", stimmte ich ihr schmunzelnd zu, "Er macht sich einen Spaß daraus, mich zu verkuppeln... Und du hast kein Problem damit, dass... ich blind bin?"

"Dann wäre ich wohl kaum hier oder?", erwiderte sie leise lachend, "Ich fände es schade, dich nicht kennengelernt zu haben, nur weil du nichts sehen kannst. Ich meine, das macht dich doch nicht weniger interessant, ganz im Gegenteil."

Diese Aussage verunsicherte mich ein wenig. Hieß das etwa, dass sie mich nur aufgrund meiner Behinderung kennenlernen wollte? Hatte sie gar kein Interesse an mir, sondern fand es nur faszinierend herauszufinden, wie ich lebte?

Anscheinend hatte sie meinen grübelnden Gesichtsausdruck bemerkt, da sie ihre Worte augenblicklich zurück nahm.

"Also nein, ich meinte nicht, dass es das ist, was dich interessant macht, sondern... tut mir leid. Eigentlich bin ich gekommen, weil dein Lieblingsbuch 'the Notebook' ist."

Heart Attack - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt