Kapitel 34

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"Jin, du hast mir echt einen Herzinfarkt eingebracht", seufzte Jungkook schon fast und gesellte sich zu dem genannten in die Küche. "Da schau", er griff nach Jins Hand und legte sie prompt auf seine Brust, um ihm zu zeigen, dass er sich immer noch nicht besonders beruhigt hatte.

Lachend nahm Jin sie wieder weg und schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht sicher, ob ich allein daran Schuld bin, dass du so starkes Herzklopfen hast", und damit zwinkerte er ihm wissend zu und schaute ganz kurz in Richtung Bad. 

Beschämt wanderte Jungkooks Blick auf seine Hände, was aber nichts daran änderte, dass seine Ohren knallrot anliefen. "Da war gar nichts", sagte er kleinlaut und schaute scheu zu Jin hoch. Der winkte nur ab und widmete sich wieder dem Essen auf dem Herd, welches schon langsam anfing zu köcheln. 

Fleisch wurde erst richtig zart, wenn man es öfter köcheln ließ. Das hatte er von seinem verstorbenen Partner gelernt, der ein Meister in der Küche war. 

"Lass uns lieber über das da reden", sagte er ernster und zeigte auf das weiße Stäbchen, was auf dem Tresen gelegen hatte. Jungkook folgte seinem Blick und schluckte schwer, als er bemerkte, was Jin meinte.

"Verdammt, sorry. Das hatte ich Gestern total vergessen. Sowas liegt hier normalerweise nicht rum." Fahrig griff er nach dem Schwangerschaftstest. "Ich schmeiß es gleich weg und reinige alles. Ich mein, sowas hat ja nichts in der Küche..."

"Ruhig, Kookie!" Jin hatte ihn unterbrochen und griff nach seine Händen. Sie zitterten. 

Jungkook wollte sich losreißen, aber Jin behielt ihn an Ort und Stelle. "Es ist alles in Ordnung! Ich hab kein Problem, dass er da lag." Vorsichtig ließ er ihn los und drückte mit seinen Fingern dessen Gesicht nach oben, welches sich fest auf den Boden gerichtet hatte. 

Als er es schaffte, dass Jungkook ihm in die Augen schaute, erkannte er, was das Problem war. Tränen hatten sich gebildet und drohten überzulaufen. 

Mitfühlend strich er ihm über die Wange und zog ihn dann in eine feste Umarmung. Der Kleine tat ihm gerade so leid. Es war nicht schön, wenn die Hoffnung ständig enttäuscht wurden und das Ziel sich immer weiter zu entfernen schien. 

"Es ist alles gut", sagte Jin nochmal und strich ihm beruhigend über den Rücken, während Jungkook sich nicht mehr zurückhalten konnte. Laut schluchzte dieser auf und drückte sein Gesicht fest an Jins Schulter. 

Je länger sie so da standen, umso mehr konnte er spüren, wie sein T-Shirt langsam von Jungkooks Tränen durchnässt wurde und wie dessen Körper vom Weinen zitterte. 

Jin hatte ihn noch nie so aufgelöst gesehen. So vollkommen ratlos. Schon fast hilflos. Es ließ sein eigenes Herz schmerzhaft zusammen ziehen und erinnerte ihn an seine eigene Unvollkommenheit. Auch er wollte eigene Kinder, aber hatte aufgrund seiner fehlenden Gebärmutter diesen Wunsch nie in Erfüllung gehen lassen können. 

Wie musste es also für jemanden sein, der dieses Problem nicht hatte, aber ständig einen negativen Test in den Händen hielt?

Er wollte nicht genauer darüber nachdenken, denn allein Jungkooks tiefe Traurigkeit trieb ihm selbst die Tränen in die Augen. 

Verdammt, wenn er selbst jetzt auch noch anfing zu heulen, würden sie wahrscheinlich gar nicht mehr aus ihrer Trübnis heraus finden. 

Beruhig dich. Atme tief ein und aus.

Statt einem tiefen ruhigen Atemzug kam ein Schluchzen aus seiner Kehle und ehe er sich versah rollten ihm ebenfalls die Tränen über die Wangen. 

Verloren. Gegen den eigenen Körper und seine Funktionen. 

Er spürte, wie Jungkook seinerseits begann ihm über den Rücken zu streichen. Und irgendwie brachte diese Geste ein Schmunzeln zurück auf seine Lippen. Es war schon eine etwas eigenartige Situation in der sie sich gerade befanden. 

 Langsam löste sich Jungkook von ihm und schaute ihm fragend in sein verheultes Gesicht. 

"Was ist los? Warum weinst du?", fragte der Jüngere und sah schon etwas überrascht aus. Jin musste deswegen nur noch mehr Grinsen. 

"Tut mir Leid", sagte Jin mit tränenreicher Stimme. "Wenn andere weinen, muss ich automatisch mit weinen." Er lachte auf und versucht mit seinem Oberteil seine Tränen weg zu wischen, die nicht aufhören wollten seine Wangen runter zu laufen. 

"Echt?", fragte Jungkook und sah noch etwas überforderte aus, als vorher schon. "Das hab ich ja noch nie gehört." Jin lachte lauter auf und wartete nur darauf, dass auch Tae dieser komischen Konstellation beiwohnte. Es konnte ja schließlich nie noch unangenehmer werden.

"Ja, manchmal glaub ich, dass ich eigentlich ein Omega sein sollte, der im Körper eines Alphas gefangen ist. Hab manchmal auch ganz eigenartige Mutterinstinkte." Immer noch wollten seine Tränen nicht aufhören zu fließen und verzweifelt schaute er an die Decke, vielleicht flossen sie ja dann rein und nicht raus. 

Jungkooks Tränen hatten zum Glück scheinbar aufgehört über sein Gesicht zu rinnen und sein besorgter Blick galt wohl eher Jin, statt dem negativen Schwangerschaftstests. 

"Sag mal, was ist denn hier los?", kam von einer tiefen Stimme. Tae. Da war er. Schlimmer konnte es jetzt wirklich nicht mehr werden oder wie sein verstorbener Partner gesagt hätte: Schlimmer ging Nimmer.

Unsicher blickten Tae und Jungkook sich an, bis der Jüngere versuchte diese uhrkomische Situation zu erklären. 

"Er hat meinen Schwangerschaftstest gefunden", flüsterte Jungkook ihm zu. Mehr nicht. Tae sah noch etwas überforderter aus, als vorher und machte ein Gesicht, als ob er nicht ganz verstand. 

Jin musste wieder lachen, weil auch für ihn, mit dieser sehr kurzen Antwort, das alles hier leicht komisch wirkte. "Das musst du schon detaillierter erklären", sagte Jin mit einem Schmunzeln in der Stimme. Langsam hörte sein Tränenkanal auf weitere Tränen zu produzieren und vorsichtig senkte er wieder seinen Kopf. 

Tae sah tatsächlich genau so aus, wie Jin es sich vorgestellt hatte: Durcheinander, mit einem Spritzer Überforderung. 

"Ich hab geweint, weil Jungkook geweint hat und Jungkook hat wegen dem Ergebnis des Tests geweint. So wird ein Schuh draus." Reflexartig schaute Tae seinen Mann an und sein Blick zeigte eindeutig, dass er dessen Gesicht gerade besorgt scannte. 

"Oh verdammt, mein Liebster", kam er liebevoll auf ihn zu und zog ihn in eine Umarmung. "Warum hast du denn gestern Abend nichts gesagt, wie schwer dieses Ergebnis dir auf dem Herzen liegt? Du weißt doch, dass ich nicht will, dass du irgendwas in dich reinfrisst und dann auch noch bei sowas." 

Behutsam strich Tae über dessen Haare und drückte ihn mit der anderen Hand fest an sich. Jungkook kuschelte sich für den Bruchteil einer Sekunde an seinen Mann, bevor ihm wieder ins Gedächtnis kam, dass sie ja nicht alleine waren. 

"Naja, ist ja nicht besonders toll, wenn ich wegen einem Wunsch von uns, ständig heulen muss. Macht das ganze jetzt auch nicht gerade leichter." Sie lösten sich langsam voneinander und schauten sich tief in die Augen, bevor ihr Blick wieder zu Jin ging.

Der seufzte laut und verschränkte die Arme vor der Brust. "Dann bleibt wohl nur eins", sagte er bedeutungsvoll und presste nickend seine Lippen zusammen. Die beiden anderen schauten ihn fragend und abwartend an.

"Ohne Kontrolle kein Druck! Also weg mit den übriggebliebenen Schwangerschaftstests. Jetzt wird nur noch Liebe gemacht, wegen der Liebe", sagte er verschmitzt und zwinkerte ihnen zu. 

Wo er Recht hatte, hatte er Recht. 


Liebster! - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt