Kapitel 54

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Es war ein unglaublich schöner Tag, den sie gemeinsam dort verbracht hatten. Sie hatten nicht viel geredet - aber das mussten sie auch nicht. Die Aussicht und die Nähe des jeweils anderen hatten gereicht, um ihre Gedanken zu klären und sich mit der neue Situation abzufinden.

Ja, Tae würde gehen, aber er würde auch wieder kommen - so wie jedes Mal, wenn er wieder auf Tour musste. Das war Jungkooks Meinung und er war sich sicher, dass es schlussendlich darauf hinaus laufen sollte, denn auch Tae wollte diese Tour. Brauchte diese Tour, um seinen Fans mal wieder nahe sein zu können und danach - sah man weiter. So, wie er es bisher immer gemacht hatte. Er war keine Person, die groß in die Zukunft plante. Bisher kam alles so, wie es kommen sollte.

Jungkook war bewusst, dass er einen Mann geheiratet hatte, der ihm nicht gänzlich allein gehörte, auch wenn er sich das öfters in den letzten Wochen gewünscht hatte.  

Ihm war klar, dass Tae es liebte Musik zu machen und seine Gedanken und Gefühle mit einer Menge Menschen zu teilen. Es machte ihn glücklich, wenn seine Fans mit ihm mit fieberten, sich freuten, wenn er sich freute und genau so ungeduldig auf neue Songs wartete, wie er es war, wenn er sie endlich veröffentlichen konnte.

Wie konnte Jungkook also Menschen, die seinen Mann liebten, böse sein, wenn sie ein einziges Mal seine Gegenwart spüren wollten? Er hatte ihn doch sonst fast täglich, da waren die paar Monate ohne ihn doch erträglich. 

Zufrieden rutschte er ein Stück den Autositz runter und machte es sich so etwas gemütlicher.

Sie waren ziemlich lange unterwegs gewesen - insgesamt drei Stunden, so dass der Rückweg sie direkt zur Konzerthalle brachte, was bedeutete, dass er heute das erste Mal einen live Auftritt von Tae sehen würde oder V, wie seine Fans ihn nannten. 

Schon verrückt, dass er das bisher nie in Erwägung gezogen hatte - es war ja nicht das erste Mal, dass Tae in Seoul auftrat, aber irgendwie hatte es nie so richtig hingehauen. Vielleicht sollte es aber auch sein, damit er es zusammen mit ihrem Baby genießen konnte. 

Was der wohl schon alles mitbekam?

Konnte er schon hören oder fühlen? Wie würde sich Jungkooks Stimmung auf den kleinen Wurm ausprägen und ab wann konnte man die Bewegungen spüren? 

So viele Fragen und auf nichts hatte er eine Antwort, dabei war dieses kleine Wunder ja gewollte gewesen. Warum kamen ihm also jetzt erst solche Gedanken? Zeigte das nicht eventuell fehlendes Interesse, wenn er sich erst jetzt darum sorgte, was den Zwerg in ihm ausmachte?

Verträumt schaute er zu Tae rüber, der sofort Jungkooks Blick wahrnahm, die Hand auf sein Bein legte und sanft massierte. Grinsend schaute dieser kurz zur Seite und schien mit dem Blick zu fragen, was ihn gerade beschäftigte, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem dichten Verkehr in Seoul zu wand. 

Auch Jungkook grinste bei dieser Geste ganz automatisch und atmete tief ein. 

Warum machte er sich eigentlich Sorgen? Alles was er nicht hinbekommen würde, würde Tae schaffen und ihn so perfekt ergänzen, wie es auch schon vorher der Fall war. Mit ihm an seiner Seite sieht jede Hürde nur noch halb so schwer aus. 

"Tae?", fing Jungkook leise an und hoffte sehr, dass die Frage, die ihm auf der Zunge lag, nicht zu sehr die harmonische Stimmung zerstörte. 

"Hast du eine Entscheidung getroffen, wegen der Tour? - Ich mein: ich würde es verstehen, wenn du trotzdem fährst - also nicht, dass ich dich nicht hier haben wollte. Ich..." Ach verdammt, das nahm gerade eine völlig falsche Richtung an. In seinem Kopf hatte es sich besser angehört.

"Ja", sagte Tae breit grinsend und fuhr mit seiner Hand ein Stück weiter an Jungkooks Bein hinauf. "Und nein. Ich bin nicht völlig Sicher mit der Entscheidung, aber ja ich habe mich entschieden. Ich muss es nur noch mit Sejin besprechen." 

Gespannt hörte Jungkook ihm zu und hatte irgendwie erwartet, dass er fort fuhr mit seiner Erklärung, aber irgendwie kam nichts, auch wenn sie bereits kurz vor der Tiefgarage des Konzerthauses waren und die Menschenmassen davor schon gut hörbar waren. 

"Und willst du mir diese Info vielleicht noch mitteilen, bevor das Konzert beginnt?", fragte Jungkook nach und rechnete gerade zu mit einem "Nein". Für ein "Ja" grinste sein Mann zu frech.

"Reicht es dir etwa nicht, wenn du es nachher beim Konzert erfährst?" 

Verwirrt schaute er Tae an und war sich nicht bewusst, ob er das wirklich richtig gehört hatte: Er wollte es ihm nicht zuerst sagen? So eine wichtige Entscheidung? Falls das Humor war, hatte Jungkook seinen anscheinend irgendwo verloren.

Lachend parkte Tae auf einen der Parkplätze der Tiefgarage, die direkt nach ihrem Ankommen geschlossen wurde. Anscheinend hatten sie nur auf ihren Star gewartet. 

"Schau nicht, wie ein Auto mein Liebster. Das war ein kleiner Scherz, aber scheinbar kam das nicht gut an", bemerkte er und schnallte sich ab. Vorsichtig drehte dieser sich auf seinem Sitz zu ihm hin und schien angestrengt zu überlegen, was er als nächstes sagen sollte. Kein guter Anfang, wenn es nach Jungkooks Meinung ging.

"Es ist noch nicht gänzlich sicher, weil ich das erst besprechen muss, aber hättest du vielleicht Lust mitzukommen?", kam da die Frage, die Jungkook aus allen Wolken fallen ließ.

Daran hatte er auch schon gedacht, aber es war eigentlich keine Option für ihn.

Langsam schüttelte er den Kopf, wurde immer energischer und war nun nicht mehr der Einzige, der wie ein Auto schaute. Mit der Reaktion hatte Tae wohl nicht gerechnet.

"Wie?", fragte er etwas verdattert und das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden.

Immer noch schüttelte Jungkook den Kopf und hatte das Gefühl, dass sich sein Kopf langsam anfing zu drehen - er sollte damit jetzt definitiv aufhören und lieber mit seiner Erklärung beginnen.

"Tae - ich... du bist doch nicht der einziger, der Verantwortung hat. Ich hab einen Job, ich schreibe meine Doktorarbeit. Ich hab dafür bald keine Zeit mehr", versuchte er sich verständlich zu machen und spürte die Enttäuschung seines Gegenübers.

"Ich würde meinen Doktor gerne fertig machen, bevor unser Baby da ist, denn dann werde ich mit Sicherheit nicht den Kopf für sowas haben." 

Tae schüttelte sachte den Kopf und hatte mühe seine Emotionen nicht sofort über ihn einbrechen zu lassen. Es brachte ja nichts jetzt zu heulen, während einer Diskussion. 

"Aber ich will doch dabei sein. Will die Schwangerschaft nicht verpassen - das erste mal Treten spüren und deinen Bauch wachsen sehen. Live und nicht durch Fotos oder Videos", kam traurig von dem Älteren und langsam wand er sich von Jungkook ab. 

Krampfhaft umgriff er das Lenkrad und Tränen traten in seine Augen. "Ich dacht, dass wäre genau das Richtige für uns... ich mein dann bleibt doch nur, dass ich die Tour absage, oder?" Ein Schniefen war zu vernehmen und Jungkook legte sanft seine Hand auf dessen Schulter.

"Tae - ich glaube nicht, dass das die beste Entscheidung wäre und auch das Absagen deiner Tour fände ich eine ganz schreckliche Idee. Du würdest Millionen von Menschen enttäuschen - nur dafür, dass du bei mir sein kannst. Das würde nicht förderlich sein dafür, dass deine Fans mich akzeptieren." 

Von der Seite konnte Jungkook sehen, wie Taes Lippe anfing zu zittern und einige Tränen bereits seine Wangen hinab liefen.

Behutsam rutschte er näher an ihn ran und legte vorsichtig seine Stirn auf dessen Schulter. 

"Ich liebe dich, mein starker schöner Alpha und ich hab dich gerne bei mir. Doch die Entscheidung nicht auf Tour zu gehen, wirst du irgendwann bereuen und ich will nicht der Grund dafür sein - genau so wenig wie unser Baby." 

Sachte wanderte er mit seiner Hand an Taes Arm entlang und verschränkte schlussendlich ihre Finger miteinander. Liebevoll führte er sie an seine Lippen und haucht einen Kuss darauf, bevor er seine Wange daran schmiegte.

"Mein Liebster - geh, mach die Menschen glücklich, die dich und deine Musik so lieben und dann komm zu mir zurück. Gesund und munter."

Liebster! - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt