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Mit schnurrendem Motor rolle ich auf den abgedunkelten Hof von Johnnys Werkstatt. In regelmäßigen Abständen sind hier die verschiedensten Luxusschlitten geparkt. Ein Paradies für jeden Autofan.

Auf der Fahrt hierher, habe ich Johnny bereits bescheid gegeben, dass ich einen Bentley in meinem Besitz habe. Der ältere Mann hat mir zugesichert, einen Käufer zu haben und mich gebeten, sofort zu ihm zu fahren.

Die Werkstatt liegt am Rand von Seattle, somit ist die Gegend verlassen. Generell brennt in der ganzen Straße kein Licht und auch der Hof ist verdächtig still. Normalerweise arbeiten die Männer in der Nacht, da das unauffälliger ist. Am Tag sind die teuren Autos mit Planen verdeckt, immerhin sind die Wägen zum Großteil Diebesgut.

Wo sind denn alle?
Verwundert parke ich den Bentley neben einem neuen Porsche 911 und schaue mich aufmerksam im Hof um. Die Autos sind wie jede Nacht aufgedeckt, dass heißt theoretisch müssten Johnnys Männer überall herumlaufen und arbeiten.

Einzig das kleine Licht in der Werkstatt zeigt, dass Johnny noch hier ist.

Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht!

Mein Griff um das schwarze Lenkrad verfestigt sich und ich rutsche unruhig auf dem Ledersitz hin und her. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich so schnell wie möglich verschwinden soll. Aber warum?

Johnny und ich arbeiten schon seit mehreren Jahren Hand in Hand. Ich besorge die Autos und er verkauft sie - wir beide kassieren die Hälfte des Gewinns. Johnny ist Mitte vierzig und ein Kleinkrimineller, wie es im Buche steht: Von oben bis unten mit Tattoos übersäht, die Statur eines Bodybuilders und er hat eine Glatze. Er ist nicht unbedingt vertrauenserweckend, aber gegenüber seinen Geschäftspartnern ist er loyal. Trotz diesem Wissen, macht mich die Stimmung hier bei der Werkstatt mehr als nervös.

Warum sind alle seine Mitarbeiter weg?
Wieso ist es hier so still?

Endlich finden meine Finger den Weg zum Start- und Stoppknopf des Wagens und der Motor verstummt. Das Abblendlicht des Sportwagens ist nun auch aus, weshalb es jetzt komplett dunkel auf dem weitläufigen Hof ist und ich nur noch die Umrisse der ganzen Autos erkennen kann. Nervös verschränke ich meine schwitzigen Hände ineinander.

Hat Elodie womöglich Recht und ich habe mich mit dem Falschen angelegt?

Kopfschüttelnd beschließe ich, mich zusammenzureißen. Johnny kann die ganzen Unstimmigkeiten sicher nachvollziehbar erklären. Ich bin einfach nur paranoid, auf Grund von Elodies Angstmacherei.

Ich öffne die Tür des Bentleys und setze meine Füße, die in schwarzen Boots stecken, auf den Boden. Während ich aus dem Wagen aussteige, streiche ich mir meine braunen Haare aus dem Gesicht. Leise schließe ich die Autotür hinter mir und mache mich auf den Weg zur Werkstatt.

Die einzelnen Kieselsteine knirschen viel zu laut unter meinen Schuhen, während ich mich vorsichtig an den geparkten Luxuswägen vorbeischlängele. Kurz bevor ich an der Hintertür ankomme, versichere ich mich, dass mein Smartphone noch immer in der hinteren Tasche meiner Hose verstaut ist - sicher ist sicher.

Geräuschvoll stoße ich meinen unbewusst angehaltenen Atem aus und drücke die verrostete Türklinke nach unten. Mit einem unangenehmen Quietschen schwingt die Tür nach innen auf und ich habe freien Blick auf die spärlich beleuchtete Werkstatt.

Warum hat Johnny das Licht nicht, wie sonst, ganz an?

Auch in der Werkstatt ist es still - zu still. Wo zum Teufel sind alle?

„Johnny?", frage ich leise in den großen Raum hinein und schließe die Metalltür lautlos hinter mir. Langsam laufe ich immer weiter auf die Hebebühnen und das dahinter liegende Büro zu.

„Kaia?", antwortet mein Geschäftspartner nach einer kurzen Stille.

Alarmiert trete ich einen Schritt zurück. Verdammt, was ist hier los? Johnny klingt nicht normal, seine Stimme war angespannt und meiner Meinung nach, verheimlicht er gerade etwas wichtiges.

Ich bleibe stumm und weiche weiter zurück.

„Kaia?!", erklingt erneut Johnnys Stimme, diesmal jedoch um einiges lauter. Bilde ich es mir nur ein oder klingt er panisch? Ich glaube, ich werde paranoid. Elodie hat einen schlechten Einfluss auf mich.

Ratlos schaue ich zwischen dem hellen Büro und der dunklen Tür hinter mir, hin und her. Was soll ich machen - gehen oder bleiben?

Als ich aus dem nichts mehrere fremde Stimmen höre, fälle ich meine Entscheidung: gehen, definitiv gehen!

Ich drehe mich auf der Stelle um und tappe auf leisen Sohlen zurück zur Hintertür. Ich bete, dass mich bisher noch niemand gehört hat. Mein Herz schlägt inzwischen laut in meiner Brust und mein Atem geht verdächtig schnell.

Ich öffne die Hintertür und pralle plötzlich gegen eine Wand.

Hä?

Überrascht schaue ich auf und erkenne eine große, muskulöse Gestalt. Eindeutig ein Mann. Scheiße. Ich taumle zurück.

„Wohin so schnell?", spricht er mich an und packt dann unsanft meinen Arm, „Ich glaube, mein Boss sucht dich."

Sein Boss? Oh, verdammt.
Ich hätte auf Elodie hören sollen.

Der Mann, der gebaut ist wie ein Türsteher, zieht mich zurück ins innere der Werkstatt.

„Boss?! Ich habe sie", gibt er lautstark von sich und aus dem nichts treten Johnny und ein mir fremder Mann aus dem Büro.

„Also, Cupcake", beginnt der Blonde neben Johnny, „Du hast meinen Wagen geklaut?"

Oh shit! Seinen Wagen?
Ist das einer der Mafiosos, vor denen meine Freundin mich gewarnt hat?
Ich mustere den Fremden genauer: er ist mindestens 1.90 Meter groß, breit gebaut und hat scharfe Gesichtszüge. Seine hellen Haare sind nach oben gestylt und er trägt eine schwarze Anzugshose und ein ebenso schwarzes Hemd. Würde ich nicht minimal in der Klemme stecken, würde ich ihn echt heiß finden.

Ich entscheide mich dazu, nicht zu Antworten. Stattdessen werfe ich Johnny einen Todesblick zu. Dieser elende Verräter! So eine kleine, mickrige Ratte! Ich besorge ihm seit Jahren, die besten Autos und so dankt er es mir? In dem er mich an die Mafia verpetzt?!

„Antworte!", zischt der Türsteher neben mir mich sauer an und verstärkt den Druck um meinen Arm. Was ein Arschloch.

„Offensichtlich", antworte ich schließlich auf die Frage von seinem Boss und recke trotzig mein Kinn in die Luft, „Du solltest wohl besser auf deine Autos aufpassen!"

Scharf ziehen alle Anwesenden die Luft ein. Jap, mein Mundwerk war mal wieder schneller, als mein Kopf.

„Wie heißt du, Cutie?"

Der Typ hat schon einen kleinen Dachschaden. Wer nennt fremde Frauen einfach Cutie oder Cupcake?



Wie findet ihr die Idee bisher so? Also erster Eindruck? ^^

Denkt an den Stern! <3

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