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Nachdem meine Haare trocken und anständig frisiert waren, machten wir uns auf zu seinen Brüdern. Der Besuch hing mir jetzt schon quer aber wenn es sein musste, dann konnte ich wohl schlecht Nein sagen. Wir wurden in einem Gewölbekeller erwartet. Marcus hatte wieder diesen tragischen Blick. Er stieß einen Seufzer aus: "Sie sind da, Caius." Der legte sein Buch aus der Hand, musterte mich: "Guten Morgen Beatrix." In mir stieg die Aufregung. Aro ging auf seine Brüder zu, begrüßte sie angemessen. "Beatrix, wie geht es dir?" Starrte den blonden Mann einen kurzen Augeblick an, ehe ich antwortete: "Ich lebe." "Ist Sie nicht komisch, Marcus?" reagierte Caius grinsend. Der stieß einen Seufzer aus und fragte: "Hast du Sehnsucht nach dem Tod?" Zuckte unschlüssig mit meinen Schultern: "Ich vermisse meine Eltern." "Das verstehe ich. Du hast Sie geliebt." erwiderte Marcus betroffen. "Sie wird schon darüber hinwegkommen." sprach Aro. "Nicht jeder mein lieber Bruder, kann diejenigen die er geliebt hat so einfach vergessen." Wieder ein tragischer Seufzer. Wurde hellhörig und neugierig zu gleich: "Hast du auch jemanden verloren, Marcus?" Er nickte knapp: "Meine Frau Didyme." "Sie ist schon Jahrhundertelang nicht mehr unter uns." erwiderte Caius genervt. "Aber Sie war meine Schwester." sprach Aro traurig, legte seine Hand auf Marcus Schulter: "Ich teile dein leid."

"Genug!" rief Caius und betrachtete mich: "Beatrix, ich nehme an, du wirst Fragen haben." Zuckte unschlüssig mit meinen Schultern: "Keine Ahnung, bin mir nicht sicher ob ich wirklich ein Vampir werden möchte." "Interessant, was spricht dagegen?" Aro griff in die Befragung ein: "Aus verständlichen Gründen kann Beatrix momentan noch keine Entscheidung treffen." "Was wollen wir dann mit ihr?" fragte Caius desinteressiert. "Sie wird eine mächtige Gefährtin sein." antwortete Aro leise. "Nur wenn Sie ein Vampir wird." fügte Marcus ebenso gelangweilt hinzu, sah mich mit einem aroganten Blick an: "Wenn Sie kein Vampir wird, dann könnten wir dem gleich ein Ende setzten. Ihr Geruch ist unbeschreiblich intensiv." "Niemand setzt hier irgendwem ein Ende!" rief Aro wütend. Nun meldete ich mich zu Wort: "Gestern sind meine Eltern mir weg genommen worden. Wie um Himmels Willen soll man so eine Entscheidung binnen 24 Stunden treffen?" "Keinem von uns blieb eine Wahl." antwortete Caius grinsend: "Wir alle sind mehr oder weniger plötzlich zum Vampir geworden." "Du kannst ohnehin nicht gehen." warf Marcus ein: "Glaubst du ernsthaft wir lassen dich einfach so wieder zur Tür hinaus spazieren? Also bleibt dir auch keine Wahl!" "Mir ist bewusst, das ich nicht gehen kann aber..." brach ab, sah zu Aro, nahm seine Hand: "Ich bin mir nicht sicher ob ich das alles kann."

Meine Anspielung schien er sofort zu verstehen. Sanft lächelte Aro mich an: "Du weißt, ich gebe dir die Zeit die du brauchst." Caius lachte auf: "Aha! So ist dass mein Bruder. Du hast wohl diejenige welche gefunden, wie?" Aro stieß einen Seufzer aus: "Nun, Beatrix ist eine sehr attraktive junge Dame aber alles andere muss die Zeit zeigen. Sie ist ohnehin noch nicht volljährig." "Dann muss die Verwandlung ohnehin warten." seufzte Marcus, sah mich an: "Wann wirst du denn volljährig?" "Am 31. Oktober." antwortete ich wahrheitsgemäß. "Dann haben wir ein Datum." sprach Caius grinsend: "Bis dato stehst du unter unserem Schutz. Allerdings erwarten wir eine Entscheidung... ich denke mein lieber Bruder, wird dir die Entscheidung so einfach wie Möglich machen." "Moment." warf Marcus ein, sah zu Aro: "Was hast du genau gesehen als du Sie berührt hast?" Er zögerte einen kurz, antwortete dennoch: "Sie wird sehr mächtig sein und kann die Fähigkeiten der anderen Vampire problemlos durch Berührung erlernen." "Hm... das ändert die Bedingungen." entgegnete Caius: "Sie wird nur verwandelt werden wenn Beatrix zu 100% zu uns steht. Sie muss ihren Wert beweisen." "Ihre Fähigkeit ist Wert genug." meinte Aro nachdenklich. "Nein, darüber sprechen wir ein andere mal." sagte Marcus entschieden. "Du kannst gehen, Beatrix."

Sah zu Aro, der mich natürlich umgehend nach draußen begleitete. Dann atmete ich tief durch, die ganze Last flog ab. "Du hast dich gut geschlagen, Liebes." sprach Aro leise. "Danke für deine Unterstützung." gab ich von mir. Stand auf Zehenspitzen um ihn einen sanften Kuss zu geben. Er schien überrascht. Löste mich von ihm: "Nochmals danke." Aro kicherte wie ein kleiner Junge, nahm meine Hand: "Gehen wir ein wenig spazieren." Gesagt getan. Er führte mich auf die hohe Mauer von Volterra. Die Sonne schien nicht. Es war bevölkt. Dennoch war der Ausblick schön. "Sag mal wieso bist du von Griechenland hierher gekommen?" fragte ich neugierig. "Nun, ich war in vielen Ländern aber Italien hat es mir und meinen Brüdern besonders angetan. Außerdem leben wir hier sehr gut." antwortete Aro. Sah ihn einen Moment fasziniert an: "Du bist viel herum gekommen?" "Ja, es hat einige Jahrhunderte gedauert bis wir unsere Macht ausgebaut haben aber dass alles hier gehört uns, rechtmäßig." erwiderte er grinsend, nahm meine Hand: "Normalerweise lassen wir uns hier sehr selten blicken. Wenn die Sonne scheint, dann fangen Vampire an zu glitzern. Sehr auffällig und viel zu auffällig für so ein verschlafenes Nest."

"Glitzern?" fragte ich nach. "Na ja besser als in Staub zerfallen oder?" Kicherte leise, schritt neben ihm her: "Volterra ist wunderschön. Allerdings hat die Toskana allgemein viel zu bieten." "Ich war schon sehr lange nicht mehr unterwegs." Aro lächelte leicht. "Gab es denn jemals einen Dracula?" Er zuckte mit den Schultern: "So wie in den Büchern beschrieben wohl eher nicht. Eine Art Urvampir muss es dennoch gegeben haben. Schließlich stammen wir von dem ab. Allerdings glaube ich kaum dass Bram Stokers Dracula genauso existiert hat. Vielleicht in abgeschwächter Form." "Und Vampirjäger?" fragte ich weiter interssiert nach. "Es gab welche im Mittelalter und davor. Allerdings jagt man Vampire nicht mit Pfeile, Pfähle und Weihwasser. Man muss uns zerstückeln und verbrennen." antwortete Aro nachdenklich. "Sind deshalb nicht mehr viele zu sehen?" Er grinste breit: "Nein es gibt durchaus viele. Wir leben nur verborgen um die Menschen nicht zu erschrecken. Einige von uns passen sich dem menschlichen Leben komplett an, andere ziehen es vor zurück gezogen zu leben. Menschenblut zu widerstehen schafft man nicht so einfach."

Dachte einen Augenblick nach: "Wie lange schafft man es ohne Blut auszukommen?" "Interessante Frage, darauf gibt es keine passende Antwort. Man kann durchaus einen langen Zeitraum ohne Nahrungsaufnahme auskommen. Allerdings wird das Verlangen immer größer. Irgendwann läuft man Gefahr etwas sehr dummes zu tun zum Beispiel eine ganze Stadt zu überfallen." "Das bedeutet ihr verbraucht sehr viele Menschen oder?" Aro lachte auf: "Na ja die Touristen werden jediglich als vermisst gemeldet und irgendwann verliert sich deren Spur. Wir haben ein gutes weit verzweigtes Netz." Schüttelte meinen Kopf: "Gibt es denn keine andere Möglichkeit? Kunstblut oder so?" Er zuckte unschlüssig mit den Schultern: "Bis jetzt leben wir gut so wie wir leben." "Na gut." entgegnete ich: "Reden wir von etwas anderem. Sag mal deine Schwester, wie starb Sie?" Aro stieß einen Seufzer aus: "Deine Neugierde ist durchaus berechtigt aber ich denke, dass wir darüber ein anderes Mal sprechen, okay? Ich bringe dich zurück in meine Gemächer. Unglücklicherweise habe ich noch eine wichtige Konferenz Sitzung abzuhalten. Natürlich wird dir Jane etwas zu essen bringen und vielleicht auch etwas zu lesen. Komm gehen wir, Liebes."

Es überraschte mich sehr, dass er nun das Gespräch beendete. Vielleicht hatte ich zu viel gefragt. Vielleicht saß sein Schmerz noch sehr tief. Folgte ihm nach drinnen. Kaum hatten wir seine Gemächer betreten, hielt ich ihn vom gehen ab: "Aro?" "Ja, Liebes?" Berührte seine rechte Hand: "Ich wollte dich nicht in verlegenheit bringen." "Hast du nicht. Es gibt Dinge über die man zur rechten Zeit spricht, okay?" Nickte leicht. Aro strich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht, kam mir wieder näher. Sein Geruch paralisierte mich förmlich. Ein kurzer Kuss ließ mich tausend Achterbahnen fahren. "Ich werde dich nun alleine lassen. Wenn Jane kommt, sag ihr Sie soll anschließend zu mir kommen. Es gibt noch etwas zu besprechen bezüglich ihres Wachdienst nächste Woche." sprach Aro, gab mir noch einen Abschiedskuss auf meine Wange: "Sei brav." Lachte auf, versicherte ihm dass ich nichts anstellen würde. Als Aro ging ließ er mich mit einigen Fragen zurück. Seufzend ließ ich mich auf das Bett fallen. Mir war wohler wenn er um mich herum war, denn nun war ich wieder mit all meinen Gedanken allein. "Ach Dad, ich wünschte du wärest hier." flüsterte ich ins Kissen, starrte zur Decke: "Das Leben kann so kompliziert sein. Ich weiß gar nicht was mir geschieht." Mein Dad war immer derjenige der mir die besten Ratschläge erteilte. Meine Mutter und ich waren wie Schwestern gewesen. Sie verstand mich auch wenn ich nicht alles sagte. Vermisste beide sehr. Diese Wunde würde wohl noch eine Weile weiter klaffen. Es zu ertragen war schmerzhaft. So viele Erinnerungen kamen wieder hoch. Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken aber es gelang mir nicht...



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