Seth Blackwood lehnt mit einem Arm an der riesigen Eiche. Sein Körper ist angespannt und es ist mühsam für ihn zu atmen. Wenn er sich nicht schon unzählige Male verwandelt hätte, würde er womöglich in Ohnmacht fallen. Sein nackter Körper wandert weiter durch die Tiefen des Waldes, während er darauf bedacht ist, seine Wut nicht Oberhand gewinnen zu lassen. Der Streit mit seinem Bruder wiederholt sich immer und immer wieder in seinen Gedanken. Er hätte nicht einfach weglaufen sollen, doch er hat keine andere Wahl gehabt, sonst hätte er seinem Onkel den Kopf abgerissen. John hat sich nicht nur gegen seinen Alpha verschworen, sondern auch gegen ihn.
Das Gesicht seines Bruders blitzt vor seinen Augen auf und er verliert erneut die Beherrschung. Ein quälendes Jaulen kommt aus seiner Kehle hervor, als er zu rennen beginnt. Die dichten Bäume rasen an ihm vorbei und, als er schon fast den Waldrand erreicht hat, bleibt er stehen. Willy's Diner ist nicht mehr fern. Er hat ein schlechtes Gewissen, dass er Eric und die anderen hat warten lassen, aber sein Bruder hat ihn gebraucht. Seine ganze Gestalt schwitzt aus allen Poren, als er auf Eric Malacky zuläuft. Auf seinem dunkelhäutigen Gesicht breitet sich ein Lächeln aus, als er Seth am Waldrand sieht. Schnell öffnet er die Fahrertür seines grauen Trucks, um eine schwarze Jogginghose und ein weißes Shirt herauszuholen. Die Tür fällt zu und ehe er reagieren kann, steht Seth direkt vor ihm.
"Hier, zieh das an. Du siehst schrecklich aus." Eric deutet auf die dunklen Augenringe und den Bluterguß auf Seths Wange. Seth streckt eine Hand aus und nickt seinem Kumpel dankend entgegen. Er hat sich schon immer auf ihn und die anderen verlassen können. Eric stellt keine Fragen, das tut er nie. Es löst in ihm ein ungutes Gefühl und Schuldgefühle aus, aber die Schreie, die ihn mitten in der Nacht aus seinem Schlaf erwachen lassen, sagen ihm alles, was er wissen muss. Er kennt John seit seiner Kindheit und weiß, wie streng und fordernd dieser ist. Nach jedem Zusammentreffen hat er Mühe damit, die Blicke des alternden Mannes zu vergessen. Eric wird aus seinen Gedanken gerissen, als der unverkennbare Laut von quietschenden Reifen ertönt. Seths Haltung verändert sich, als die beiden einen roten Truck, der schon bessere Tage gesehen hat, erblicken. Der Truck fährt mit langsamer Geschwindigkeit auf den Parkplatz und hält dann an. Erik kann es sich nicht verkneifen, Seth mit einer Hand anzustupsen.
"Hey, wer ist das?" Seth erwidert kein Wort, zu sehr ist er damit beschäftigt, auf den roten Truck zu starren. Auf der Rückbank sitzt ein junges Mädchen, das er noch nie in Fairwood gesehen hat. Ihre Finger gleiten durch ihren Pferdeschwanz, als sie zu jemandem spricht.
"Was ist los mit dir?" Eric lacht leise, als er Seths Blick folgt. Auch er sieht das Mädchen.
"Gar nichts", erwidert Seth. Es ist ihm kaum möglich seinen Blick von dem Mädchen zu nehmen. Irgendetwas ist anders an ihr, aber er kann sich einfach nicht erklären, was es sein könnte. Erst als eine Tür zugeschlagen wird und zwei Personen den Truck verlassen, erwacht Seth aus seiner Starre. Eric und die anderen beiden Teenager beginnen lauthals zu lachen, als eine rothaarige Frau mit auffälligen weiblichen Kurven barfuß durch den Schlamm humpelt. Seth hingegen sieht erneut zu dem Mädchen. Er wird herausfinden, wer sie ist.
"Komm schon, Quinton. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Barbara humpelt mit nackten Füßen durch den Schlamm, die schwarzen Pumps in ihren Händen längst vergessen. Sie hat keine Zeit gehabt sich umzuziehen, aber ihr Knöchel bereitet noch immer Schmerzen und ihre anderen Schuhe sind in den Kisten, die die Möbelpacker zum neuen Haus bringen werden. Quinton ist beschämt darüber, dass seine Mutter ihren weiblichen Körper auf solche eine frivole Weise zur Schau stellt und, als ein lautes Pfeifen und schallendes Gelächter über den Parkplatz hallen, reißt sein Geduldsfaden. Barbara humpelt mit erhobenem Kopf über den Parkplatz, als auch sie das Pfeifen und das Lachen wahrnimmt. Sie sieht nach rechts, doch ihr Sohn ist verschwunden. Verwundert blickt sie zur anderen Seite und erkennt, dass Quinton mit schnellen Schritten auf eine Gruppe junger Männer zuläuft. Ihr Körper vibriert und eine leise Stimme in ihrem Kopf flüstert ihr zu, dass etwas Verheerendes passieren wird, wenn sie nicht sofort handelt. James sieht mit zusammengekniffenen Augen aus der dreckigen Fensterscheibe des Trucks. Zuerst glaubt er sich zu versehen, doch dann erkennt er, dass sein Cousin geradewegs in sein Unglück läuft.
"Bleib im Auto. Ich komm gleich wieder." James öffnet sofort die Tür und sprintet zu seinem Cousin. Quinton verschwendet derweil keine Zeit. Er hat die Gruppe in Handumdrehen erreicht und baut sich bedrohlich vor ihnen auf. Erst als Quinton eine Hand ausstreckt und einen der Teenager schubst, nimmt die Spannung seinen Lauf.
"Hey, was ist los mit dir? Hast du ein Problem mit uns?" Quinton kann sich nicht beherrschen, obwohl er weiß, dass alle Aufmerksam auf ihn gerichtet ist.
"Hört verdammt nochmal auf, sie anzusehen."
"Wovon redet der Typ da, Eric?" Der Angesprochene zuckt mit seinen breiten Schultern. Auch er ist sprachlos darüber, dass jemand, der aussieht wie Quinton, auf sie zugelaufen kommt, doch in derselben Sekunde erkennt er, dass dieser Junge neu in der Stadt sein muss. Jeder Mensch hat einen einzigartigen Geruch und diesen Duft nach Zitronengras und nassem Rosenholz hat er noch nie zuvor an einer Person gerochen. Eric spürt, wie Seth neben ihm verkrampft, als die rothaarige Frau neben dem fremden Jungen erscheint. Sein Mund öffnet sich vor Erstaunen und Anwiderung zugleich. Ihre klobigen Füße sind voller Matsch und ihre rot lackierten Fußnägel haben die Form von Krallen. Ihr rotes Kleid ist zu eng geschnitten und legt ihre kräftigen Oberschenkel offen.
"Geht von meinem Sohn weg oder ich werde die hier benutzen, um euch die Augen auszustechen!" Barbara schwingt die Pumps in ihrer Hand hin und her. Alles ist still und alle Augen sind auf Barbara gerichtet, bis ein Raunen durch die Mitte geht. James.
"Das ist genug, Barbara. Geht zurück zu Wagen."
"Wie kannst du es wagen, ich hab gesagt, du sollst im Auto warten, undankbarer Junge." Bevor James etwas erwidern kann, räuspert sich Eric und geht einen Schritt zurück. Seth Blackwood hat genug gehört und tritt einen Schritt nach vorne, um zu zeigen, dass er der Anführer ist.
"Whoa Lady. Ist das ihr Ernst?" Der Teenager blickt James und Quinton fragend an, während Barbara ihre Pumps noch immer wie eine Waffe hochhält. Er hat so etwas noch nie erlebt. Dass man ihn respektlos behandelt, ist für ihn Neuland. James versucht die Situation zu retten und redet auf Quinton ein.
"Hör zu, das war ein Missverständnis." Quinton glaubt James kein Wort, doch er hat die leise Ahnung, dass er einen Kampf mit dieser Gruppe nicht gewinnen kann. Sein Kopf senkt sich. Er hat genug. James legt eine Hand auf seinen Arm und bringt ihn dazu, sich von der Gruppe zu entfernen. Die beiden sind bereits einige Meter gegangen, als Barbara einen guten Blick auf die Teenagergruppe wirft. Alles Abschaum. Mit so viel Stolz wie möglich stolziert sie zurück zu ihrem Sohn. James läuft zurück zum Truck, während seine Tante und Quinton zum Eingang des Diners laufen. Barbara stützt sich an Quintons Schulter ab, als sie ihre Pumps anzieht. Eric nähert sich seinem Kumpel von hinten, dessen ganzer Körper zittert. Seth wird herausfinden, wer genau die Neuen in der Stadt sind und dann wird er dafür sorgen, dass sein Bruder sie auf seine Art willkommen heißt.

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Beastly (Alphas Gefährtin) - Dark Alpha Teil 1
Werewolf(っ◔◡◔)っ ♥ ♥ Ein verliebter Lykaner, eine fiese Tante und ein Geschwisterpaar mit Geheimnissen? Nachdem ihre Eltern unerwartet verstorben sind, zieht die 17-jährige Lily Rose mit ihrem Bruder, ihrer Tante und deren Sohn in eine kleine, abgelegene St...