Neues Zuhause

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Das geräuschvolle Klingeln vom Eingang lässt den Greis von der Zeitung in seiner Hand aufsehen. Willy Freeman sieht nicht oft neue Gäste in seinem Diner und als er einen kurzen Blick auf die rothaarige Frau und den Jungen wirft, weiß er, dass sie ihm Ärger bereiten werden. Er spürt es in seinen Fingerspitzen und es liegt etwas in der Luft, dass ihm seit Jahren nicht untergekommen ist und, als die Frau durch sein Diner spaziert, als wäre sie eine Königin, während sie überall am Boden Matsch verteilt, hat Willy genug gesehen. Barbara trägt ein siegessicheres Grinsen in ihrem Gesicht, als sie sich dem Tresen nähert. Sie hat ihre Pumps aufgrund ihrer Verletzung wieder ausgezogen und trägt diese locker in einer Hand. Der gebrochene Greis ist perfekt, um ihn um den Finger zu wickeln, damit er genau das tut, was sie von ihm will.

"Alter Mann, wir möchten etwas bestellen und ich würde gerne die Toilette benutzen."

"Wir haben geschlossen. Kommen Sie an einem anderen Tag wieder." Barbara glaubt sich verhört zu haben, als der Greis mit forscher Stimme zu ihr spricht.

"Mom, lass gut sein, wir sollten einfach gehen. Ich bin müde." Barbara denkt für einige Sekunden darüber nach, die sich wie Stunden anfühlen. Auch sie ist müde und erschöpft von der Autofahrt. Sie sieht dem Greis direkt in die Augen und nickt dann zögerlich.

"Du hast recht. Das hier ist nicht der richtige Ort für uns." Willy dunkelbraune Augen blitzen vor Zorn. Diese Frau raubt ihm schon nach wenigen Minuten seine Nerven. Je eher sie geht, desto besser für ihn und sein Geschäft. Barbara kehrt ihm und ihrem Sohn den Rücken zu und humpelt zur Eingangstür. Sie stolpert beinahe über einen der billigen Plastikstühle. Ihr Gesicht legt offen, wie angewidert sie von diesem Ort ist. Willy beobachtet den Jungen mit lichten Augen, ehe er nach dessen Hand greift.

"Lauf! Verlass die Stadt, solange du es noch kannst." Quitons Braue hebt sich. Er hat nicht den Hauch einer Vorstellung darüber, wovon dieser Mann spricht. Gerade als er etwas sagen möchte, lässt der Greis seinen Arm los. Ohne noch einen weiteren Blick auf Quiton zu werfen, kehrt der Mann zu seiner Zeitung zurück als wenn nichts geschehen wäre. Barbara wartet ungeduldig am Eingang. Ihre geschwollenen Füße schmerzen und sie wünscht sich nichts mehr, als endlich zum Haus der alten Ann zu fahren, um diesem Tag ein Ende zu setzen.

"Quinton, komm schon." Quintnn schüttelt seinen Kopf, um seine Gedanken zu klären. Auch er wendet sich endgültig vom langen Tresen ab. Willy lacht laut auf, als er den Jungen beim Gehen beobachtet. Er kann es sich nicht verkneifen, dem Teenager noch ein paar warnende Worte nachzurufen.

"Er weiß, dass ihr hier seid." Barbara drängt Quinton am Ärmel seines dunklen Hoodies aus dem Diner. Sie hat genug gehört. Sie sind nicht einmal 2 Stunden in der Stadt und schon hat sie Zweifel daran, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hat, ihren Sohn nach Fairwood zu bringen. Eine Stunde vergeht. Quinton läuft den langen Weg zu seinem neuen Zuhause mit langsamen Schritten entlang. Er hasst diese Stadt jetzt schon. Alle Bewohner scheinen etwas gegen ihn und seine Mutter zu haben, als wüssten sie etwas, was sie nicht wissen. Seine Nerven liegen blank, als er an den Greis im Diner denkt. An die Worte, die gesagt worden sind. Natürlich hat er keine Ahnung, wen der Alte gemeint hat, doch er ist auch ein wenig neugierig. Sein Interesse ist geweckt und er wird sich ein wenig umhören, um mehr zu erfahren. Als das Einfamilienhaus mit den großen roten Holzfenstern endlich in Sicht ist, bleibt er vor der brüchigen Veranda mit lauter Vogelkotspuren stehen. Sein Mund öffnet sich, doch er findet einfach keine Worte dafür, was er gerade empfindet. Er kann unmöglich in diesem Haus leben.

Auch Lily und James haben in der Zwischenzeit das Haus erreicht und warten wie gebannt darauf, dass Barbara endlich erscheint, damit sie hineingehen können. James hat Mühe damit, seine Verwunderung zu verbergen. Er hat das Haus von seinen Großeltern in anderer Erinnerung.

"Was steht ihr da so rum. Geht schon rein." Barbaras herrschsüchtige Stimme lässt James laut aufstöhnen, ehe er es wagt, einen Schritt auf die Veranda zu setzen. Vorsichtig berühren seine Füße den Holzboden. Quinton folgt ihm, doch in ihm brodelt die Angst, dass das Holz unter seinem Gewicht zusammenbrechen könnte. Er ist kein Schwergewicht, aber das Haus ist in einem schlechten Zustand. Barbara rollt mit ihren Augen und humpelt an den beiden Teenagern vorbei, um ihnen zu zeigen, dass sie sich beeilen sollen. Sie hat genug von den kindlichen Spielereien. Aus ihrer braunen Tasche holt sie einen Schlüssel hervor, doch ehe sie diesen benutzen kann, öffnet sich die Tür fast schon von alleine, als ein kräftiger Wind aus Osten weht. James unterdrückt ein Lachen, als er Barbaras überraschtes Gesicht sieht.

"Nun, das Haus könnte ein paar Reparaturen gebrauchen. James, du wirst gleich morgen in die Stadt gehen und Material besorgen." James sieht zu seinem Cousin, welcher nur eine Schulter hebt und zur geöffneten Tür schreitet.

"Hallo, ist da jemand?" Barbara schlägt mit ihrer flachen Hand leicht gegen den Hinterkopf ihres Sohnes.

"Lass den Unsinn. Natürlich ist da niemand. Und nun geh schon rein, mir ist kalt." Ihr Kleid hat durch den Regen die Form verloren und es ist so weit nach oben gerutscht, dass man nun beinahe ihre runden nackten Pobacken sehen kann. Schnell haben sie sich im Haus eingefunden, alle, bis auf Lily. Sie erscheint alls Letzte und ist nicht weniger überrascht als James vom Zustand des Hauses. Sie lässt ihre Reisetasche auf den braunen Laminatboden fallen und atmet den Duft von Zement und Zimt ein.

"Ihr beide holt unsere Sachen, während ich und Quinton die Sandwiches von der Tankstelle essen." Die Arroganz in ihrem aufgedunsenen Gesicht ist nicht zu übersehen, auch wenn die verwischte schwarze Wimpertusche und die rofen Streifen auf ihren gerade Zähnen sie aussehen lassen, als wäre sie ein trauriger Clown. James wartet nicht. Er greift nach Lilys Arm und führt sie wieder nach draußen. Er wird sich einen Weg überlegen müssen, um mit Barbara länger als 5 Minuten in einem Raum zu sein, ohne sich die Haare ausreißen zu wollen.

Barbara stößt ihren schweren Atem aus, als sie die letzte Treppenstufe hinaufgelaufen ist. Nicht einmal ein paar Stunden in der Stadt und schon fühlt sie sich unwohl. Ihr Knöchel ist rot angeschwollen, aber sie und Quinton haben die Verletzung so gut es geht verarztet. Sie wird dennoch einen Arzt in inder Stadt aufsuchen müssen, um ganz sicherzugehen, dass keine Brüche vorhanden sind. Lilys prüfender Blick entgeht Barbara nicht.

"Was starrst du mich so an?"

"Was ist das?"

"Darauf kannst du heute Nacht schlafen." Lily atmet schwer, als sie die blaue Luftmatratze näher in Augenschein nimmt. An den Seiten sind kleine Risse, die mit gelbem Klebeband überklebt worden sind und der Geruch von Schweiß weht in der Luft.

"Dein Bruder schläft im Raum gegenüber von diesem. Solltest du etwas brauche, geh zu ihm und nicht zu mir." Lilys Mund schließt sich. Ein Streit mit ihrer Tante wäre zwecklos, weiß sie doch, was Barbara tun würde, wenn sie irgendwelche Einwände hat. Ihr Kopf schmerzt, als Barbara sich in dem Zimmer umsieht.

"Deine Großmutter hat nicht viel von Ordnung gehalten, das wird sich jetzt ändern." Mit diesen Worten dreht Barbara sich um. Sie erträgt die Anwesenheit ihrer Nichte keine Sekunde. Sie erinnert sie zu sehr an ihre Schwester, die ihre Familie zu früh verlassen musste. Eine einzelne Träne läuft an ihrer Wange hinab, als sie an Esme denkt. Sie ist ihre einzige Schwester gewesen und es vergeht kein Tag, an dem sie nicht an sie denkt. Die kleine Lily erinnert sie jeden Tag aufs Neue daran, dass sie Esme nie wieder sehen wird. Sie mag kein besonders gläubiger Mensch sein, aber sie glaubt fest daran, dass sie Esme eines Tages wiedersehen wird. Sie ist keine Frau, die ihre Gefühle offen zeigt, doch wenn der Zeitpunkt es erlaubt, kommen auch bei ihr Erinnerungen hoch. Erinnerungen an eine glücklichere Zeit, bevor Esme diesen seltsamen Mann aus Fairwood geheiratet hat. John hat ihr Leben verändert und seither verabscheut Barbara diese Stadt. Es ist ihr schwer gefallen, nach Fairwood zurückzukehren, aber sie hat es für Quinton getan, damit er ein Zuhause hat. Sie hat dennoch keine Gewissensbisse wegen dem Geld. Ihre Schwester hätte sich vor all den Jahren anders entscheiden sollen, dann hätte sie jetzt nicht mit James und Lily Donovans Anwesenheit zu kämpfen. Sie könnte Lily in einer Pflegefamilie unterbringen und James einfach rauswerfen, doch der Gedanke an das viele Geld, dass sie für die beiden erhält, hat sie bisher davon abgehalten. Esme hat vor Jahren für die beiden einen Fond eingerichtet, auf den sie nun unbegrenzten Zugriff hat, solange die beiden bei ihr leben.

Lily sieht dabei zu, wie Barbara den ehemaligen Abstellraum verlässt und die Tür hinter sich zuschlägt. Vorsichtig läuft sie durch den großen Raum, um sich ein wenig heimisch zu fühlen, doch es will ihr einfach nicht gelingen. Sie wünschte, sie könnte mit James zurück nach Seattle gehen. Als sie am Fenster angekommen ist, öffnet sie dieses und lässt die kalte Luft durch den Raum zirkulieren. Als sie aufsieht, bemerkt sie zum ersten Mal das Haus auf der anderen Straßenseite. Sie kann direkt in eines der oberen Zimmer sehen. Eine Schattengestalt läuft durch den Raum und verschwindet immer wieder.

Als sie erneut zum Fenster hinaussieht, rast Lilys Herz wie wild. Direkt gegenüber am Fenster mit den grünen Gardinen steht ein junger Mann, der nicht älter als sie ist. Mit kalten Augen starrt er sie an, nimmt jede ihrer Bewegungen in sich auf, nur um dann wieder zu verschwinden. Lily versucht sich mit einem leisen Summen zur Ruhe zu bringen. als sie sich vom Fenster entfernt. Ihr Blick fällt auf das kleine blaue Luftbett. Sie wird sich damit begnügen müssen, bis Barbara die Zimmer eingerichtet hat. Schweren Herzens läuft sie durch das Zimmer, um sich anschließend auf die gelbe Flauschdecke auf dem Luftbett zu legen. Das Leben in Fairwood wird definitiv anders sein.

Beastly (Alphas Gefährtin) - Dark Alpha Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt