Drei Minuten.
Ich stehe mitten in seinem Arbeitszimmer, habe den Atem angehalten und kann mich vor Nervosität und Angst noch kaum auf den Beinen halten, während er ganz gelassen vor mir auf seinem Sessel sitzt und mich stumm mustert.
Vier Minuten.
Er schaut immer noch nicht weg, blinzelt nicht einmal und blickt mir weiterhin seit vier vollen Minuten in die Augen und analysiert alles an mir. Ich erkenne es an seinen wachsamen Blicken, an seinen zu Schlitzen geformten Augen, dass er sich jede Regung und Bewegung von mir einprägt.
Fünf Minuten.
Er sagt immer noch nichts und die Ungewissheit, wieso ich schon so früh am Morgen zu ihm musste, treibt mich in den Wahnsinn. Ich bin gerade erst, vor einer halben Stunde, wachgeworden und konnte die Nacht nicht Mal gut schlafen.
Die ganze Nacht habe ich nämlich das Messer, welches er gestern Abend über meinen Dekolleté bis zu meinem Ausschnitt wandern lassen hat, an mir gespürt und wurde mehrmal aus meinen Alpträumen wachgerissen.
Und nun stehe ich wieder vor ihm, obwohl ich doch versuche vor ihm abzuhauen und mich unsichtbar zu machen.
Schon sechs Minuten.
Ich sehe weg, denn seine scharfen Blicke verunsichern mich sehr. Ich kann nicht Mal seinen Blicken standhalten und versuche so unauffällig wie nur möglich einzuatmen. Die Stille hat wie so oft die Oberhand gewonnen und ich will nicht, dass mein fast schon hektischer Atem den Raun füllt.
Deswegen sehe ich mich in seinem Arbeitszimmer, welches nur von schwarzen Möbeln eingerichtet worden ist, um und zähle innerlich weiterhin die Minuten. Mittlerweile sind es schon acht Minuten geworden.
Acht qualvolle Minuten, in denen ich von Argusaugen beobachtet werde.
Wie ein Löwe, der seine Beute visiert und nur auf den richtigen Moment wartet, um seine Zielscheibe angreifen zu können. Greifen Raubtiere ihre Beute nicht erst dann an, wenn sie unachtsam sind?
Bin ich denn gerade nicht auch unachtsam?
Mein Kopf schellt wieder nach vorne und ich zucke erschrocken in mich, als er nicht mehr an seinem Platz sitzt. Ich habe so sehr versucht seinen Blicken auszuweichen, dass ich gar nicht gemerkt habe, wie er aufgestanden ist und nun mit seinem Kreuzbein am Tisch angelehnt und verschränkten Armen vor der Brust vor mir steht.
Und dann öffnet er seinen Mund und ich schaue nur auf seine Lippen, warte auf seine Worte, die mir wahrscheinlich wie immer einen Schrecken jagen werden.
Was er dieses Mal von mir will?
»Die Auktion beginnt morgen um einundzwanzig Uhr.« Von seinen Lippen aus schaue ich ihm dann doch wieder in die Augen. Auch wenn ich ihn nicht ansehen will.
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Carnivora
RomanceCarnivora - Erwecke nicht den Löwen in ihm. Um das Leben ihrer beiden Geschwister zu retten, muss Beyla den Bruder des gefürchtetsten Mannes der Türkei töten. Wäre da nicht ihr kleiner Bruder, würde sie wohl kaum ihren großen Bruder, den sie zutiefs...