Carnivora - Erwecke nicht den Löwen in ihm.
Um das Leben ihrer beiden Geschwister zu retten, muss Beyla den Bruder des gefürchtetsten Mannes der Türkei töten. Wäre da nicht ihr kleiner Bruder, würde sie wohl kaum ihren großen Bruder, den sie zutiefs...
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Die Uhr schlägt nach Mitternacht und mein kleiner Bruder, Batu, ist im Wohnzimmer bei der Familie Balcı eingeschlafen. Auch mein Dede war immer wieder kurz vor dem Einschlafen, weswegen Onkel Hasan ihn vor einigen Stunden nach Hause gebracht hat.
Eigentlich lasse ich ihn, wegen seiner Erkrankung an Demenz, ungern alleine zu Hause, aber Onkel Hasan hat mir versichert, dass er tief und fest am schlafen war, als er unser Haus wieder verlassen hat.
Dass er aber auch am Abend alleine zu Hause ist, macht mich ziemlich unruhig, denn ich vertraue unserer Mahalle nicht. Auch wenn meine Nachbarn zum Glück nett sind und sie sofort zur Hilfe eilen würden, habe ich immer ein mulmiges Gefühl.
Denn hier laufen einfach zu viele Verbrecher herum, die gerne in Häuser einbrechen und dass, obwohl hier niemand wohnt, der ansatzweise reich ist. Was genau sie sich erhoffen beim Stehlen, verstehe ich nicht.
Will ich auch ehrlich gesagt nicht.
Tante Gülnur, die uns den ganzen Abend über ignoriert hat, ist früh ins Bett gegangen und eigentlich geht sie nie früh schlafen. Sie schaut jeden Tag bis in die Nacht ihre Serien, trinkt dabei ihren schwarzen Tee und isst immer ihre Sonnenblumenkerne -die niemals fehlen dürfen- dazu.
Dass sie einfach keine Lust mehr auf uns hatte, stand ihr dick und fett ins Gesicht geschrieben. Aber mir ist das ziemlich egal, denn ich bin auch nicht scharf darauf die ganze Zeit in ihr genervtes Gesicht zu blicken.
Nachdem sie weg war, hat sowieso eine bessere, gemütlichere Atmosphäre im Wohnzimmer geherrscht und ich bin mir sicher, dass die anderen das auch gemerkt haben. Wir konnten laut über die Show lachen, was man neben ihr definitiv nicht konnte.
Und ich hoffe sie hat gemerkt, wie besser es ohne sie einfach ist...
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sie wieder aufsteht, nachdem wir nach Hause kehren. Wäre Batu nicht eingeschlafen, würde ich aus Trotz und Provokation weiterhin sitzen bleiben und bewusst laut lachen.
Seufzend schlüpfe ich in meine Schuhe, während Eymen meinen kleinen Bruder über seine Schulter trägt und auf mich wartet. Er hat eingewilligt uns bis nach Hause zu begleiten, da es schon viel zu spät ist und Bahir hier nicht mehr aufgekreuzt ist.
Eymen wollte Batu nicht wecken, deswegen schläft der Kleine einfach unbekümmert weiter und wird wahrscheinlich nicht Mal merken, dass er gleich durch die Mahalle getragen wird.
Er hat ein Leben... Ich wünschte, dass Eymen auch mich auf seinen muskulösen Armen nach Hause tragen würde, während ich mich an seine Brust schmiegen kann.
Gott! Sofort schlage ich mir diesen dummen Gedanken aus dem Kopf und wende mich an meine beste Freundin, um mich auch von ihr zu verabschieden.
»Warte«, flüstert sie und tapste schnell, aber ziemlich leise, die Treppen rauf. Nach nicht Mal einer Minute steht sie wieder vor mir und grinst mich unschuldig an. Oh nein...
