Bis zu meinem zehnten Geburtstag habe ich mir das Leben noch so einfach und schön vorgestellt. Ich dachte immer, dass mein Leben immer so sorglos, voller Freude und Liebe bleiben wird. Aber mit zehn Jahren, ja, da war ich noch so naiv und gutgläubig.
Da wusste ich nämlich noch nicht, dass das Leben nicht zu jedem einfach und schön sein wird. Da wusste ich noch nicht, dass das Böse mich all die Jahre verfolgen und mich nicht mehr loslassen wird.
Denn nach elf Jahren hatte ich mir mein eigenes Bilderbuch Märchen, was ich selber als Kind ausgedacht und es meinem kleinen Bruder zum Schlafengehen erzählt habe, so nicht vorgestellt.
In meinen Träumen von meinem Leben, in meinem Märchen wäre ich nach all den Jahren jetzt nämlich keine Kellnerin und Putzfrau nebenbei. Ich wäre jetzt in meinem Jura Studium und in den nächsten Jahren wäre ich dann eine erfolgreiche Anwältin.
Aber wie sagt man so schön? Das Leben ist nun Mal kein Wunschkonzert -und ich kann es jedem versichern, dass das Leben wirklich kein Wunschkonzert ist.
Hätte ich nämlich die Wahl, dann hätte ich mir ein einfaches Leben, wo nicht immer alles schief läuft und wo nicht all die Last auf meinen Schultern sitzt und versucht mich herunterzudrücken, gewünscht.
Aber das Schicksal meint es nie gut mit mir und das Glück ist auch nie auf meiner Seite.
Denn ein weiterer Nachmittag ist in dieser blöden Bar vergangen, in der ich mich mit männlicher Kundschaft streiten musste und anschließend alles meinem Chef erklären musste, der langsam echt die Nerven voll von mir hat.
Aber trotz den ganzen Streitereien mit aufdringlichen und notgeilen Kerlen, verstehen wir uns sehr gut mit ihm und ich mache meine Arbeit bei ihm, mehr oder weniger, mit Freude.
Im Hinterkopf habe ich nämlich immer noch mein Studium stehen, welches ich mir mit meinem Gesparten irgendwann finanzieren will. Würde ich nämlich nicht unbedingt studieren wollen, dann hätte ich diesen Job auch schon lange gekündigt.
Mein Chef würde das zwar nicht zulassen, da er mich hier sehr dringend braucht, aber nicht, weil ich meine Arbeit so gut machen, sondern weil niemand anderes meine Stelle freiwillig annehmen würde.
Und auch jetzt bin ich überglücklich, dass ich Feierabend habe und meine blöde Schürze in meinen Spind werfen kann, um meinen Hoodie herauszuziehen.
Ich ziehe mir diesen über mein T-Shirt an und setze die Kapuze auf meinen Kopf. Nachdem ich noch meine Tasche über die Schulter werfe und meinen Spind zuknalle, schaue ich auf meine Armbanduhr.
Ich habe noch fünfzehn Minuten, ehe die Apotheke schließt und ich es noch rechtzeitig schaffe, um die Tabletten für meinen Dede zukaufen.
Fünfzehn Minuten. Bis nach Hause sind es von der Bar aus nur zehn Minuten, aber wenn ich jetzt loslaufe, dann schaffe ich es in sieben Minuten zu Hause zu sein.
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Carnivora
RomanceCarnivora - Erwecke nicht den Löwen in ihm. Um das Leben ihrer beiden Geschwister zu retten, muss Beyla den Bruder des gefürchtetsten Mannes der Türkei töten. Wäre da nicht ihr kleiner Bruder, würde sie wohl kaum ihren großen Bruder, den sie zutiefs...