Kapitel 4

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Anastasia sah sich in dem kleinen Raum um, in den Leander sie geführt hatte. Die Wände waren aus schlichten Steinen gebaut worden und lediglich ein paar Gemälde schmückten sie. Auch die Fenster waren nicht sonderlich groß und die Vorhänge rochen so stark nach Staub, dass Anastasia überlegte, ob sie das Atmen für den Aufenthalt in diesem Raum stoppte, denn das würde kein Problem sein. Sie hatte sich nämlich lediglich für das Atmen entschieden, weil sie so das Gefühl hatte die Welt besser spüren und riechen zu können. Lebenswichtig war das für einen Vampir allerdings nicht.

„Also was wollen wir hier?", erkundigte sich die Prinzessin ungeduldig und ihr Zeigefinger glitt über einen der Sessel, der in dem Raum stand. Auch dieser war von Staub erfüllt, weshalb sich Anastasia lieber nicht setzte. Es wäre eine Blamage, wenn sie dem obersten Hexenmeister mit einem dreckigen Kleid gegenüber trat.

„Hier bringe ich all die Damen hin, die sich einem schamlosen Vergnügen hingeben wollen.", Leander stellte sich vor sie und lächelte sie verschmitzt an. Um sich von seinen strahlenden Augen abzulenken, schaute sich Anastasia etwas in dem Raum um. Sie wollte wirklich alles tun, außer sich wie eine hilflose Dienerin in seinem Blick zu verlieren.

Doch der Adonis vor ihr beließ es nicht bei derlei anzüglichen Aussagen. Seine Hand griff an Anastasias Hüfte vorbei und jetzt stockte ihr wirklich der Atem. Ein kleiner Windzug ließ die Röcke ihres Kleides etwas wehen und umspielte ihre Beine. Sie musste schlucken.

Leander stand hingegen völlig unbeeindruckt vor ihr und sah ihr interessiert ins Gesicht. Auch ihre Haare erfasste ein kleiner Zug und ein paar der Locken wehten in ihr Gesicht.

Das weckte sie jedoch nicht aus der Starre. Sie starrte einfach weiter in Leanders Augen und ihre Lippen klappten etwas auf.

„Da ist es ja.", der Hexer zog die Hand hinter ihrem Rücken zurück und präsentierte ihr ein kleines Fläschchen, das denen von Nora stark ähnelte.

Konzentriert betrachtete Anastasia die durchsichtige Flüssigkeit und lächelte beschämt. Für einen kurzen Moment wollte sie sich dem jungen Mann hingegeben, was ihr überhaupt nicht gefiel. Gerade verhielt sie sich wie ein junges Mädchen. Doch sie wandelte schon lange auf diesem Kontinent, weshalb sie alles andere als naiv war.

Also erkundigte sie sich:„ Was soll das sein? Und wie kann es mir helfen?"

„Es kann sich nicht alles um Euch drehen, Prinzessin. Jetzt gerade geht es lediglich um mich.", erläuterte Leander und träufelte ein paar Flecken auf seinen silbernen Anzug.

Fast augenblicklich fing die Kleidung an leicht zu glänzen und die Flüssigkeit fing an sich auf der Kleidung zu verteilen. Mit jedem Stück Stoff, das sie überquerte, wurde dieser wieder reiner und die sandigen Flächen, die von dem Sturz zuvor noch zu erkennen waren, verschwanden.

Beeindruckt sah Anastasia dem Spektakel zu und sie war stolz, dass die kräftigen Oberarmmuskeln ihren Blick nur wenige Sekunden gefangen hielten.

Aber diese Sekunden reichten, um sich zu fragen, ob Leander schon einmal gekämpft hatte. Es war ihr Begehren zu erfahren, ob er des Schwertes mächtig war oder ob er sich lediglich auf seine Magie verließ. Denn das wäre dumm. Immerhin berief sich die Zauberkraft auf den Geburtsstein, den die Hexen bei ihrer Geburt erhalten und wenn dieser nicht bei ihnen war, wird es ihnen unmöglich zu zaubern.

„Bist du wirklich so eitel, dass du nicht ohne einen sauberen Anzug den Palast betreten kannst? Ich möchte doch wirklich bitten. Diese staubige Kammer verschlimmert wohl den Zustand eines jeden Gewands.", beschwerte sich Anastasia und versuchte sich so von den vielen Fragen abzulenken, die in ihrem Kopf kreisten. Sie wollte nicht über den schönen Hexer nachdenken, der eigentlich einer ihrer Feinde war. Und selbst wenn er in diese Rubrik nicht passte, war er noch lange kein Freund.

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt