Kapitel 5

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Alt und schwach.

Das waren die ersten Worte, die Anastasia in den Sinn kamen, als sie den Hexenmeister sah.

Sie und Leander waren vor ihm zum Stehen gekommen und während Leander seinen Vater etwas unfreundlich begrüßt hatte, war Anastasia in einen tiefen Knicks gesunken. Dabei hatte sie Zeit den fülligen Mann zu betrachten, dessen Gesicht von tiefen Falten durchzogen wurde.

Sie hatte sich den Hexenmeister stark und jung vorgestellt. Doch das war das absolute Gegenteil von der Person vor ihr.

„Was führt dich zu mir, Prinzessin Anastasia?", fragte sie der Mann nach kurzer Zeit und obwohl er recht leise sprach, klang er gebieterisch.

Freundlich lächelte Anastasia und entzog Leander ihre Hand. Sie verschränkte ihre Hände vor ihrem Bauch und antwortete höflich:„ Ich bin den langen Weg hier her gereist, da ich Euch bei den Verhandlungen nicht mehr antreffen konnte. Mir liegt das Leiden meines Vaters auf dem Herzen. Seit er vor vielen Jahren ins Koma fiel, ist er nicht aufzuwecken. Ich mag nicht zu erahnen, was wir noch tun können und deshalb wende ich mich in meiner Not an Euch."

„Dein Vater kann wie du wahrscheinlich weist, durch das passende Heilmittel erweckt werden. Ich würde dir gerne helfen, aber derzeit bin ich nicht in der Lage dir diese Hilfe zu gewähren.", sagte Hexenmeister Auberlin und Anastasia sah ihn entsetzt an.

Sie hatte damit gerechnet, dass sie mit ihm verhandeln muss und dass sie es schaffen würde. Aber jetzt waren ihre Hoffnungen einfach so zerschlagen worden.

Doch sie gab nicht auf und hakte selbstbewusst nach:„ Was hindert euch daran? Ich kann euch Gold und Waffen geben. Für meine Familie würde ich alles tun. Nennt mir Euren Preis und ich bezahle ihn."

Auberlin schien zu überlegen. Seine Stirn zog er noch etwas mehr kraus.

Die Hände hatte Anastasia inzwischen schmerzhaft verschränkt und sie bat das Universum um Hilfe. Irgendetwas Gutes musste passieren. Denn wenn er ihr nicht half, dann wäre ihr Vater verloren.

Die Stille schien schier ewig, eh der alte Mann sich wieder zu Wort äußerste:„ Die Welt befindet sich in einem stetigen Wandel. Sie dreht sich immer in eine Richtung. Und es ist an der Zeit, dass ein neues Zeitalter beginnt. Doch so wie dein Bruder und deine Rasse sich verhalten, kann ich euch nicht zu Glück und Hoffnung verhelfen."

„Was redest du da, Vater?", schaltete sich jetzt auch Leander ein und seine sonst so sanfte Stimme, schallte dunkel durch den Saal.

Anastasia spähte zu ihm und war überrascht. Leanders Augen funkelten etwas. Seine Muskeln waren angespannt und er schien bereit zu sein, sich in den nächsten Kampf zu stürzen.

Anastasia war überrascht über dieses Auftreten, da es so schien, als würde er seinen Vater als potentiellen Feind betrachten.

Doch dieser ignorierte seinen Sohn und fuhr stattdessen fort:„ Tief in mir Spüre ich, dass wir uns noch einmal sehen werden und vielleicht werde ich dir dann helfen können, doch jetzt liegt es nicht in meiner Macht. Zuerst muss die neue Zeit anbrechen. Es wird eine Revolution kommen und wer nicht für sie ist, wird ihr Feind sein. Eine Revolution kommt nicht wie eine Welle. Es ist ein Tsunami und niemand wird ihr entkommen können. Deshalb kann und werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um meinen Zirkel und mein Land zu schützen."

Anastasia schüttelte ungläubig den Kopf. Das was der Alte erzählte schien keinen Sinn zu machen. Woher sollte er so etwas Bahnbrechendes wissen?

Ihre Knöchel traten unter dem krampfhaften zusammenpressen ihrer Hände weiß hervor und Anastasia schaute hilfesuchend zu Leander. Doch auch dieser starrte seinen Vater verwirrt an und sein Mund stand sogar ein kleines Stückchen offen.

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt