Vor Anastasia erstreckte sich ein wunderschöner, kristallklarer See, dessen Wasser an einigen Stellen in der Sonne glitzerte. Umrahmt wurde er von den vielen Bäumen, die sich an diesem wunderschönen Platz aneinander drängten. Anastasia hörte das leise Plätschern eines Bachlaufes, der sich eine Felswand herunterschlängelte und dann in das Wasser mündete. Dieses war fast vollständig von hochgewachsenen Blumen umgeben, die in den buntesten Farben blühten. Anastasia konnte den Duft von Vanille wahrnehmen.
In dem Moment, in dem sie näher an den See treten wollte, spürte sie, wie eine Hand an ihrer Schulter sie zurück hielt.
Keno sah sie an. Dabei konnte Anastasia ein kleines bisschen Wärme erkennen. Sie brachte seine Augen dazu leicht gelblich zu leuchten. Doch mit Leanders konnte Keno nicht konkurrieren. Anastasia seufzte verträumt als sie an den Hexer dachte.
„Wieso hast du mich hier her gebracht?", erkundigte sie sich bei Keno. Dessen Blick ruhte immer noch auf ihr. Aber das erste Mal hatte sie das Gefühl, dass er sie nicht als Mittel zum Zweck, sondern als seine Gefährtin ansah. Sie erkannte es an der Art, wie seine Mundwinkel sich leicht nach oben zogen und ein kleines Lächeln andeuteten.
Seine Stimme klang ungewöhnlich belegte als er meinte:„ Es gibt bei den Wölfen Legenden, dass das Wasser von einer Hexe verzaubert wurde."
Anastasia schwieg. Nach wie vor spürte sie Kenos Hand, die schwer auf ihrer Schulter lag.
„Sie kannte damals einen Mann. Er soll wunderschön gewesen sein. Auch wenn jede Frau diesen Mann für sich gewinnen wollte, so war es nicht sein Äußeres was die Hexe faszinierte. Sie verliebte sich in seinen Edelmut und seine Klugheit."
Anastasia wurde schwer ums Herz, als Keno ihr von der Liebesgeschichte der Beiden erzählte. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass diese Geschichte kein gutes Ende nahm.
Keno näherte sich ihr ein wenig. Dabei nahm er seine Hand von ihrer Schulter. Es war als wollte er sie auf die Probe stellen. Die Beiden waren sich so nah, dass Anastasia ihn leicht hätte berühren können. Aber sie tat es nicht.
„Nach einiger Zeit aber gab es ein Aufbegehren im Volk. Der Mann, er war ein Werwolf, sollte endlich seine Mate suchen gehen und sie lieben und ehren. Die Hexe solle er vergessen. Er wollte dem nachgeben. Das wusste auch die Hexe."
Keno kam Anastasia so nahe, dass sich ihre Schultern berührten. An der Stelle meinte sie kleine Stiche auf ihrer Haut zu spüren. Sie hielt den Atem an.
„Also beschlossen die Beiden sich ein letztes Mal zu treffen."
„An diesem See.", unterbrach Anastasia ihn.
Ein Nicken von Keno bestätigte sie. Verträumt starrte sie auf das vor ihr liegende Gewässer.
Leise fuhr er fort:„ Die Hexe wusste, was für einen Beschluss er gefasst hatte. Ihr Herz war gebrochen. Also erschuf sie diesen See und verzauberte ihn mit dunkler Magie. Sie wollte, dass er sie niemals vergessen konnte, auch wenn er seine Mate fand. Er sollte für immer an sie gebunden sein."
Anastasia lief ein Schauer über den Rücken. Der See wirkte auf einmal weniger friedlich, sondern viel mehr wie ein schreckliches Versprechen. Schwarze Magie war etwas sehr gefährliches, dass die Hexen niemals benutzten durften. Anastasia wusste, dass es immer einen schlimmen Preis verlangte.
„Als die Hexe aber ihren Geliebten in diesen See lotste, um ihn für immer an sich zu binden, wendete sich ihre eigene Magie gegen sie. Der Zauber schlug fehl und ihr Geliebter, veränderte sich fortan. Sein einziges Ziel im Leben schien sie zu sein. Von seinem alten Charakter erkannte die Hexe nicht mehr viel wieder. Also tat sie das Einzige, das sie tun konnte, um ihren Geliebten von seinen Qualen zu befreien. Die Beiden stiegen erneut in den See hinab und als sie sich einen letzten Kuss gaben, tötete die Hexe ihn, damit sein Herz und seine Seele endlich frei sein konnten."
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Nachtgeflüster - Der zersplitterte Kontinent
FantasyBand 1 der Nacht - Triologie „Du bist etwas ganz Besonderes, Anastasia. Ich spüre, dass deine Reise gerade erst begonnen hat." Es ist viel Zeit vergangen, seit die Wesen die Menschen im Krieg geschlagen haben. Europa machten sie zu ihrem Kontinent u...