Kapitel 2

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Anastasias Absätze hallten auf dem leeren Gang wieder. Im gesamten Palast war kein Wesen oder Mensch zu sehen. Sie alle hielten sich außerhalb auf oder waren in ihre kleinen Räumlichkeiten geflüchtet.

Die Angst vor diesen mächtigen Männern war viel zu groß.

Bei dem Gedanken an den Alpha oder Hexenmeister lief es auch Anastasia kalt den Rücken runter. Hilfesuchend sah sie zu Isaak, der sich ebenfalls zu ihr wandte. Noch immer hatte er ein schiefes Lächeln im Gesicht und man konnte den Schalk in seinen Augen blitzen sehen.

Ihr Bruder schien die Situation für einen riesigen Spaß zu halten. Es schien ihn nicht zu interessieren, dass wahrscheinlich nur der Schutzzauber, der auf dem Raum lag, verhinderte, dass die Wesen sie riechen und hören konnten. Denn würden sie das tun, würden sie Beide schon lange an den Pranger gestellt worden sein.

„Wir sollten lieber gehen, Isaak. Alex wird furchtbar enttäuscht von uns sein und was werden die anderen Wesen denken? Vielleicht halten sie unser Land für chaotisch und uns für impulsiv und unkontrolliert.", aus Anastasia sprach die Angst, was man ihrer zitternden Stimme, die sich zu überschlagen drohte, auch deutlich anhörte.

Sie war kein ängstliches Wesen, aber trotzdem fürchtete sie den Ärger, den ihr Plan ihnen einbringen würde. Außerdem hatte Alex sie bestimmt nicht ohne Grund weggeschickt.

„Hör mir zu.", Isaaks Stimme war ruhig und warm. Er griff nach Anastasias schmalen Schultern und zwang sie somit ihn anzusehen. Vorsichtig schielte sie zu ihm hoch.

Isaak sah ihr tief in die Augen und als er fortfuhr klang er so entschlossen, dass Anastasia der Atem drohte wegzubleiben:„ Dir wird darin nichts passieren. Alex und ich würden das niemals zulassen und das weißt du auch. Jeder der es wagt Hand an meine Familie zu legen, wird damit rechnen auf qualvolle Art und Weise zu sterben. Du weißt doch: Wir gegen den Rest der Welt."

„Jedes Mal wenn ich das zu dir gesagt habe, hattest du keine Angst mehr vor den bösen Dämonen unter dem Bett.", erinnerte sich Anastasia und Tränen bildeten sich in ihren Augen.

Isaak zog seine Schwester sanft an sich und streichelte ihr über die wirren Locken.

Anastasia zog seinen Geruch ein und kuschelte sich in den samtigen Stoff seines Jacketts.

Erst nach einiger Zeit löste sie sich von Isaak und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.

Es brauchte keine Worte zwischen den Geschwistern. Ein entschlossener Blick reichte und fast gleichzeitig machten sie sich wieder auf den Weg zu dem Versammlungsraum.

Die Kronen, die in die Marmorsteine gemeißelt worden waren, huschten schemenhaft an ihnen vorbei. Dabei wehten Anastasias Haare wie ein Umhang hinter ihr her. Genauso flatterte auch Isaaks Jacke durch die schnellen Bewegungen, die ein menschliches Wesen niemals erfassen könnte.

Erst an der Holztür, die von dicken, schwarzen Scharnieren gehalten wurde, stoppten die Geschwister.

Anastasia raffte ihre vielen Röcke und holte einmal tief Luft. Dann straffte sie die Schultern und flüsterte leise:„ Für Alex."

„Für unseren Bruder."

Mit einem mächtigen Krachen knallte die Tür gegen die Steinwand und Anastasia und Isaak betraten den Raum.

Während Isaak grinste, war Anastasia wie erstarrt.

Der Auftritt war ihnen gelungen und das war es, was ihr Angst machte.

In dem Raum, der bis auf einen Tisch und prunkvolle Gemälde leer war, herrschte eine Totenstille.

Fast schon mechanisch sank Anastasia in einen tiefen Knicks und ihr Ellbogen, den sie Isaak in die Seite stieß, ließ auch diesen sich verbeugen.

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt