Kapitel 12

36 2 1
                                    

„Und wieso wollen wir jetzt zu den Hexen? Ich kann euch ansehen, dass ihr die Art von Wesen seid, die Veränderungen ablehnen. Natürlich würdet ihr es damit begründen, dass ihr es tut, weil das Neue das pure Böse ist. Doch es ist in Wirklichkeit so, dass ihr das Alte schätzt, weil es euch gerade gut geht."

Xeron schnalzte mit der Zunge und sein Zopf flog herum, als er dabei energisch den Kopf schüttelte.

Nora, die neben Anastasia lief, schaute zu ihm und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen.

Man sah ihr an, dass sie ihm widersprechen wollte. Doch den Mut dazu brachte sie wie so oft nicht auf. Stattdessen versuchte sie weiter mit Anastasia Schritt zu halten.

Diese lief ein Stückchen vor den Beiden und lauschte aufmerksam Xerons Vorträgen über die Misere der Welt. Dabei wehte der Wind immer wieder durch ihre rote Lockenpracht und zerzauste diese. Sie fragte sich, ob die Welt sich ebenso schnell verändern ließe wie ihre Haare, wenn der Druck doch nur stark genug war.

Xeron schnaubte frustriert und fuhr weiter fort:„ Schön. Da ihr mir nicht antworten wollt, muss ich eben eigene Theorien aufstellen. Es ist wohl mehr als offensichtlich, dass ihr Vampire die Hexen für schwach haltet. Warum fragen wir also eben diese um Hilfe und nicht die Werwölfe?"

Adrik drehte sich schwungvoll um und setzte den Weg rückwärts vor. Er lief einige Meter vor Anastasia und hatte anscheinend ebenfalls bei dem Gespräch zugehört.

Es war ihm anzusehen, dass Xeron ihn gehörig nervte:„ Auch wenn du es zu vergessen scheinst, bist du selber ein Vampir. Das heißt, dass du nicht so überheblich reden solltest, Gebissener."

Der Angesprochene lachte spöttisch auf und Adrik verdrehte die Augen.

„Im Gegensatz zu dir versuche ich die Welt in der wir Leben zu verstehen und zu verbessern. Aber wie so viele andere bist du nur ein privilegierter Vampir. Deine Arroganz rieche ich ja sogar ohne meine Fähigkeiten."

Adrik kniff die Mundwinkel zusammen und Anastasia konnte beobachten, dass er seine Hand zu einer Faust ballte.

Ohne Vorwarnung schoss er auf Xeron los und riss ihn auf den schmalen Waldweg. Mit einem lauten Krachen knallte Xerons Rücken auf den harten Boden und ein lautes Stöhnen war zu hören.

Es blieb jedoch keine Sekunde, um Adrik von ihm zu ziehen.

Bevor irgendjemand etwas tun konnte, riss Xeron seinen Kopf nach oben und traf den verdutzten Adrik mitten auf die Nase.

Den kurzen Moment der Verwirrung nutzte der Junge, um den Vampir von sich zu stoßen und blitzschnell aufzuspringen.

Doch Adrik blieb nicht lange abgelenkt. Auch er richtete sich auf und verlagerte sein Gewicht nach vorne. Die Beiden starrten sich an und jeder wartete darauf, dass der andere den ersten Schritt trat. Die Spannung in der Luft war zum Greifen nahe. Während Adrik verbissen dreinschaute und seine Muskeln drohten das rote Hemd zu sprengen, stand Xeron aufrecht da und erwiderte herausfordernd den Blick. Er musste wohl lebensmüde sein.

Anastasia, die sich langsam aus ihrer Starre löste, flitze zu den Beiden und gerade als Adrik zum nächsten Schlag ausholte, kam sie bei ihm an.

Ohne dass sie es kommen sah, bremste Adrik ab, aber den Schwung seiner Bewegung konnte er auch nicht nehmen. Sein Körper krachte in Anastasia, die zu langsam war, um auszuweichen und riss sie mit sich zu Boden.

Erschrocken japste sie nach Luft, als ihre Rippen auf dem Boden aufkamen und sie spürte, dass eben diese aus ihren Lungen gepresst wurde. Adrik, der auf ihr lag machte es ihr zudem unmöglich sich aufzurichten, weshalb sie kurzzeitig liegen blieb und erschrocken Luft einsog. Der Schmerz verging schnell, doch ihr Herz raste nach wie vor, als würde es auf der Flucht sein.

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt