Anastasia traute ihren Augen nicht. Das Schicksal musste ihr einen grausamen Scherz spielen. Sie fuhr sich mit den Händen über ihr Gesicht und vergrub ihre Fingerspitzen in ihren roten Locken. Der Mund stand ihr offen und ihre Augen waren geweitet.
Sie war nicht fähig sich zu bewegen.
„Seid ihr es wirklich?", fragte sie mit brüchiger Stimme und ihre Brüder nickten.
So schnell sie konnte überbrückte sie Distanz. Kurz vor ihnen stolperte sie und fiel fast über die eigenen Füße. Doch Isaak konnte ihren Fall stoppen, indem er seine Arme nach ihr ausstreckte. Anastasia wurde an seine Brust gezogen und sie vergrub ihren Kopf in dem weichen Stoff seines T – Shirts. Der Kloß in ihrem Hals schien auf einmal zu platzen und sie weinte bitterlich an Isaaks Schulter. Die Tränen durchnässten seine Kleidung, doch ihn schien das eben so wenig wie Anastasia zu kümmern. Ihre Beine fühlten sich seltsam zittrig. Sie drückte sich noch fester an Isaak. Nie wieder würde sie sich von ihm trennen lassen.
Anastasia schniefte wenig damenhaft.
Issaks Haarstoppeln kitzelten sie an ihrer Wange, als er sich zu ihr hinunter beugte. Leise flüsterte an ihrem Ohr:„ Ich habe dich so sehr vermisst, Schwesterchen. Wie ist es dir ergangen? Bist du verletzt?"
Bevor Anastasia ihn aufhalten konnte, drückte Isaak sie von sich weg. Seine Hände lagen an ihren Schultern und er drehte sie ein kleines Stückchen zu jeder Seite. Dabei musterte sie ganz genau. Unter seinem fürsorglichen Blick wurde Anastasia seltsam warm ums Herz und erneut spürte sie, dass sich ihre Augen mit Wasser füllten.
„Ich bin okay, Isaak. Jetzt geht es mir gut."
Sanft legte sie ihre Hände auf Isaaks und schob sie von ihr. Erst jetzt bemerkte sie, dass auch Isaaks Augen seltsam wässrig waren und das zaghafte Lächeln wenige glücklich und mehr wehmütig wirkte. Seine sonst so kurz geschorenen Haare, waren etwas gewachsen und außerdem waren ihm einige Bartstoppeln gewachsen. Er sah schlecht aus. Anastasia drückte seine etwas fester. Ihre Fingerspitzen gruben sich in seine Haut.
Erst ein Räuspern ließ Anastasia hochschrecken und abrupt ließ sie Isaak los.
Ihre ganze Aufmerksamkeit lag jetzt auf ihrem älteren Bruder, der sie erst anschaute. Seine Hände hatte er wie üblich hinter seinem Rücken verschränkt. Keine weitere Sekunde wollte Anastasia verschwenden.
Mit einem komisch klingenden Aufschnappen ging sie auf Alex zu. Ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken und sie zog ihn an sich. Es dauerte einen kurzen Moment. Doch dann spürte Anastasia wie sich seine Arme zögerlich um sie legten und sie noch ein Stückchen näher an sich zogen. Anastasia biss sich verstohlen auf die Lippe, als sie spürte wie sich Alex' Brust schwerfällig hob und senkte. Sie wollte nicht mehr weinen.
„Endlich seid ihr wieder bei mir", murmelte sie in die Umarmung. Daraufhin strich Alex ihr über die Haarpracht.
Seine Stimme klang rauer Als Anastasia sie in Erinnerung hatte:„ Familie über allem, Schwesterherz."
„Familie über allem", wiederholte Anastasia ehrfürchtig die Worte. Gerade als sie noch etwas ergänzen wollte, löste sich Alex viel zu früh von ihr. Sobald er sich entfernte verschwand die Wärme, die Anastasia eben noch empfunden hatte.
Als sie sah, dass Keno sich ihnen genähert hatte, kniff sie misstrauisch ihre Augen zusammen. In ihrem Inneren regte sich etwas. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Augen einmal bedrohlich aufglühten. Ohne sich richtig bewusst zu sein, was sie tat, trat sie einen Schritt vor. So stand sie nun vor Alex und Isaak.
Keno sah zu ihr und Anastasia hätte schwören können, dass sich für einen Augenblick seine Mundwinkel nach oben verzogen. Doch schnell wurde seine Mine bitter ernst. Anastasia beäugte ihn. Ihre Hände zitterten, als sie eine ihre Locken zwischen den Fingern drehte. Kurz folgte Keno ihrer Bewegung mit den Augen, bevor er sich abwandte. Er konzentrierte sich nun auf Alex, der neben sie trat und sie fast schon beiläufig hinter sich schob. Nun verdeckte er einen Teil von ihr. Anastasia verdrehte die Augen. Sie hatte bereits die letzten Tage hier überlebt ohne Schaden zunehmen. Zu mindestens äußerlich war es ihr wohl ergangen, wenn man den Zwischenfall mit Alistair vergisst.
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Nachtgeflüster - Der zersplitterte Kontinent
FantasyBand 1 der Nacht - Triologie „Du bist etwas ganz Besonderes, Anastasia. Ich spüre, dass deine Reise gerade erst begonnen hat." Es ist viel Zeit vergangen, seit die Wesen die Menschen im Krieg geschlagen haben. Europa machten sie zu ihrem Kontinent u...