Kapitel 20

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Der Mond schien auf sie hinab. Es war, als wollte er sie aller Welt präsentieren, damit sie sich an ihrem Elend ergötzen können.

Anastasia hatte sich auf den Rücken gelegt und starrte in den Himmel. Ihre Gedanken bewegten sich frei durch die Welt, doch ihr Körper verharrte an Ort und Stelle. Sie wünschte sich, dass sie diesem schrecklichen Wald endlich entkommen könnte. Sie musste an Leander denken, der ihr die letzten Tage zu den schönsten ihres Lebens gemacht hatte. Der Kuss, den er ihr auf dem Schlachtfeld gab, ließ ihr Herz immer noch schneller schlagen. Im Stillen ließ sie den Moment immer wieder vor ihren Augen ablaufen. Sie versuchte sich alles zu merken. Jedes kleine Detail, das sie vielleicht vergessen würde.

Auch ihre Brüder brachten ihre Gedanken dazu sich zu drehen. In keiner der vielen Szenarien, die sie sich überlegte, schien diese Geschichte ein gutes Ende zu nehmen. Sie ahnte, dass Alex nichts Unüberlegtes tun würde. Sie hoffte es. Er war schon immer mehr König als Bruder gewesen und doch liebte sie ihn von ganzem Herzen.

Eine einsame Träne rollte ihre Wange hinunter und tropfte auf das nasse Gras. Anastasia wischte sich mit der Hand über die Wange und verwischte so jede Spur von ihr.

Doch als sie an Isaaks Grinsen dachte, dass ihr so klar vor den Augen erschien als würde er bei ihr sein, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.

Der einen verlorenen Träne folgten weitere. Bereits nach kurzer Zeit wurde Anastasia von einem leisen, unterdrückten Schluchzen geschüttelt. Ihr schlanker Körper bebte und sie holte immer wieder zittrig Luft. Doch nichts konnte die Tränenflut, die sich anbahnte stopfen. Sie hinterließen heiße Spuren auf ihrer Haut, die Anastasia aber kaum wahrnahm. Es war nicht einfach nur, dass sie weinte. Auf einmal schien ein Knoten zu platzen, den sie seit Tagen spürte. Es war so befreiend, dass etwas in Anastasias Innerem nicht mehr aufhören wollte. So also lag sie da in dem nassen Gras und ließ für einen kurzen Moment ihre Fassade los.

„Steh auf.", weckte eine strenge Stimme Anastasia aus ihrem unruhigen Schlaf.

Träge öffnete sie ihre Augen und blickte direkt auf zwei schwarze Stiefel. Kurz blickte sie sich verwirrt um. Als sie ihren Arm ausstreckte, berührten ihre Finger spitzen das Gras. Dies erinnerte Anastasia wieder an den Ort, an dem sie sich befand.

Sie fuhr zusammen und setzte sich übernatürlich schnell auf. Ein kleiner Blick nach unten zeigte ihr, dass ihre Kleidung zerknittert und dreckig war. Sie verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust.

„Wir haben einiges zu tun.", erklang Kenos Stimme und sein Befehlston schürte Wut in Anastasia. Er benahm sich so, als wäre sie sein Eigentum.

Im nächsten Moment hörte sie ein Klicken und bemerkte, dass ihr Handgelenk endlich wieder frei war. Sofort sprang sie auf. Das führte allerdings dazu, dass sie jetzt gefährlich nah an Keno stand, der sich kein Stückchen bewegte.

Anastasia ging ihm bis zu seinen breiten Schultern, weshalb sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen.

Als sie aber zu ihm aufblickte, bemerkte sie, dass sein Blick bereits auf ihr ruhte. Dabei hatten seine Augen wieder den goldenen Farbton angenommen und Anastasia fiel es nicht schwer zu sehen, dass Keno auf die Verbindung zwischen ihnen reagierte. Sie horchte in sich und suchte nach einem Zeichen, das ihr sagte, dass sie auch etwas spürte. Doch da war nichts. Anastasias Herz war von einer schweren Leere gefüllt, die ihr Übelkeit verursachte.

Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken und sie bemerkte, dass auch sie Keno angestarrte hatte. Dieser machte jetzt einen Schritt nach hinten und lief voraus. Anastasia blickte ihm verdutzt hinter her. Es wäre ein leichtes für sie in die entgegengesetzte Richtung zu laufen und einen Fluchtversuch zu wagen. Doch irgendetwas in ihr drängte sie dazu, dass sie Keno folgen sollte.

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt