Kapitel 14

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Anastasia und ihre zwei Brüder liefen stillschweigend nebeneinander. Adrik und Nora folgten ihnen mit einigem Abstand und Xeron hatte sich ein ganzes Stück zurückfallen lassen.

Darum war Anastasia nicht böse. Sie wusste nicht genau, warum er überhaupt noch bei ihnen war. Aber der Junge hatte es sich wohl zur Aufgabe gemacht der Gruppe zu folgen. Und wenn man Alex glaubte, dann eignete er sich zu mindestens als Lockvogel, sollte einer von Nöten sein.

Aber Anastasia war nicht wohl bei der Sache noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Seine Worte hatten ihr Innerstes aufgewühlt und seit dem geisterten sie immer weiter durch den Kopf. Xeron hatte selber gesagt, dass er kein Hellseher war und doch beschlich sie das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Es schien wie eine Vorahnung. Eine, die sie bereits einmal in ihrem Leben ereilt hatte. Es war vor vielen Jahren gewesen, als sie das Schloss betrat und zu den königlichen Gemächern spazieren wollte. Sie hatte ein Kribbeln gespürt, dass über ihre Haut lief und außerdem wirkten die Wände an diesem Tag, als würden sie sie erdrücken. Und dann fand sie ihn. Ihr Vater lag schwerverletzt auf den Boden. Um ihn hatte sich eine Blutlache gebildet und sie konnte nichts mehr tun.

Das spirituelle Koma, das ihn ereilt hatte, schien über eine Ewigkeit hinaus anzudauern und nach mehreren Jahrzehnten, war sich ihre Familie sicher, dass ihr Vater nur durch das richtige Heilmittel erweckt werden konnte.

Doch wie sollte sie Zeit und Mut schöpfen dieses zu finden, wenn ihr ganzes Leben sich zu verändern drohte?

Vor ihr lag eine Zukunft, die ebenso ungewiss war, wie das Szenario, die sich hinter der nächsten Kurve auftat.

„Um was kreisen deine Gedanken, Schwesterchen?", erkundigte sich Isaak und sanft legte er seinen Arm um die schmalen Schultern seiner großen Schwester. Anastasia blickte zu ihm auf und beschloss ihren Bruder an ihren Gedanken teilhaben zu lassen:„ Ich musste an Vater denken. Vor wenigen Tagen war unser dringendstes Ziel noch ihn von seinem Zustand zu befreien und jetzt ist es unsere Pflicht eine Revolution durch meinen Gefährten aufzuhalten. Dabei begleiten uns zwei Vampire, die wir nicht kennen. Der eine scheint mir recht unberechenbar zu sein und der andere würde uns gerne tot sehen."

„Ich frage mich auch, warum er immer über den Tod und die Ewigkeit redet. Ich bin seit hundert Jahren 19 Jahre alt. Da mach ich doch so manch einer Mumie Konkurrenz."

Isaak schmunzelte. Doch Anastasia war nicht nach Lachen zu Mute. Außerdem fand sie seinen Witz reichlich unbekümmert. Das ließ ihren Bruder schon fast naiv wirken.

Alex atmete einmal schwer aus, bevor er grollte:„ Kannst du nicht einfach mal ernst bleiben, Bruder? Du bist vielleicht seit hunderten von Jahren auf der Erde, benimmst dich aber wie ein Kleinkind."

„Das sagt der, der unseren kleinen gebissenen Gefährten fast in der Luft zerfetzt hätte. Das war ja wirklich sehr erwachsen, euer Hochwohlgeboren.", konterte Isaak und lächelte passend dazu triumphierend.

Wie so oft entstand daraus ein kleiner Streit unter den Brüdern, bei dem Anastasia gar nicht mehr richtig zu hörte. Auch wenn sie diese Diskussionen hasste, beruhigten sie sie irgendwie. Es schien für einen kurzen Moment alles normal zu sein. Alex, ganz der perfekte König, und Isaaks provokative Art trafen viel zu oft aufeinander. Während Anastasia selbst vermag Isaaks Humor zu nehmen, ließ sich Alex nur zu leicht aus der Fassung bringen. Er wirkte oft kühl und unnahbar, doch Anastasia wusste, dass er auch eine andere Seite hatte. Die hatte er allerdings gut verschlossen und man kam sie selten zu sehen.

Die Anspannung, der letzten Tage war ihm aber nun deutlich anzumerken und auch wenn er dort noch ruhig war, brachte Isaak ihn jetzt erfolgreich auf die Palme.

„Wenn jemand noch eine andere Adresse hat, sollte derjenige sich jetzt melden. Ich bin mir nämlich sehr sicher, dass Libertatem sonst etwas frischer aussieht."

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt