Mayday

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Das Folgende weicht stark von allem ab, was ich bisher geschrieben habe, ist aber ein verdammt wichtiges Thema. Es sei gesagt, dass sämtliche Handlung frei erfunden und teilweise übertrieben dargestellt ist, jedoch trotzdem nicht grundsätzlich falsch, bzw. pure Fiktion ist. Auch möchte ich hier vor möglichen Triggern warnen. Es wird um Tod, Leichen, Gewalt und Autounfälle gehen.

„Mayday, Mayday! " Sofort wird der Funkkanal ruhig. Wo kurz zuvor noch rege über den Verkehrsunfall diskutiert wurde und wild Einsatzkräfte nach alarmiert wurden, herrscht nun Totenstille. Nach einer kurzen Pause, in der viele nicht einmal zu atmen wagten, bangend um Kameraden, Freunde, ertönt eine Stimme. Ein Krächzen. „Hilfe. Brandbombe. Unfall." Dann ist wieder Ruhe. Camilles schwache Finger waren nicht länger in der Lage den Funkknopf zu halten.
Doch dabei hatte der Tag so schrecklich normal angefangen. Camille war gegen 14:00 Uhr aufgestanden, hatte sich einen Kaffee gemacht und ihren Motivationssong „What I live for" von Rob Bailey & The Hustle Standard gehört. Dabei hatte sie die Zeitung aufgeschlagen, welche sie gleich darauf wieder genervt weg gelegt hatte. Die Schlagzeile „320€ für Mißachtung der Rettungsgasse" hatte ihr, einer Rettungssanitäterin, den letzten Nerv genommen. Solche Strafen waren lächerlich und gefährdeten Menschenleben. Sie brauchte noch einmal ihren Motivationssong, zur Beruhigung.

Gegen 15:00 Uhr kam ihr Freund zu ihr ins Wohnzimmer. Er war genervt, denn obwohl er derjenige war, der einen gut bezahlten 45 Stunden Job ausführte, musste er den Haushalt schmeißen, denn Camille hatte alle zwei Wochen von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr Schicht und kam dann Tod müde nachhause. Hatte sie jedoch von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr Schicht, so schlief sie danach ebenfalls, bis er bereits alles zu erledigende erledigt hatte. Da Camille diese Diskussion, welche sie schon zu oft gehabt hatte vermeiden wollte, machte sie sich auf, um noch einzukaufen, bevor sie ihre Schicht antreten musste.

Nachdem Camille die Einkäufe zuhause abgeliefert hatte, fuhr sie zur Arbeit. Ihren Freund hatte sie nicht mehr antreffen können. Er war zurück zur Arbeit gefahren, um noch einmal Pläne abzugeben, welche am nächsten Tag fällig waren. Deshalb trat Camille um Punkt 18:00 Uhr ihre Schicht mit einem unwohlen Gefühl an.

Nur wenige Minuten später war bereits der erste Einsatz. „94-jährige in ihrer Wohnung gestürzt". Camille und ihr Kollege versorgten die Frau und fuhren sie dann problemlos in die Notaufnahme. Noch während des wieder einsatzbereit machens des Fahrzeugs, wurden die beiden erneut alarmiert. Diesmal aufgrund eines Unfalls.

Da die beiden Sanitätskräfte nicht nur bereits im Auto saßen, sondern auch nur zwei Straßen von dem Unfall entfernt waren, kamen sie noch vor Polizei und Feuerwehr an. Sofort stiegen sie aus und bereiteten sich darauf vor den ersten verletzten zu behandeln, einen kleinen Jungen,  nicht älter als fünf. Doch bevor Camille den Jungen erreichte, passierte etwas, mit dem niemand rechnen konnte. Direkt vor ihrem Fuß landete ein Molotow-Cocktail. Anhand der markerschütternden Schreie ihres so geschätzten Kollegen konnte sie erahnen, dass hinter ihr ein zweites tödliches Geschoss eingeschlagen war. Ohne zu zögern griff sie nach ihrem Funkgerät und schrie den rettenden Funkspruch. In der kurzen Pause, die sie wartete, um zu hören, ob der Kanal frei war, bekam Camille einen Silvesterkracher gegen den Bauch geworfen, wo dieser explodierte. Von der Wucht des Geschosses umgehauen, segelte Camille zu Boden, direkt vor den Flammenring, der sich um sie herum gebildet hatte. Mit letzter Kraft krächzte sie die Worte: „Hilfe. Brandbombe. Unfall." Dann ließ ihr Bewusstsein sie im Stich.

An dieser Stelle erwartet ihr vermutlich, dass ich euch sage, dass Camille, ihr Kollege und der 5-jährige überlebt haben. Ich wünschte es wäre so, doch das Schicksal wollte etwas anderes. Um die beiden Einsatzkräfte versammelte sich eine Großzahl von Gaffern. Für zwei Minuten wurden die Straßen von ihnen verstopft und hinderten Feuerwehr und Rettungskräfte daran, Camille, ihrem Kollegen und den Unfallopfern zur Hilfe zu kommen. Zeitgleich halfen sie den Tätern zu entkommen. Es waren nur zwei Minuten, die diese Gaffer den Sterbenden stahlen, doch die zwei Minuten entschieden über das Leben der im Sterben liegenden. Hätte ein einziger aus der Menge versucht, Camille und ihren Kollegen zu retten, hätten sie überleben können. Doch niemand tat es. Niemand hatte die Courage zu helfen. Alle sahen hin und doch sahen sie weg.

Aus diesem Grund steht auf Camilles Grabstein geschrieben:

Hier ruht Camille Lellis,
geliebte Tochter, Schwester und Kollegin
*26.11.1999 †24.11.2020
Ein Engel kehrt heim

Hätte nur eine Person Zivilcourage besessen, könnte Camille noch leben. Stattdessen spielte man auf ihrer Beerdigung „If I die young" von The Band Perry und trauerte um ihr frühes Ableben. Einer Person, die ihr Leben lang versuchte, anderen zu helfen, wurde genau diese Hilfsbereitschaft zum Verhängnis. Und das aufgrund von einer Kette von rücksichtslosen Menschen, die übergriffig wurden, ohne jeden Grund, Hilfe unterließen und sie zeitgleich behinderten. Deshalb appelliere ich hier. An den gesunden Menschenverstand eines jeden, der diese Geschichte hört. An die Courage eines jeden Lesers. Ich fordere hier niemanden auf, dass er in die freiwillige Feuerwehr, oder in den Rettungsdienst eintritt. Ich fordere nur, dass mehr nachgedacht wird und mehr Nächstenliebe gelebt wird. Dass regelmäßig Erste Hilfe Kurse besucht werden und auch, dass bei Unfällen geholfen wird. Das wäre für mich eine schöne neue Welt.

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Zuerst einmal sei nochmal gesagt, dass Camille und der Unfall niemals passiert sind. Was jedoch passiert und zwar immer häufiger sind Übergriffe auf Einsatzkräfte. Etwas, das ich nicht verstehen kann. Personen, die teils ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen, werden bespuckt, geschlagen und bedroht, doch selten wird ihnen der Respekt entgegengebracht, den sie verdienen. Deshalb, sollten Rettungskräfte das lesen, danme <3 Und solltet ihr Rettungskräfte kennen, sagt ihnen doch einfach mal, dass sie einen tollen Job machen. Für viele könnte das eine willkommene Abwechslung sein :) (Gesagt sei auch, dass Übergriffe Städte abhängig sind. Nicht überall tritt Gewalt gegen Einsatzkräfte auf und nicht überall ist sie extrem.)

Um das ganze abzurunden, hier nochmal ein paar Links zu der Thematik, die das ganze perfekt erläutern. Auch hier wieder: Triggerwarnung, in den Videos werden Gewaltakte beschrieben und in letzterem eine Einsatzstelle eines Autounfalls gezeigt... Bitte schaut euch die Videos, insbesondere letzteres nur an, wenn ihr eine Gefahr für euch ausschließen könnt...

1. Angriffe auf Einsatzkräfte:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/dasx26280-amp.html

2. Gaffer:
https://youtu.be/eZOSaBWmI4M

Nur in meinem KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt