Nostalgie, oder die Liebe einer Introvertierten

20 3 16
                                    

»Heyyyy Paul, wie geht's? Hast du heute schon was vor?« Zea zuckte zusammen. Sie fand sozialen Kontakt schwer und anstrengend und wollte ihn deswegen vermeiden, wo es ging. Diese Nachricht abzuschicken hatte sie fünf Minuten gekostet und es war ihr noch immer unangenehm, dass sie sie abgeschickt hatte.

Das war jedoch nicht immer so gewesen. Früher hatte sie mit wenigstens ein paar Jungen geschrieben. Einer von ihnen war Paul gewesen und so sah sie sich die alten Chats der beiden durch, während sie auf eine Antwort wartete.
Da waren Chats, wie sie über Rudy Pankow fangirlte. Eine ganze Seite hatte sie ihm gewidmet. Umgekehrt hatte er über Emma Watson und Debby Ryan eine halbe Fanfiction geschrieben. Lächelnd und sich gleichzeitig komisch fühlend las Zea die Versuche, die eine englische Unterhaltung sein sollten. Bei dem Gedanken, wie der Kontakt zwischen den beiden geendet hatte, brach ihr Herz.
Paul war der Kontakt zu ihr von einem Freund verboten worden, weil dieser Eifersüchtig war, dass er nicht den gleichen Kontakt mit ihr hatte, obwohl er auf sie stand.

Stunden verbrachte sie nur damit, in der alten Zeit zu schweben und an der Nostalgie zu ertrinken. Als sie endlich den kompletten Verlauf gelesen und somit jede Erinnerung, ob süß, ob bitter, aufgesaugt hatte, sah sie erneut auf ihre Nachricht. Die beiden blauen Haken dahinter verrieten ihr, dass Paul ihre Nachricht gelesen hatte. Doch dies war über eine Stunde zurück.

Eine einzige Träne zog sich ihre Wange hinab. Dann, eine zweite, dritte, vierte, bis schließlich ihr gesamtes Gesicht in Nässe getaucht war. Schmerzerfüllt nahm sie beide Hände vors Gesicht und gab dem Drängen in ihrer Brust nach. Sie fing an zu schluchzen. Ihr Brustkorb schien zu platzen, dem gebrochenen Herzen Platz machend.
Minuten vergingen, bis die raue Stimme Joe Cockers sie mit „Everybody Hurts" zurück in die Realität holte. Noch immer Tränen vergießend besann sie sich wieder.
„Ich bin nicht die einzige, die verletzt wird. Und das ist auch nicht das erste, oder letzte Mal, dass ich es werde. Also was soll es?" Sagte sie sich.

Doch trotzdem nagte Paul weiterhin an ihren Nerven. Sie hatte Ewigkeiten gebraucht, um sich etwas einzugestehen. Und noch länger, um sich zu trauen, Paul anzuschreiben, ohne zu wissen, ob er sie überhaupt noch kannte. Darum sponn sie am Abend eine Geschichte, eine alternative Realität, in der alles besser war. Eine Welt, in der Einhörner existierten, die von Traumprinzen wimmelte und in der sie war, wer sie sein wollte. Und so entschied sie, wie es eigentlich hätte enden sollen:

»Heyyyy Paul, wie geht's? Hast du heute schon was vor?« »Oh hey Zea, lang nicht geschrieben. Ich hab noch nichts vor :D Wieso denn? 🙃« »Ich hab mir gedacht wir könnten uns mal treffen yk?« »Oh yeah, keine schlechte Idee, da hatte ich auch schon drann gedacht.🙈 Wann und wo? :D« »In 20min im Park bei dem Stadion?« »Kk, bis dann :D«

Zwanzig Minuten später kamen die beiden quasi gleichzeitig an. Zur Begrüßung umarmten sie sich verhalten. Dann begann Zea: „Du, ich muss dir was sagen. Ich bin in mich gegangen und - och ne, bitte denk einmal nicht zweideutig, ich mein das gerade ernst, ok? Geht doch. Jedenfalls: Mir ist etwas klar geworden. Vor einer ganzen Weile eigentlich schon. Du weißt ja, wie ich früher von Rudy geschwärmt habe. Du meintest ich wäre total in ihn verknallt und so. Währenddessen war ich der festen Überzeugung, dass ich in meinem ganzen Leben so ein Gefühl, wie Liebe es sein soll, noch nie gefühlt habe. Ich war immer eine Person, die genervt war, von heder WhatsApp. Ich wollte Gespräche beenden, die noch nicht einmal angefangen hatten, alles nur, weil ich keine Mensch mag. Aber dann kamst du. Als ich mit dir geschrieben habe, waren Nachrichten kürzer als 3 Zeilen wie eine Folter für mich, weil sie ein Ende unseres Gespräches voraussagen konnten. Und das wollte ich plötzlich nicht mehr. Jedes Wort, das wir geschrieben haben, war Balsam für meine Seele. Jeder Punkt ein Messer. Und nachdem ich dann auch noch bei jedem zweiten Taylor Swift Song an dich denken musste, wurde mir eines klar: Ich-"
An diesem Punkt ging Zea von ihrer Wachtraumwelt in eine Traumwelt über, die der ihren nicht ähnelte, die ihr jedoch half, sich besser zu fühlen. Und schon am nächsten Tag war der Schmerz verringert.

Nur in meinem KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt