Die Auswahlzeremonie

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„Bist du bereit?", hauchte George mir zu als das Schloss langsam in Sichtweite kam.
„Was meinst du?", fragte ich verwirrt nach.
„Snape", murmelte Fred. Ich zuckte zusammen. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut wieder nach Hogwarts zu kommen, dass ich nicht an Severus gedacht hatte.
„Wird schon werden", murmelte ich. Ich vermisste Severus, vermisste es ihm so nahe zu sein doch ich konnte noch immer nicht ignorieren was er getan hatte.
Blitze jagten über den dunklen Himmel, als unser Wagen an der steinernen Treppe anhielt, die zu dem großen Eichenportal hinaufführte. Wir sprangen aus unserer Kutsche und hasteten die Treppe hoch um dem endlosen Regen zu entkommen. Zusammen mit Harry, Ron und Hermine, die in der Eingangshalle auf uns warteten, betraten wir die große Halle die, wie jedes Jahr zur Zeremonie der Neuen, festlich geschmückt war. Wir setzten uns an den Gryffindortisch an dem die meisten Schüler bereits Platz genommen hatten. Fast automatisch ging mein Blick hinauf zum Lehrertisch, der noch leerer als üblich schien. Hagrid kämpfte sich vermutlich immer noch mit den Erstklässlern mit den Booten hier her doch auch der Platz von Professor McGonagall war leer. Ebenso der Platz an dem letztes Jahr noch Remus Lupin gesessen hatte, unser alter, und auch bester, Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Ob Dumbledore keinen neuen gefunden hatte? Irgendwie kam mir diese Möglichkeit abwegig vor. Ob sich der neue Lehrer verspätete?
„Mensch, beeilt euch", stöhnte Ron. „Ich könnte einen Hippogreif verspeisen."
Er hatte kaum den Mund zugemacht, da öffneten sich die Flügeltüren der Großen Halle. Alle verstummten. Professor McGonagall erschien an der Spitze einer langen Reihe von Erstklässlern und führte sie an die Stirnseite der Halle. Hatte ich bis eben noch gedacht, dass wir ziemlich nass waren, so war das nichts gegen die Neuen. Sie schienen nicht über den See gefahren, sondern geschwommen zu sein. Alle zitterten vor Kälte und Aufregung, als sie am Lehrertisch entlanggingen und sich in einer Reihe vor den älteren Schülern aufstellten.
Professor McGonagall kam mit einem dreibeinigen Stuhl in der Hand und stellte ihn vor den Neuen ab. Auf dem Stuhl lag ein steinalter, schmutziger, geflickter Zaubererhut. Die Neuen starrten ihn an. Und alle anderen auch. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann öffnete sich ein Riss gleich über der Krempe, ein Mund bildete sich, und der sprechende Hut begann zu singen:

Eintausend Jahr und mehr ist's her,
seit mich genäht ein Schneiderer.
Da lebten vier Zaubrer wohl angesehn;
ihre Namen werden nie vergehn.
Von wilder Heide der kühne Gryffindor,
der schöne Ravenclaw den höchsten Fels erkor. Der gute Hufflepuff aus sanftem Tal,
der schlaue Slytherin aus Sümpfen fahl.
Sie teilten einen Wunsch und Traum,
einen kühnen Plan, ihr glaubt es kaum junge Zauberer gut zu erziehn,
das war von Hogwarts der Beginn.
Es waren unserer Gründer vier,
die schufen diese Häuser hier
und jeder schätzte eine andere Tugend bei der von ihm belehrten Jugend.
Die Mutigsten zog Gryffindor
bei weitem allen ändern vor;
für Ravenclaw die Klügsten waren alleine wert der Lehrerqualen.
Und jedem, der da eifrig lernte, bescherte Hufflepuff reiche Ernte.
Bei Slytherin der Ehrgeiz nur
stillte den Machttrieb seiner Natur.
Es ist vor langer Zeit gewesen,
da konnten sie noch selbst verlesen, doch was sollte später dann geschehen, denn sie würden ja nicht ewig leben.
's war Gryffindor, des Rates gewiss, der mich sogleich vom Kopfe riss.
Die Gründer sollten mir verleihn
von ihrem Grips 'nen Teil ganz klein. So kann ich jetzt an ihrer statt,
sagen, wer wohin zu gehen hat.
Nun setzt mich rasch auf eure Schöpfe, damit ich euch dann vor mir knöpfe. Falsch gewählt hab ich noch nie,
weil ich in eure Herzen seh.
Nun wollen wir nicht weiter rechten, ich sag, wohin ihr passt am besten.

Der Sprechende Hut verstummte und in der Großen Halle brandete Beifall auf.
„Das ist doch nicht das Lied, das er damals für uns gesungen hat", merkte Harry an und klatschte ebenfalls.
„Er singt jedes Jahr ein neues", klärte ich ihn auf.
„Muss ein ziemlich langweiliges Leben sein für diesen Hut, meint ihr nicht? Sicher verbringt er das ganze Jahr damit, ein neues Lied zu dichten", murmelte Ron.
Professor McGonagall entrollte ein langes Pergament.
„Wenn ich euren Namen rufe, zieht ihr den Hut über den Kopf und setzt euch auf den Stuhl", erklärte sie den Neuen. „Wenn der Hut euer Haus ausruft, geht ihr zum richtigen Tisch und setzt euch dorthin.
Ackerly, Stewart!"
Ein Junge, sichtlich am ganzen Leib zitternd, trat vor, nahm den Sprechenden Hut in die Hand, setzte ihn auf und ließ sich auf dem Stuhl nieder.
„Ravenclaw!", rief der Hut.
Stewart Ackerly nahm den Hut ab und hastete zu einem Platz am Tisch der Ravenclaws, die ihn begeistert klatschend empfingen.
„Baddock, Malcolm!"
„Slytherin!"
Am Tisch auf der anderen Seite der Halle brach Jubel aus. Ich sah Malfoy klatschen, als Baddock sich den Slytherins anschloss.
„Branstone, Eleanor!"
„Hufflepuff!"
„Cauldwell, Owen!"
„Hufflepuff!"
„Creevey, Dennis!"
Der winzige Dennis Creevey trat stolpernd vor, und in genau diesem Moment glitt Hagrid durch eine Tür hinter dem Lehrertisch in die Halle. Hagrid, etwa doppelt so groß wie ein normal gewachsener Mann und mindestens dreimal so breit, sah mit seinem langen, wilden und zerzausten schwarzen Haar und seinem Bart ein wenig beängstigend aus; ein falscher Eindruck, wie wir wussten, denn Hagrid war von ausgesprochen freundlichem Gemüt. Er zwinkerte uns zu, setzte sich ans Ende des Lehrertisches und sah Dennis Creevey zu, der jetzt den Sprechenden Hut aufsetzte. Der Riss über der Krempe öffnete sich weit –
„Gryffindor!", rief der Hut.
Hagrid stimmte in unseren Applaus ein, und Dennis, übers ganze Gesicht strahlend, nahm den Hut ab, legte ihn auf den Stuhl und rannte zu unserem Tisch wo sein Bruder ihn schon im Empfang nahm.
So ging es weiter mit der Aufteilung der Schüler; Jungen und Mädchen, alle mit mehr oder weniger ängstlichen Gesichtern, traten der Reihe nach vor den dreibeinigen Stuhl, und die Schlange der Wartenden war schon um einiges kürzer, als Professor McGonagall zum Buchstaben L kam.
„Aah, beeilt euch", murrte Ron und massierte sich den Bauch.
„Ich bitte dich, Ron, die Auswahl ist viel wichtiger als das Essen", sagte der Fast Kopflose Nick, als „Madley, Laura", gerade zu einer Hufflepuff ernannt wurde.
„Natürlich, wenn man schon tot ist", knurrte Ron.
„Ich hoffe inständig, dass die neuen Gryffindors erste Sahne sind",sagte der Fast Kopflose Nick, während er äMcDonald, Natalie" beklatschte, die jetzt zum Gryffindor- Tisch kam. „Wir wollen doch unsere Siegesserie fortsetzen, nicht wahr?"
Er sprach ohne Zweifel von der Hausmeisterschaft die wir Gryffindors die letzten drei Jahre in Folge gewonnen.
„Pritchard, Graham!"
„Slytherin!"
„Quirke, Orla!"
„Ravenclaw!"
Und endlich, nach „Whitby, Kevin!", der ein Huffelpuff wurde, verstummte der Sprechende Hut. Professor McGonagall nahm Hut und Stuhl hoch und trug beides davon.
„Wird allmählich Zeit", sagte Ron, packte Messer und Gabel und blickte erwartungsvoll auf seinen goldenen Teller. Ich verdrehte bloß die Augen und sah wieder hinauf zum Lehrertisch. Dumbledore hatte sich erhoben. Lächelnd sah er in die Runde und breitete die Arme zu einer Geste des Willkommens aus.
„Ich habe euch nur zwei Worte zu sagen", verkündete er, und seine tiefe Stimme hallte von den Wänden wider. „Haut rein!"
„Hört, hört!", riefen Harry und Ron laut, und schon füllten sich die leeren Schüsseln unter ihren Augen von Zauberhand mit Speisen.
„Schom bescher", sagte Ron, den Mund voll Kartoffelbrei.
„Man spricht nicht mit vollem Mund", erinnerte ich ihn, den Mund selber voller Salat. Fred und George lachten und hatten sichtlich Mühe ihre Suppe in ihren Mündern zu halten.
Als auch der Nachtisch verschlungen war, die letzten Krümel von den Tellern gefegt und diese wieder blitzblank waren, erhob sich Dumbledore ein weiteres Mal. Das Gesumme und Geschnatter, das die Große Halle erfüllte, verstummte jäh, und nur noch das Heulen des Windes und das Trommeln des Regens waren zu hören.
„So!", sagte Dumbledore und lächelte in die Runde. „Nun, da wir alle gefüttert und gewässert sind muss ich noch mal um eure Aufmerksamkeit bitten und euch einige Dinge mitteilen. Mr Filch, der Hausmeister, hat mich gebeten, euch zu sagen, dass die Liste der verbotenen Gegenstände in den Mauern des Schlosses für dieses Jahr erweitert wurde und nun auch Jaulende Jo-Jos, Fangzähnige Frisbees und Bissige Bumerangs enthält. Die vollständige Liste zählt, soviel ich weiß, etwa vierhundertundsiebenunddreißig Gegenstände auf und kann in Mr Filchs Büro eingesehen werden, falls je- mand sie zu Rate ziehen will.
Dumbledores Mundwinkel zuckten und mir war als würden seine Augen für einen kurzen Moment auf den Zwillingen liegen.
„Wie immer", fuhr er fort, „möchte ich euch daran erinnern, dass der Wald auf dem Schlossgelände für Schüler verboten ist, wie auch das Dorf Hogsmeade für alle Schüler der ersten und zweiten Klasse.
Ich habe zudem die schmerzliche Pflicht, euch mitzuteilen, dass der Quidditch-Wettbewerb zwischen den Häusern dieses Jahr nicht stattfinden wird."
„Was?", keuchten Harry und ich gleichzeitig. Ich sah zu Fred und George, denen das Lachen im Hals stecken geblieben war. Sie waren offenbar zu entsetzt, um einen Ton hervorzubringen, und von ihren Lippen war nur ein stummes Flehen in Richtung Dumbledore abzulesen.
„Der Grund ist eine Veranstaltung, die im Oktober beginnt", fuhr Dumbledore fort, „und den Lehrern das ganze restliche Schuljahr viel Zeit und Kraft abverlangen wird doch ich bin sicher, ihr werdet alle viel Spaß dabei haben. Mit größtem Vergnügen möchte ich ankündigen, dass dieses Jahr in Hogwarts..."
Doch in diesem Moment gab es ein ohrenbetäubendes Donnergrollen und die Flügeltüren der Großen Halle schlugen krachend auf....

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #4 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt