Der große Abend 2

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Dumbledore fing an zu klatschen; ihm folgend brachen auch die Schüler in Applaus aus, und viele stellten sich auf die Zehenspitzen, um diese Frau besser sehen zu können. Die Anspannung in ihrem Gesicht wich einem dankbaren Lächeln und sie schritt auf Dumbledore zu und streckte ihm ihre funkelnde Hand entgegen. Dumbledore, der selbst nicht gerade klein war, musste sich kaum bücken, um sie zu küssen.
„Meine liebe Madame Maxime", sagte er. „Willkommen in Hogwarts."
„Dumbly-dorr", sagte Madame Maxime mit tiefer Stimme. „Isch 'offe, Sie befinden sisch wohl?"
„In exzellenter Verfassung, danke, Madame", antwortete Dumbledore.
„Meine Schüler", sagte Madame Maxime und wies mit ihrer riesigen Hand lässig nach hinten.
Ich blickte hinter sie und sah, dass etwa ein Dutzend Jungen und Mädchen – offenbar alle ältere Teenager – aus der Kutsche geklettert waren und sich nun hinter Madame Maxime aufstellten. Sie bibberten, was mich angesichts ihrer feinseidenen Umhänge nicht überraschte. Einen Reiseumhang trug keiner von ihnen, ein paar jedoch hatten Tücher und Schals um die Köpfe geschlungen. Nach dem, was ich von ihren Gesichtern erkennen konnte (sie standen im mächtigen Schatten Madame Maximes), sahen sie mit bangem Blick hinauf nach Hogwarts.
„Ist sie Französin?", hauchte ich Hermine fragend zu. Doch sie zuckte bloß mit dem Schultern.
„Unmöglich wäre es nicht", hauchte sie. „Ihr Akzent klingt zumindest französisch."
„Ist Karkaroff schon angekommen?", fragte Madame Maxime und zog so meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Er sollte jeden Moment eintreffen", antwortete  Dumbledore. „Möchten Sie vielleicht hier warten und ihn begrüßen oder würden Sie lieber hineingehen und sich ein wenig aufwärmen?"
„Aufwärmen, würde isch sagen", sagte Madame Maxime. „Aber die 'ferde?"
„Unser Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe wird sich mit Vergnügen um sie kümmern", winkte Dumbledore ab, „sobald er sich von einem kleinen Notfall lösen kann, der sich bei einem seiner anderen Schützlinge eingestellt hat."
„Kröter", murmelte Ron uns ins Ohr und fing an zu grinsen.
„Meine Rosse verlangen – ahm – eine 'arte 'and", sagte Madame Maxime mit einer Miene, als bezweifelte sie, dass der zuständige Lehrer in Hogwarts der richtige Mann dafür sei. „Sie sind serr stark..."
„Ich versichere Ihnen, dass Hagrid dieser Aufgabe vollkommen gewachsen ist", sagte Dumbledore lächelnd.
„Serr gutt", sagte Madame Maxime mit einer leichten Verbeugung, „würden Sie bitte diesem 'Agrid mitteilen, dass die 'ferde nur Single Malt Whisky saufen?"
„Dafür wird selbstverständlich gesorgt, Madame", sagte Dumbledore ebenfalls mit einer Verbeugung.
„Kommt", sagte Madame Maxime gebieterisch zu ihren Schülern, und das versammelte Hogwarts teilte sich, um ihr und ihrem Gefolge einen Weg die steinerne Treppe hinauf zu öffnen.
„Wie groß, glaubt ihr, werden die Pferde von Durmstrang sein?", fragte Seamus, der sich um Lavender und Parvati herumbeugte und Harry und Ron ansah.
„Tja, wenn sie noch größer sind als die hier, kann selbst Hagrid sie nicht mehr im Zaum halten", sagte Harry. „Womöglich haben ihn die Kröter inzwischen schon verspeist. Was dahinten wohl los ist?"
„Vielleicht sind sie abgehauen", sagte Ron hoffnungsvoll.
„Als wenn sie uns diese Freude machen würden", grummelte ich beim Gedanken an die letzten Stunden bei Hagrid.
„Sag bloß nicht so was", sagte Hermine schaudernd. „Stell dir vor, dieses Gekröse krabbelt auf den Ländereien rum..."
Wir standen jetzt bibbernd da und warteten auf die Ankunft der Schüler aus Durmstrang. Die meisten ließen die Blicke hoffnungsvoll über den Himmel schweifen. Ich war mir sicher, dass wenn sie nicht bald hier auftauchen würden, ein Eisklotz aus mir werden würde.
Ein paar Minuten lang wurde die Stille nur durch das Schnauben und Stampfen von Madame Maximes Pferden unterbrochen. Doch dann...
„Kannst du was hören?", fragte Ron plötzlich.
Ich lauschte; ein lautes, ganz und gar unvertrautes, schauriges Geräusch kam aus der Dunkelheit; ein gedämpftes Pochen und ein Saugen, als ob ein riesiger Staubsauger ein Flussbett entlangrauschte...
„Der See!", rief Lee Jordan und deutete hinüber aufs Wasser. „Seht euch den See an!"
Dort, wo wir standen, oben auf der begrünten Anhöhe mit Blick über die Ländereien, konnten wir die glatte schwarze Wasseroberfläche gut sehen – nur dass diese Oberfläche plötzlich nicht mehr glatt war. Tief unten in der Mitte des Sees musste sich etwas regen; große Blasen drangen nach oben, Wellen spülten über die sumpfigen Uferbänke – und dann bildete sich mitten im See ein gewaltiger Strudel, als wäre soeben ein riesiger Stöpsel aus dem Seegrund gezogen worden. Etwas wie ein langer schwarzer Pfahl begann nun langsam aus dem Herzen des Strudels emporzusteigen... und dann sah ich die Takelage.
„Das ist ein Mast!", rief ich Harry, Ron und Hermine mit strahlenden Augen zu. Langsam und majestätisch erhob sich das Schiff aus dem Wasser und schimmerte im Mondlicht. Es hatte etwas merkwürdig Gerippehaftes an sich, als wäre es ein geborgenes Wrack, und die trüben, verschwommenen Lichter, die aus seinen Bullaugen schimmerten, sahen aus wie Geisteraugen. Irgendwie hatte es, obwohl es so alt und merkwürdig aussah, etwas magisches wie es dort im Mondschein durch die Wasseroberfläche brach. Und dann endlich, mit einem gewaltigen Schmatzen und Schwappen, tauchte das Schiff zur Gänze auf, tänzelte über das aufgewühlte Wasser und glitt auf das Ufer zu. Augenblicke später hörten ich einen Anker ins flache Wasser klatschen und den dumpfen Schlag einer Planke, die auf das Ufer niedergelassen wurde. Nun gingen Leute von Bord; ihre Umrisse waren vor den Lichtern der Bullaugen zu sehen. Sie alle, fiel mir auf, schienen ungefähr die Statur von Crabbe und Goyle zu haben... doch dann, als sie den Hang herauf näher kamen und das Licht der Eingangshalle auf sie fiel, sah ich, dass ihre Gestalten deshalb so massig wirkten, weil sie Mäntel aus einer Art zottigem, verfilztem Pelz trugen. Vielleicht hatte Hermine gar nicht so unrecht damit, dass Durmstrang irgendwo im Norden war. Der Mann jedoch, der sie hoch zum Schloss führte, trug einen ganz anderen Pelz: seidig und silbern wie sein Haar.
„Dumbledore!", rief er mit Inbrunst, als er die Anhöhe erreicht hatte, „wie geht's Ihnen, altes Haus, wie geht's?"
„Glänzend, danke, Professor Karkaroff", erwiderte Dumbledore.
Karkaroff hatte eine sonore, ölige Stimme; als er in das Licht trat, das aus dem Schlossportal fiel, sahen ich, dass er groß und schlank war wie Dumbledore, doch sein weißes Haar war kurz und sein Spitzbart (der in einem kleinen Gekräusel endete) konnte sein fliehendes Kinn nicht ganz verbergen. Er ging auf Dumbledore zu und streckte ihm beide Hände entgegen.
„Das gute alte Hogwarts", sagte er und sah lächelnd hoch zum Schloss; seine Zähne waren ziemlich gelb und mir fiel auf, dass sein Lächeln sich nicht auf seine Augen erstreckte, deren Blick kalt und scharf blieb. „Wie schön, wieder hier zu sein, wie schön ... Viktor, komm rein in die Wärme ... Sie haben nichts dagegen, Dumbledore? Viktor hat einen leichten Schnupfen..."
Karkaroff winkte einem seiner Schüler. Als der Junge vorbeiging, erhaschte ich einen Blick auf eine markante Adlernase und dichte schwarze Brauen. Harry und Ron neben mir zischten überrascht auf und ein murmeln ging durch die Schülerschaft von Hogwarts. Doch auch ohne die Ausrufe von Ron und Dean erkannte ich wer da zu Dumbledore und Karkaroff ins Licht trat.
„Das ist Viktor Krum!"

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #4 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt