Die Champions

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Den Tag verbrachten wir das erste mal seit langem alle zusammen als große Gruppe. Harry, Ron, Hermine, Lily und ich gingen hinunter zum schwarzen See. Wenig später stießen auch Fred und George - mittlerweile wieder bartlos - zu uns. Wir genossen das - für britische Verhältnisse ungewöhnliche - warme und trockene Wetter und redeten über dies und jenes. Während Harry und Ron Zauberschach spielten und Hermine und Lily sich über irgendein Buch unterhielten, hatte ich mich zu den Zwillingen gesetzt und aus Langeweile hatte George angefangen meine Haare zu flechten während er mit seinem Bruder über die neusten Kreationen für Weasleys zauberhafte Zauberscherze redete. Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl wie Georges Finger sanft durch meine Haare glitten. Das er ziemlich begabt darin war hatte ich bereits im ersten Schuljahr gemerkt. Auch da hatte es einen solch friedlichen Tag gegeben an dem wir alle zusammen gesessen hatten. Ich war froh, dass wir einen solchen Tag nun wiederholen konnten.
„Ich bin wirklich froh", murmelte ich mit immer noch geschlossenen Augen.
„Worüber?", fragten die Zwillinge verwirrt. Ich öffnete die Augen und sah, dass alle Blicke auf mir lagen. Ein Lächeln glitt über meine Lippen.
„Über das hier", antwortete ich und breitete die Arme aus. „Über uns, unsere Freundschaft und das was wir bisher erlebt haben. Ich bin wirklich dankbar dafür."
Diese Worte zauberten jedem von ihnen ein Lächeln ins Gesicht und alle nickten synchron.
„Ich auch", sagte Harry und grinste breit. „Nach all dem was in den letzten Jahren passiert ist, bin ich dankbar, dass ihr alle immer an unserer Seite gewesen seid. Bevor ich hier her nach Hogwarts gekommen bin hatte ich keine wirkliche Familie und Freunde erst recht nicht", auch er sah einmal in die Runde aus Freunden und Familienmitgliedern, „aber jetzt und hier habe ich euch. Manchmal kann ich immer noch nicht fassen, dass es diese Welt gibt und ich ein Teil davon bin und, dass ihr alle an meiner Seite seid."
„Mir geht es genauso", nickte ich. „Ich habe in dieser Welt schon mit so vielen Gefahren kämpfen müssen und wie oft dem Tod direkt ins Auge geblickt aber...", erneut sah ich in die Runde, „aber dieses Leben und euch, vor allem euch, würde ich für nichts in der Welt eintauschen wollen."
Nun breitete sich auf allen Gesichtern ein strahlendes Grinsen aus. George legte seine Hand an mein Gesicht, drehte es zu mir und legte seine Lippen auf meine. Ich schloss die Augen und ließ mich gänzlich in den Kuss fallen. Diese Momente gab es viel zu selten zwischen uns, nicht nur zwischen George und mir, sondern auch mit den anderen, dieses einfache zusammen sitzen. Mir fiel auf wie sehr ich es vermisst hatte mit allen einfach nur hier zu sein.

Beim Abendessen schien das ganze Schloss in freudiger Erwartung auf die Ernennung der Champions zu warten. Als die Teller endlich leer und alle satt und zufrieden waren schwoll der übliche Lärm in der großen Halle an und wurde je unterbrochen als Dumbledore sich erhob.
Karkaroff und Madame Maxime zu seinen Seiten wirkten nicht weniger gespannt und erwartungsvoll als alle anderen. Ludo Bagman strahlte und zwinkerte dieser und jener Schülerin zu. Mr Crouch jedoch schien recht wenig interessiert, ja fast gelangweilt.
„Nun, der Kelch ist gleich bereit, seine Entscheidung zu fällen", sagte Dumbledore. „Ich schätze, er braucht noch eine Minute. Wenn die Namen der Champions ausgerufen werden, bitte ich sie, hier aufs Podium zu kommen und am Lehrertisch vorbei in diese Kammer dort zu gehen", er deutete auf die Tür hinter dem Lehrertisch, „wo sie dann ihre ersten Anweisungen erhalten."
Er zückte den Zauberstab und schwang ihn ausladend durch die Luft; sofort erloschen alle Kerzen, nur in den geschnitzten Kürbissen flackerten sie noch, so dass nun alles im Halbdunkel lag. Der Feuerkelch leuchtete jetzt heller als alles andere in der Halle, das gleißende, blauweiß funkelnde Licht der Flammen stach sogar ein wenig in die Augen. Wie gebannt starrte ich auf den Kelch und wartete. Die Spannung schien nicht nur mit den Atem zu rauben. Die Halle war so still wie noch nie zuvor. Die Spannung in der Luft war beinahe greifbar.
„Gleich geht's los", flüsterte Lee der zwei Plätze neben Harry saß und mit leuchteten Augen zum Kelch sah. Die Flammen im Kelch färbten sich plötzlich rot. Funken sprühten aus der Glut. Im nächsten Augenblick schoss eine Flammenzunge in die Luft, ein verkohltes Stück Pergament flatterte heraus – und die ganze Halle hielt den Atem an. Dumbledore fing das Pergament auf und hielt es mit gestrecktem Arm von sich, damit er es im Licht des Feuers lesen konnte, das nun wieder blauweiß war.
„Der Champion für Durmstrang", las er mit klarer und kräftiger Stimme, „ist Viktor Krum."
„Keine Überraschung!", rief Ron, während Beifall und Jubel durch die Halle wogten. Harry sah Viktor Krum vom Slytherin-Tisch aufstehen und zu Dumbledore hochschlurfen; er wandte sich nach rechts, ging am Lehrertisch vorbei und verschwand durch die Tür in der Kammer dahinter.
„Bravo, Viktor!", polterte Karkaroff so laut, dass er den Beifall übertönte. „Wusste doch, du hast es in den Knochen!"
Schien so als hätte Karkaroff definitiv einen Liebling unter den Schülern.
Das Plappern und Schnattern erstarb. Nun richteten sich alle Augen wieder auf den Kelch, dessen Flammen sich sogleich wieder rot färbten. Ein zweites Pergament flog, hochgeschleudert von der Hitze, aus der Glut.
„Champion für Beauxbatons", sagte Dumbledore, „ist Fleur Delacour!"
„Das ist sie, Ron!", rief Harry, als das Mädchen, das einer Veela so ähnlich sah, sich anmutig erhob, seinen silbrig blonden Haarschopf zurückwarf und zwischen den Tischen der Ravenclaws und Hufflepuffs hindurchglitt.
„Oh, schau mal, die sind alle enttäuscht", rief Hermine durch den Lärm und nickte zu den anderen Beauxbatons hinüber. ‚Enttäuscht' war ein wenig untertrieben, fand ich als ich ihren Blick folgte. Zwei der Mädchen, die es nicht geschafft hatten, zerflossen in Tränen und vergruben schluchzend die Köpfe in den Händen. Was für eine Show.
Als auch Fleur Delacour in der Kammer verschwunden war, legte sich erneut Stille über die Halle, doch diesmal war es eine Stille, die so starr vor Anspannung war, dass man sie fast schmecken konnte. Jetzt kam der Name des Hogwarts-Champions...
Und das Feuer des Kelches färbte sich wiederum rot; Funken sprühten aus der Glut; eine Flamme züngelte hoch und aus ihrer Spitze zog Dumbledore das dritte Stück Pergament.
„Der Hogwarts-Champion", rief er, „ist Cedric Diggory!"
„Nein!", sagte Ron laut, doch keiner außer Harry hörte ihn; der Tumult am Nachbartisch war zu gewaltig. Ausnahmslos alle Hufflepuffs waren aufgesprungen, schrien und stampften mit den Füßen, während Cedric mit breitem Grinsen an ihnen vorbei auf die Kammer hinter dem Lehrertisch zuging. Tatsächlich hielt der Beifall für Cedric so lange an, dass Dumbledore einige Zeit brauchte, um sich wieder Gehör zu verschaffen. Ich zuckte zurück als erneut das Bild von Cedric in meinem Geist auftauchte. Kalte leblose Auge, vor Schock geweitet.
„Bestens!", rief Dumbledore glücklich, als der Aufruhr sich endlich legte. „Schön, wir haben nun drei Champions. Ich bin sicher, ich kann mich darauf verlassen, dass ihr alle, auch die nicht ausgewählten Schüler aus Beauxbatons und Durmstrang, euren Champion mit äußerster Kraft unterstützt. Indem ihr euren Champion anfeuert, könnt ihr durchaus dazu beitragen..."
Doch Dumbledore verstummte plötzlich, und es entging keinem, was ihn ablenkte. Das Feuer des Kelches hatte sich abermals rot verfärbt. Funken sprühten daraus hervor. Eine lange Flamme schoss jäh in die Höhe und mit sich trug sie wiederum ein Pergament. Wie in Trance, so schien es, streckte Dumbledore seinen langen Arm aus und griff nach dem Blatt. Er hielt es von sich und las stumm den Namen, der darauf geschrieben stand. Eine lange Pause trat ein, während deren Dumbledore auf das Blatt in seiner Hand starrte und alle anderen Dumbledore anstarrten. Und dann räusperte sich Dumbledore und las laut den Namen der mich noch mehr schockte als Cedric's eventuell bald eintreffender Tod und mich für einen Moment von meiner Vision ablenkte.
„Harry Potter."
Alle Augen waren plötzlich auf Harry gerichtet der da saß wie vom Donner gerührt. Alle schienen irgendwie fassungslos. Niemand klatschte. Plötzlich kam ein Summen wie von einem Schwarm wütender Bienen in der Halle auf und wurde immer lauter; einige standen auf, um Harry besser sehen zu können, wie er da vollkommen starr auf seinem Platz hockte. Oben am Lehrertisch war Professor McGonagall aufgestanden und an Ludo Bagman und Professor Karkaroff vorbei zu Dumbledore gerauscht, der ihr mit leichtem Stirnrunzeln das Ohr zuneigte, während sie ihm dringlich etwas zuflüsterte. Harry wandte sich uns zu, hinter ihm saßen die anderen Gryffindors in langer Reihe an der Tafel und starrten ihn mit offenen Mündern an.
„Ich hab meinen Namen nicht eingeworfen", sagte Harry fassungslos. „Das wisst ihr doch."
Ron und Hermine sahen ihn nicht minder fassungslos an. Wir alle saßen da, völlig schockiert.
Am Lehrertisch nickte Professor Dumbledore seiner Kollegin zu und stand dann auf.
„Harry Potter!", rief er. „Harry! Nach oben, wenn ich bitten darf!"
„Geh schon", flüsterte Hermine und versetzte Harry einen kleinen Schubs.
Harry stand auf, verhedderte sich im Saum seines Umhangs und geriet kurz ins Stolpern. Ich sah ihm nach wie er zwischen den Tischen hinauf zum Lehrertisch ging. Das Summen schwoll weiter an.
„Nun ... durch die Tür, Harry", sagte Dumbledore. Er lächelte nicht.
Harry ging am Lehrertisch entlang. Ganz am Ende saß Hagrid. Er zwinkerte Harry nicht zu, winkte auch nicht und hob auch nicht wie sonst immer die Hand zum Gruß. Er sah vollkommen verdattert aus und starrte, wie all die anderen auch, den vorbeigehenden Harry an. Harry ging durch die Tür und verschwand damit aus meinem Blickfeld.

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #4 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt