Der Feuerkelch

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Es war irgendwie seltsam plötzlich nicht mehr nur die ganzen Hogwarts-Schüler in der großen Halle zu sehen. Während wir unseren üblichen Platz am Tisch der Gryffindors einnahmen beobachtete ich wie sich die Beauxbatons Schüler am Tisch der Ravenclaws und die Schüler der Durmstrang-Schule am Slytherin Tisch niederliessen. Die große Halle, die sowieso schon immer so voll war, wirkte noch größer als gewöhnlich.
Ich sah hinauf zum Lehrertisch. Neben dem Stuhl von Dumbledore, an dessen Seite normalerweise McGonagall und Flitwick saßen, waren jeweils links und recht zwei neue Stühle hingestellt worden. Verwirrt sah ich zu Harry, Ron und Hermine.
„Waren es nicht nur die zwei Schulleiter die mitgekommen waren?", fragte ich an die drei gewandt und deutete auf die vier Stühle. „Warum dann vier Stühle?"
„Keine Ahnung", antwortete Hermine und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht kommen die Schiedsrichter noch?"
Die Türen öffneten sich und die Lehrer betraten die große Halle. Den Schluss bildeten Professor Dumbledore, Professor Karkaroff und Madame Maxime. Die Gäste aus Beauxbatons sprangen auf, sobald sie ihre Schulleiterin sahen. Einige der Hogwarts Schüler lachten. Den Beauxbatons schien es jedoch keineswegs peinlich, und sie nahmen ihre Plätze erst wieder ein, als sich Madame Maxime links von Dumbledore niedergelassen hatte. Vielleicht war es bei ihnen an der Schule einfach so. Dumbledore blieb wie üblich stehen und die Große Halle verstummte.
„Guten Abend, meine Damen und Herren, Geister und vor allem Gäste", sagte Dumbledore, sah in die Runde und strahlte die ausländischen Schüler an. „Ich habe das große Vergnügen, Sie alle in Hogwarts willkommen zu heißen. Ich bin sicher, dass Sie eine angenehme und vergnügliche Zeit an unserer Schule verbringen werden."
Eines der Mädchen aus Beauxbatons, das immer noch einen Schal um den Kopf geschlungen hatte, lachte unverhohlen spöttisch. Finster blickte ich zu ihr hinüber.
„Keiner zwingt dich, hier zu sein!", zischelte Hermine und warf ihr ebenfalls einen zornfunkelnden Blick zu.
„Das Turnier wird nach dem Festessen offiziell eröffnet", sagte Dumbledore. „Nun lade ich alle ein, zu essen, zu trinken und sich wie zu Hause zu fühlen!"
Er setzte sich, und ich sah, wie Karkaroff sich sofort zu ihm neigte und ihn in ein Gespräch verwickelte. Die Schüsseln und Teller vor uns füllten sich wie immer mit Speisen. Verblüfft sah ich auf das Buffet, noch nie hatte ich so viele verschiedene Gerichte vor mir gesehen, darunter auch einige, die ganz eindeutig aus fremden Ländern stammten.
„Was ist das denn?", fragte Ron und deutete auf eine große Schüssel mit einer Art Muscheleintopf, die neben einer mächtigen Beefsteak-und-Nieren-Pastete stand.
„Bouillabaisse", antwortete Hermine.
„Was?", fragte ich lachend.
„Gesundheit", sagte Ron.
„Es ist ein französisches Gericht", sagte Hermine seufzend. „Ich hab es vorletzten Sommer in den Ferien gegessen, schmeckt ganz gut."
„Das glaub ich dir aufs Wort", sagte Ron und tat sich eine Portion Blutwurst auf.
In der Großen Halle schien wirklich viel mehr los zu sein als sonst, obwohl kaum zwanzig Gastschüler hier waren; vielleicht entstand der Eindruck, weil ihre farbigen Schuluniformen sich so auffällig von den schwarzen Umhängen der Hogwarts-Schüler unterschieden. Nun, da die Durmstrangs ihre Pelze abgelegt hatten, zeigte sich, dass sie Umhänge in sattem Blutrot trugen.
Hagrid kam zwanzig Minuten nach Beginn des Festessens durch eine Tür hinter dem Lehrertisch gehuscht. Er glitt auf seinen Platz am Ende der Tafel und winkte Harry, Ron, Hermine und mir mit einer dick bandagierten Hand zu.
„Er hat wohl endlich herausgefunden was die Kröter essen", murmelte ich und sah mit gehobener Augenbraue zu Hagrid hinauf.
„Ja Hagrids Finger", grinste Ron und biss genüsslich in ein Würstchen.
„Versei'ung, möchten Sie noch von dieser Bouillabaisse essen?"
Ich sah auf. Es war das Mädchen von Beauxbatons, das während Dumbledores Rede gelacht hatte. Sie stand neben Ron und sah ihn abwartend an. Sie hatte nun doch ihren Schal abgelegt. Ihr langer, silbrig blonder Haarschopf fiel ihr fast bis zur Taille. Sie hatte große, dunkelblaue Augen und ebenmäßige, makellos weiße Zähne. Ron lief purpurrot an. Er starrte zu ihr hoch, öffnete den Mund, um zu antworten, doch er brachte nur ein schwächliches Gegurgel heraus.
„Nein, bitte sehr", sagte Harry und schob dem Mädchen die Schüssel hin.
„Sie sind damit fertig?"
„Jaa", hauchte Ron. „Jaa, wirklich ganz hervorragend."
Sie nahm die Schüssel und trug sie umsichtig hinüber zum Ravenclaw-Tisch. Ron glotzte dem Mädchen nach, als hätte er noch nie eines gesehen. Harry fing an zu lachen, was Ron offenbar zur Besinnung brachte. Ich verdrehte die Augen und sah erneut hinauf zum Lehrertisch. Die beiden vorhin noch leeren Plätze waren nun besetzt. Zur anderen Seite von Professor Karkaroff saß Ludo Bagman und neben Madame Maxime saß Percys Chef, Mr Crouch.
„Hey Leute", flüsterte ich den anderen zu. „Seht mal."
„Was tun die denn hier?", fragte Harry überrascht.
„Sie haben doch das Trimagische Turnier organisiert", sagte Hermine. „Ich vermute mal, sie wollten bei der Eröffnung dabei sein."
Der Nachtisch kam, und auch hier waren, wie mir auffiel, eine Reihe unbekannter Speisen dabei. Kopfschüttelnd nahm ich mir, wie immer, eine kleine Schüssel mit Pudding und ignorierte den Rest gekonnt.
Sobald die goldenen Teller leer geputzt waren, erhob sich Dumbledore von neuem. Die Halle war nun von angenehmer Spannung erfüllt. Unwillkürlich fragte ich mich, was wohl kommen würde, und spürte ein leises, erwartungsvolles Kribbeln. Weiter unten am Tisch beugten sich Fred und George vor und spähten mit größter Konzentration zu Dumbledore hinüber.
„Der Augenblick ist gekommen", sagte Dumbledore und lächelte in das Meer der ihm zugewandten Gesichter. „Das Trimagische Turnier kann nun beginnen. Ich möchte einige erläuternde Worte sagen, bevor wir die Truhe hereinbringen nur um unser diesjähriges Verfahren zu erklären. Doch jenen, die sie noch nicht kennen, möchte ich zunächst Mr Bartemius Crouch vorstellen, Leiter der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit."
Hier und da hob sich ein Händepaar zu höflichem Applaus doch der Großteil der Schüler sah immer noch abwartend zu Dumbledore.
„Und Mr Ludo Bagman, den Leiter der Abteilung für Magische Spiele und Sportarten."
Für Bagman gab es deutlich mehr Beifall als für Crouch, vielleicht weil er als Quidditch-Treiber berühmt war oder einfach deshalb, weil er so viel sympathischer wirkte. Er bedankte sich mit freundlichem Winken. Bartemius Crouch jedoch lächelte nicht, noch hob er die Hand, als er vorgestellt wurde. Sein Oberlippenbärtchen und der strenge Scheitel wirkten neben Dumbledores langem weißem Haar und Bart ganz unpassend.
„Mr Bagman und Mr Crouch haben in den vergangenen Monaten unermüdlich für die Vorbereitung des Trimagischen Turniers gearbeitet", fuhr Dumbledore fort, „und sie werden neben mir, Professor Karkaroff und Madame Maxime die Jury bilden, die über die Leistungen der Champions befindet."
Bei der Erwähnung der Champions schien das Publikum plötzlich aufzumerken. Dumbledore war offenbar nicht entgangen, dass mit einem Schlag Stille eingetreten war, denn mit einem Lächeln sagte er: „Wenn ich bitten darf, Mr Filch, die Truhe."
Filch, der bisher in einer dunklen Ecke der Halle herumgestanden hatte, trat auf Dumbledore zu, in den Händen eine große, mit Juwelen besetzte Holztruhe. Sie wirkte ungeheuer alt. Die Schüler begannen aufgeregt und neugierig zu murmeln und zu tuscheln. Gespannt blickte ich hinauf.
„Mr Crouch und Mr Bagman haben die Aufgaben, die die Champions dieses Jahr lösen müssen, bereits geprüft", sagte Dumbledore, während Filch die Truhe vorsichtig auf den Tisch stellte, „und sie haben die notwendigen Vorbereitungen für diese Herausforderungen getroffen. Wir haben drei Aufgaben über das ganze Schuljahr verteilt, die das Können der Champions auf unterschiedliche Weise auf die Probe stellen... ihr magisches Können, ihre Kühnheit, ihre Fähigkeit zum logischen Denken und natürlich ihre Gewandtheit im Umgang mit Gefahren."
Bei den letzten Worten legte sich wieder Stille über die Halle, so vollkommen, als würden alle auf einmal den Atem anhalten.
„Wie ihr wisst, kämpfen im Turnier drei Champions gegeneinander", fuhr Dumbledore gelassen fort, „von jeder teilnehmenden Schule einer. Wir werden benoten, wie gut sie die einzelnen Aufgaben lösen, und der Champion mit der höchsten Punktzahl nach drei Aufgaben gewinnt den Trimagischen Pokal. Ein unparteiischer Richter wird die Champions auswählen... der Feuerkelch."
Dumbledore zog seinen Zauberstab und schlug dreimal sachte auf den Deckel der Truhe. Langsam und knarrend öffnete er sich. Dumbledore steckte die Hand hinein und zog einen großen, grob geschnitzten Holzkelch heraus. Er selbst war nicht weiter bemerkenswert, doch er war bis an den Rand gefüllt mit tänzelnden blauweißen Flammen. 
Dumbledore schloss die Truhe und stellte den Kelch vorsichtig auf den Deckel, wo ihn alle sehen konnten.
„Jeder, der sich als Champion bewerben will, muss seinen Namen und seine Schule in klarer Schrift auf einen Pergamentzettel schreiben und ihn in den Kelch werfen", sagte Dumbledore. „Wer mitmachen will, hat vierundzwanzig Stunden Zeit, um seinen Namen einzuwerfen. Morgen Nacht, an Halloween, wird der Kelch die Namen jener drei preisgeben, die nach seinem Urteil die würdigsten Vertreter ihrer Schulen sind. Der Kelch wird noch heute Abend in der Eingangshalle aufgestellt, wo er für alle, die teilnehmen wollen, frei zugänglich ist."
Ernst sah Dumbledore in die Runde.
„Um sicherzustellen, dass keine minderjährigen Schüler der Versuchung erliegen", ergänzte er, „werde ich eine Alterslinie um den Feuerkelch ziehen, sobald er in der Eingangshalle aufgestellt ist. Niemand unter siebzehn wird diese Linie überschreiten können. Schließlich möchte ich allen, die teilnehmen wollen, eindringlich nahelegen, mit ihrer Entscheidung nicht leichtfertig umzugehen. Sobald der Feuerkelch einen Champion bestimmt hat, wird er oder sie das Turnier bis zum Ende durchstehen müssen. Wenn ihr euren Namen in den Kelch werft, schließt ihr einen bindenden magischen Vertrag. Wenn ihr einmal Champion seid, könnt ihr euch nicht plötzlich anders besinnen. Überlegt daher genau, ob ihr von ganzem Herzen zum Spiel bereit seid, bevor ihr euren Zettel in den Kelch werft. Nun, denke ich, ist es Zeit, schlafen zu gehen. Gute Nacht euch allen."

Licht oder Dunkelheit - Die Geschichte der Potter Zwillinge #4 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt