5. Erinnerung

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Er.in.ner.ung
Substantiv, feminin [die]
Besitz aller bisher aufgenommenen Eindrücke

Mom war unglaublich traurig, als ich ihr am selben Abend noch verkündete, ein tolles Zimmer in einer WG gefunden zu haben und am liebsten schon am Wochenende ausziehen zu wollen. „Du bist doch erst seit kurzer Zeit wieder da und schon willst du wieder gehen?", hat sie niedergeschlagen nachgefragt. Sie hat einige Tränen vergossen und erst, als ich ihr versichert habe, gut auf mich aufzupassen, sie und Michael oft zu besuchen und keine Dummheiten anzustellen, konnte sie sich etwas beruhigen.

An besagtem Tag bin ich ganz schön aufgeregt. Mom und Michael haben mir dabei geholfen, meine Sachen zusammenzupacken und sind anschliessend mit mir ins Zentrum gefahren, um mir beim Schleppen der Umzugskartons und Möbel zu helfen. Da ich in den letzten Jahren so gut wie nichts neues angeschafft habe, sind wir damit schneller durch als erwartet. Bett, Schreibtisch und Schrank habe ich aus meinem Kinderzimmer mitgenommen.

Ich schliesse die Tür meines neuen Zimmers hinter mir und lehne mich seufzend mit dem Rücken dagegen. Mom und Michael sind endlich gegangen und ich kann in Ruhe alles auspacken. Wahrscheinlich würde es mich verrückt machen, wenn jemand anderes meine Kleidung in den Schrank einräumt oder Bücher in das Regal stellt. Auch Joannas Hilfe habe ich dankend abgelehnt. Mein Blick fällt auf den Standspiegel mit dem blauen Rahmen, den sie mir zum Einzug geschenkt hat.

"Ich habe mir einen neuen gekauft, und als ich gesehen habe, dass du keinen hast, dachte ich, dass du ihn vielleicht haben willst", hat sie gesagt und ich habe mich ungefähr tausendmal bei ihr bedankt, weil ich mich so sehr gefreut habe.

Ein Blick auf den kleinen Wecker auf meinem Nachttisch verrät mir, dass es schon kurz nach drei Uhr ist und ich mich nun wirklich ans Einräumen machen sollte.

Die alte Couch des Vormieters steht vorübergehend im Flur, sodass man muss sich förmlich zwischen Wand und Couch hindurch quetschen muss. Joanna hat mir aber verischert, dass der Vormieter noch diese Woche kommen und die Couch mitnehmen würde.

Ich beginne damit, mein Bett, welches mittig an der Wand steht, mit der weissen Bettwäsche zu beziehen. Den Schreibtisch habe ich unter das grosse Fenster gestellt. Obwohl ich noch keine Nacht hier verbracht habe, gibt mir diese WG jetzt schon ein Gefühl von Zuhause und ich bin überglücklich.

Die Zeit vergeht und es ist bereits dunkel, als mein Blick auf den letzten Karton fällt. Er ist ziemlich staubig, da er eine lange Zeit im Keller gestanden hat. Mom hat ihn mir mitgegeben und gesagt, dass sie die Jahre über Gegenstände, Zeichnungen und Fotos von mir gesammelt hat und mir diese mitgeben wollte, sobald ich ausziehe. Kaum habe ich das Klebeband mit der Schere durchtrennt und den Karton geöffnet, fällt mein Blick auf den dunkelblauen Schuhkarton, der sich im Inneren befindet. Mir läuft eine Gänsehaut über den gesamten Rücken, da ich genau weiss, was sich in diesem Schuhkarton befindet.

Ich seufze und nehme ihn zögernd heraus. Anschliessend setzte ich mich damit aufs Bett. Ich bemerke, wie sich mein Herzschlag beschleunigt und meine Haut zu kribbeln beginnt. Unsicher, ob ich bereit bin, den Inhalt des Schuhkartons zu begutachten. Anschliessend hole ich aber tief Luft und hebe den Deckel ab. Der Inhalt versetzt mir dennoch einen Stich.

Seit vier Wochen bin ich nun wieder zurück und ich habe mich nicht bei Ethan gemeldet. Obwohl ich schon einige Male kurz davor war, habe ich nie genug Mut gehabt. Was soll ich ihm auch sagen. Hallo, bin wieder da? Nachdem wir uns getrennt haben, haben wir keinen Kontakt mehr gehabt. Meine Anrufe, kurz nach der Trennung, hat er entweder weggedrückt oder ganz ignoriert. Schliesslich habe ich es aufgegeben und akzeptiert, dass er nichts mehr mit mir zutun haben möchte.

Tränen steigen mir in die Augen, als ich mich an den Tag erinnere.

"Was soll das heissen?" Seine verwirrte Stimme klingt deutlich durch das Telefon hindurch an mein Ohr.

Lovely DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt