40. Epilog

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6 Wochen später

Als ich das Krankenhaus betrete umschliesst mich sofort der sterliche Geruch des Desinfektionsmittels. Michael ist genau seit vierundzwanzig Tagen aus dem Koma erwacht. Grund für den Schlaganfall war ein kleines Loch in seinem Herz, das bis dahin niemand bemerkt hat. Seine linke Seite ist noch immer komplett gelähmt und bis jetzt weiss man nicht, ob er je wieder laufen wird. Mom und ich wechseln uns mit seinem Vater und einigen Kollegen ab, so dass jeder Tag jemand bei ihm ist und er keinen Tag alleine sein muss.

Da ich vor wenigen Wochen wieder bei Mom eingezogen bin, gehen wir auch oft zusammen zu Michael. Nach einer Woche, die ich auf Quinns Couch verbracht habe, habe ich mich zurück in die WG gewagt, meinen sofortigen Auszug verkündet und direkt damit angefangen meine Sachen zu packen.
Den stürmischen Fragen von Harry und Joanna wich ich immer wieder aus, bis mich Joanna eines Abends im Allure aufgesucht hat und mich zur Rede stellte. Sie sagte, dass sie sich für die nächsten drei Tage freigenommen hat und nicht von meiner Seite weichen wird, bis ich ihr endlich erzählen würde, was mit mir los sei. Erst als sie fragte „Hat es was mit Ethan und Taylor zu tun?" knickte ich ein uns gestand ihr, was die letzten Wochen zwischen mir und Ethan passiert war, auch, dass wir einmal ein Paar gewesen waren. Joanna sagte mir klipp und klar, dass sie meine Taten nicht guthiess und sie hielt mir auch eine ordentliche Standpauke und erzählte mir was von Ehrlichkeit und Respekt gegenüber anderen Menschen. Aber am Schluss war sie mir nicht gross böse. Ein Stück weit konnte sie mich fast verstehen.

Wir versuchen unser Bestes unsere Freundschaft aufrecht zu erhalten, die leider einen kleinen Knick nach der ganzen Sache erlitten hatte. Zwischen den Schichten im Allure und den Besuchen bei Michael trafen wir uns einige Male zum Kaffee oder auch zum Vodka trinken in der Innenstadt. Aber nie in der WG. Seit meinem Auszug und der Schlüsselabgabe habe ich auch nicht mehr mit Taylor gesprochen. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, mich danach zu fragen, weshalb ich so plötzlich auszog. Sie akzeptierte es einfach. Auch mit Ethan habe ich kein Wort mehr gewechselt. Ich war ihm einmal in der Stadt über den Weg gelaufen hatte ihn aber eiskalt ignoriert und bin einfach an ihm vorbeigegangen. Wortlos.

Ich will nicht lügen. Es schmerzt immer noch. Aber es wird mit jedem Tag ein kleines Stückchen besser. Gestern hatte ich erst beim Frühstücken das erste Mal an ihn gedacht, nicht direkt nach dem Aufwachen. Das war ein grosser Fortschritt.

Ich bleibe an dem kleinen Geschenkeladen im Erdgeschoss stehen und kaufe Michael überteuerte Blumen, von denen ich aber auch weiss, dass er sich darüber freuen wird. Ich bezahle mit den zerknitterten Dollarscheinen in meiner Jeanstasche und wende mich zum Gehen um, als ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir höre.
„Kaia?" Ich drehe mich um und sage noch eher ich das Gesicht der Stimme sehe: „Kasia eigentlich." Dann verstumme ich, denn ich kenne das Gesicht und um genau zu sein, kenne ich auch die Stimme. Die hatte nämlich vor einiger Zeit meinen Namen lustvoll in mein Ohr gestöhnt. Liam Harrison. Der Barkeeper.

Mein Blick wandert von oben nach unten an ihm entlang und ich ziehe die Augenbrauen hoch, als ich wieder bei seinem Gesicht angelangte. „Du bist Arzt?" Er verzieht seine Lippen zu einem schiefen Grinsen und zupft den Kragen seines Arztkittels zurecht. „Assistenzarzt um genau zu sein."
„Aha", mache ich. Ein leichtes Kribbeln verirrt sich in meinen Bauch, als er da so vor mir steht und ich sein Aftershave riechen kann. „Ich dachte, du bist Barkeeper?"
„Die Bar gehört meinem Cousin. Ich habe ihm an dem Abend nur kurzfristig ausgeholfen, wegen Personalmangel. Und du?", fragt er, „wen besuchst du hier?" Er deutet auf den billigen Blumenstrauss in meiner Hand. Ich hebe ihn hoch. „Ich besuche meinen Stiefvater. Er hatte einen Schlaganfall."
„Das tut mir Leid. Ich hoffe, es geht ihm einigermassen gut?" Ich nicke schulterzuckend. Noch ehe jemand von uns etwas weiteres sagen kann, piept das kleine Gerät in Liams Tasche und er holt es hervor. „Shit", murmelt er. „Ich muss los." Ich winke ab. „Keine Sorge, ich sollte mich auch auf den Weg machen." Ich hebe leicht die Hand und winke ihm kurz zum Abschied, ehe ich mich umdrehe und Anstalten mache, davonzugehen. Doch Liam hält mich erneut zurück. „Ich habe deine Schuhe noch." Die Röte schiesst mir augenblicklich ins Gesicht. Scheisse, wie unangenehm. „Wie wärs, wenn wir uns mal treffen und ich sie dir zurückgebe?" Ich sehe die Hoffnung in seinen Augen. Ehe ich richtig darüber nachdenken kann, habe ich auch schon zugestimtm. „Ja, gerne." Er lächelt mir ein letztes Mal zu, ehe er sich in Richtung Notaufnahme davon macht. Für den Rest des Tages bringe ich das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht.

Lovely DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt