20. Suche

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Su.che
Substantiv, feminin [die]
Vorgang, Tätigkeit des Suchens

Es ist Samstagabend und mir ist sterbenslangweilig. Taylor und Ethan sind im Kino, Harry mit seinen Freunden bowlen und Joanna bei ihrer Familie zuhause, da eine ihrer Schwestern Geburtstag hat. Quinn arbeitet, sie hat eine Spätschicht. Nick habe ich schon vier Mal versucht anzurufen, um ihn dazu zu überreden mit mir etwas zu unternehmen. Ob wir in den Club gehen, einen Film anschauen oder Monopoly spielen ist mir völlig egal. Hauptsache ich verbringe den heutigen Abend nicht alleine.

Ich habe nicht mal Lust zu lesen und das habe ich sonst immer. Ich habe mir bereits mehrere Spiele auf dem Handy runtergeladen. Eines, in dem man verschiedene Items kombinieren muss und eines, in dem man sich um eine Katze kümmern muss. Doch auch die sind mot der Zeit beide langweilig geworden und das liegt nicht nur daran, dass alle zwei Minuten eine Werbung eingeblendet wird.

Einen kurzen Moment lang überlege ich, ob ich meine Staffelei aufstellen, und die letzte Leinwand, die ich noch besitze, bemalen soll. Vorausgesetzt natürlich die alten Farben sind noch nicht vollkommen ausgetrocknet. Doch ich entscheide mich dagegen. Es gab eine Zeit, in der habe ich bestimmt jede Woche zwei Gemälde gestaltet. Von dieser Kreativität, die ich damals besass, fehlt heute jede Spur.

Fest steht: Ich brauche dringend Gesellschaft, Ablenkung, Unterhaltung, was auch immer. Aber ich kann keine Sekunde länger mit meinen Gedanken alleine sein. Diese wandern jetzt nicht mehr nur zu Ethan, sondern neuerdings auch zu Liam. Ganz zu meiner Überraschung. Es ist noch keine Woche her, seit dem ich mich klammheimlich aus seiner Wohnung geschlichen habe. Seit dem haben wir nichts mehr voneinander gehört. Wie auch? In meinen Kontakten ist kein Liam Harrison eingespeichert und ich kann mich auch nicht daran erinnern, ihm meine Nummer gegeben zu haben. Und selbst wenn ich es getan habe, hätte er mich dann nicht angerufen und gefragt, warum ich ohne was zu sagen gegangen bin?

Oder hat er da zu viel reininterpretiert und mein Verschwinden so verstanden, dass ich nichts von ihm hören will und dass es für mich nur ein simpler One Night Stand gewesen ist? Aber ist es das wirklich gewesen? Ich habe eigentlich keine Intention, in jemals wieder zu sehen. Ich habe ja Ethan. Nein. Das stimmt nicht. Ich habe ihn nicht. Taylor hat ihn. Aber, was ich eigentlich meine ist, dass Ethan noch immer existiert und ich nicht so einfach von ihm loslassen kann. Dazu ist mein Herz nicht bereit und ich bin mir auch nicht sicher, ob es jemals dazu bereit sein wird.
Gewissermassen ärgere ich mich darüber. Denn ich war über Ethan hinweg. Das war ich wirklich. Aber nun, da ich wieder zurück bin und wir nicht mehr tausende von Kilometer voneinander entfernt sind, kommen alte Gefühle wieder hoch. Und ich weiss nicht, was ich dagegen tun kann.

Wie dem auch sei. Ich habe trotzdem versucht, Liam Harrison in den sozialen Medien zu finden. Aus reiner Neugier natürlich. Fündig bin ich allerdings nicht geworden. Es ist, als würde er gar nicht existieren.

Ich muss zugeben, dass ihn das für mich viel interessanter und irgendwie auch attraktiver macht. Und da ist es  ganz plötzlich. Das Verlangen Liam Harrison wieder zu sehen. Ich bin selbst überrascht davon, dass neben Ethan noch ein anderer Mann dieses Verlangen in mir auslösen kann.

Ich liege reglos auf meinem Bett mit der neuen dunkelgrünen Bettwäsche und starre an die Decke. Aus langer Weile versuchte ich so lange wie möglich nicht zu blinzeln, was dazu führt, dass meine Augen höllisch zu brennen anfangen. Ich habe auch schon getestet, wie lange ich die Luft anhalten kann. Zweiundvierzig Sekunden.

Ich starte einen zweiten Versuch und bin gerade bei achtunddreissig Sekunden angelangt, als mein Handy klingelt. Sofort setze ich mich auf und strecke den Arm aus, um an mein Handy auf dem Nachttisch zu gelangen. Nicholas Chapman, leuchten mir die Buchstaben auf dem Display entgegen.

Lovely DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt