9. Barbie

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Bar.bie
Substantiv, feminin [die]
Barbiepuppe

Als ich am nächsten Morgen meine dunkelbraunen Augen mühsam öffne, geht es mir wirklich miserabel. Mir ist speiübel, und der stechende Schmerz in meinem Kopf will einfach nicht nachlassen. Es dauert einen Moment bis ich mich aufsetzen kann. Alles um mich herum dreht sich und es fühlt sich so an, als wäre ich seekrank.

Einen Filmriss habe ich allerdings nicht. Ich kann mich an jeden einzelnen Moment von gestern Abend erinnern. An den Typen der mich angemacht hat, an Nick, der mich vor ihm gerettet hat und an Ethan, der meinen Kuss zugelassen hat, ehe er sich urplötzlich aus dem Staub gemacht hat.

Nachdem Nick mich nach Hause begleitet hat, schaffte ich es gerade so noch meine Zähne zu putzen und die Mascara von meinen Wimpern zu entfernen. Obwohl ich todmüde gewesen bin, und meine Füsse geschmerzt haben, fand ich keinen Schlaf. Meine Gedanken wanderten immer wieder zu Ethan. So als würden sie magnetisch von ihm angezogen werden, was natürlich nicht der Fall war. Das Passierte zwischen uns hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Ich hätte mich damit abfinden können, dass er seine Nummer gewechselt hat und ich ihn wahrscheinlich nie mehr wieder sehen würde, doch das ist nach unserem Kuss unmöglich. Das Verlangen ihn wieder zu sehen ist nun umso grösser geworden.

Fieberhaft überlege ich, wie ich ihn in so einer grossen Stadt wie Houston wiederfinden kann. Ich könnte einfach bei seiner WG vorbei gehen und hoffen, dass er da noch immer wohnt, oder ich könnte seine Eltern anrufen und sie nach seiner neuen Nummer fragen. Letztere Idee verwerfe ich aber schnell wieder, da sie mir ziemlich dämlich vorkommt. Was, wenn ich ihm eine Email schreibe? Dass man seine Handynummer ändert, das kann ja schonmal vorkommen, aber wer ändert schon seine Emailadresse?

Ich beschliesse, mich gleich darum zu kümmern, als es an der Zimmertür klopft. "Herein", sage ich schlapp. Die Tür öffnet sich und Joanna tritt ein. Sie zuckt zusammen, als sie mich sieht. "Man, wie siehst du denn aus?", fragt sie überrascht und zieht die Augenbrauen verwundert in die Höhe. Schnell werfe ich einen Blick in den Spiegel. Meine Haare sind zerzaust und es sieht so aus, als hätte sich ein Vogel ein Nest auf meinem Kopf gebaut. Meine Haut glänzt, meine Augen sind glasig. Das mit dem Abschminken hat wohl nicht mehr so gut geklappt, denn ich entdecke Mascarareste unterhalb meiner Augen. Ich seufze.

"Geht's dir gut?" Joanna klingt nun sichtlich besorgt, als sie die Tür vorsichtig hinter sich schliesst und auf mein Fenster zuläuft, um dieses ungefragt zu öffnen. Die frische Luft breitet sich augenblicklich in allen Ecken meines Zimmers aus.  "Geht so", murmle ich, "schätze, ich habe einfach einen Kater." Meine Mitbewohnerin schmunzelt. "Das brauchst du nicht zu sagen, dass sieht man." Dann wird sie wieder ernst. "Wann bist du denn nach Hause gekommen?"

Ich zucke ratlos mit den Schultern. "Keine Ahnung", gebe ich zu. "Quinn hat Nick und mich ins Dungeon geschleppt, so ein Club in irgendeinem ehemaligen Verlies." Sie nickt. "Ja, ich kenne das Dungeon. Da war ich auch schon einige Male. Wusste nicht, dass du auf Techno stehst." Joanna hat sich inzwischen neben mich gesetzt und mir eine Hand auf die Schulter gelegt. "Tue ich eigentlich auch nicht."

"Ich würde vorschlagen, dass du jetzt erstmal eine Dusche nimmst und ich dir in der Zwischenzeit einen Espresso mit einem Schuss Zitronensaft mache. Das ist das wahre Anti-Kater-Wundermittel."

Die Dusche tut mir unheimlich gut und entspannt jeden einzelnen Muskel meines Körpers. Eine Weile stehe ich einafch nur mit geschlossenen Augen da und lasse das heisse Wasser auf mich prasseln. Als ich schliesslich aus der Duschkabine rauskomme, fröstel ich und schlüpfe schnell in meinen hellblauen, kuschligen Bademantel.

In der Küche wartet Joanna bereits mit dem Espresso und einer Banane auf mich. "Hier, iss", fordert sie mich auf und ich gehorche. Danach geht es mir schon viel besser. "Wo ist Harry?", frage ich neugierig. Joanna setzt sich mit einem Glas Wasser mir gegenüber. "Der ist schon auf der Arbeit." Da merke ich, dass ich gar nicht weiss, ob Joanna auch einen Job hat, und wenn ja, wo sie genau arbeitet. Also frage ich danach und sie erzählt mir, dass sie in einem Kino arbeitet, wo sie Eintrittskarten verkauft und Popcorn zubereitet.

Lovely DarlingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt