Brooklyn schließt die Tür seines Zimmers hinter sich, nachdem wir von dem Treppenhaus mit dem Foto mit seinen Geschwistern, die paar Meter in seines gegangen sind. Eine kurze Stille entsteht zwischen uns.
Brooklyn nimmt einen tiefen Atemzug und beginnt zu erzählen.
"Sie war meine Zwillingsschwester. Seit unserer Geburt waren wir unzertrennbar. Egal, was im Leben passiert ist, ich wusste immer, dass ich mich auf sie verlassen kann. Dass wir immer zueinander halten werden, unser ganzen Leben lang."
"Paris", er stockt kurz, als würde es ihm Schmerzen bereiten, ihren Namen zu sagen.
Ich fühle mich wie versteinert und kann nichts tun, außer ihm zuzuhören, weil ich das Gefühl habe, dass diese Erinnerungen kein gutes Ende haben.
"Sie war in gewisser Weise wie du. Es war ihr nie wichtig im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Sie hatte mich und ihre anderen Geschwister und hat sich in ihrer Freizeit am liebsten hinter Büchern verkrochen. Ihr Leben fand mehr in der fiktionalen als in der realen Welt statt. Ich war schon immer das Gegenteil von ihr, aber trotzdem war sie der Mensch, der mich am besten verstanden hat. Mit dem ich lachen, aber gleichzeitig über unsere Sorgen reden konnte. Sie war mein Lieblingsmensch."
Hinter seinen Augen beginnt es verdächtig zu schimmern und sein Blick streift fahrig durch den Raum. Doch ich bin nicht fähig dazu, ihn vom Reden abzuhalten.
"Aber dann - vor etwa einen Jahr ist sie bei Regen mit dem Auto in die Bibliothek gefahren, um sich ihr Lieblingsbuch auszuleihen, das an diesem Tag wieder dort verfügbar geworden ist. Ich habe mir keine Sorgen um sie gemacht, denn sie war ein verantwortungsbewusster Mensch und ich wusste, dass sie gut auf sich selbst aufpassen konnte."
Wieder stockt er kurz, bevor er schließlich weiterspricht. "Eine halbe Stunde später hat die Polizei bei uns geklingelt. Autounfall. Ihr Wagen ist ins Schlittern gekommen und gegen einen Straßenposten gekracht. Paris war bereits tot, als sie bei ihr ankamen. Es ist so eine typische Todesursache und trotzdem war ich so naiv zu glauben, ihr würde so etwas niemals passieren. Aber man lernt wohl immer erst daraus, wenn es schon zu spät ist."
Nun kann Brooklyn seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Er ist wie mit seinen Gedanken in der Vergangenheit.
"Ich konnte es ihnen nicht glauben. Es hätte nicht passieren dürfen. Ich hätte sie davor beschützen sollen. Aber woher sollte ich denn wissen, dass der Mensch, von dem ich dachte, mein restliches Leben verbringen zu können, von einen Moment auf den anderen, nicht mehr am leben ist."
Er wischt sie wütend die laufenden Tränen aus dem Gesicht, bevor er mich, mit einer endlosen Traurigkeit in den Augen, anblickt.
"Ich will sie doch nur noch ein einziges Mal sehen. Ein Mal. Bevor sie für immer verschwindet."
Es macht mich fertig, dass ich nichts tun kann, um ihm dieses Gefühl nicht mehr spüren zu lassen.
Ich könnte ihm sagen, wie leid mir das tut, doch keine Worte würden etwas daran ändern, dass er den Menschen, den er am meisten geliebt hat und es auch jetzt noch tut, verloren hat.
Also gehe ich einen Schritt auf ihn zu und lege meine Arme um ihn. Eine Umarmung kann den Schmerz vielleicht etwas erträglicher machen.
Brooklyns Versuch seine Gefühle zurückzuhalten, funktioniert nicht mehr. Ich spüre, wie ein Fluss aus Tränen auf meine Schulter tropft und seine Welt für ein weiteres Mal durch Erinnerungen zusammenbricht.
Während alles, was ich tun kann ist, ihn zu halten, damit er nicht mit ihnen auseinander fällt.
Ich weiß nicht, wie lange wir so dastehen. Aber nach einer Zeit geht Brooklyns Atem wieder regelmäßig und irgendwann sind seine Tränen versiegt, die zwei nasse Flecken auf seinem schwarzen Pulli zurücklassen, den ich gerade trage.
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Show Me Life
Teen Fiction"𝘐𝘤𝘩 𝘸𝘦𝘵𝘵𝘦 𝘮𝘪𝘵 𝘥𝘪𝘳, 𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘥𝘶 𝘦𝘴 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘴𝘤𝘩𝘢𝘧𝘧𝘴𝘵, 𝘮𝘦𝘪𝘯 𝘗𝘳𝘰𝘨𝘳𝘢𝘮𝘮 𝘥𝘳𝘦𝘪 𝘔𝘰𝘯𝘢𝘵𝘦 𝘭𝘢𝘯𝘨 𝘥𝘶𝘳𝘤𝘩𝘻𝘶𝘻𝘪𝘦𝘩𝘦𝘯." "𝘋𝘶 𝘸𝘦𝘪𝘴𝘴𝘵 𝘢𝘣𝘦𝘳 𝘴𝘤𝘩𝘰𝘯, 𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘪𝘤𝘩 𝘣𝘪𝘴 𝘫𝘦𝘵𝘻𝘵 𝘢𝘭𝘭�...