12 | "3,2,1"

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Mit strammen Schritt laufe ich quer durch den Bibliotheksraum. Zumindest laufe ich schnell, während Brooklyn locker, flockig hinterher kommt.

"Ähm, wohin gehen wir?"

"Da wir kein Google nutzen können, müssen wir auf die altertümliche Art nach etwas suchen, was uns hilft, die Gleichung zu lösen. Nämlich ein... Mathelexikon. Die stehen dort hinten." Ich deute auf ein Buchregal in der Abteilung 'Lernen'.

"Aha."

Brooklyn legt nun auch einen strammen Schritt ein, aber da seine Beine viel länger sind als meine, ist er logischerweise auch schneller als ich. "Brooklyn! Warte!", zische ich möglichst leise. Ich will hier ja kein Aufsehen erregen.

"Little El, kommst du dann endlich. Ich warte hier schon seit Jahrzehnten" Lässig lehnt er an dem Bücherregal. "Ach Brookylein", ich brauche auch endlich einen Namen für ihn, denn mit seinem für mich bringt er mich jedes mal auf die Palme.

"Jetzt stehst du schon so lange da, hast aber immer noch nicht das richtige Buch gefunden. Aber zum Glück hast du mich." Ich stelle mich kurz auf die Zehenspitzen und greife nach einem dicken Lexikon über Brooklyns Schulter, das ich auf dem Weg zu ihm mit meinen Augen fixiert habe.

Er schnaubt kurz, während mein inneres Ich einen Freudentanz veranstaltet. Tja, er sollte sich besser nicht mit mir anlegen.

"Du wusstest bestimmt schon davor, wo das Buch ist," versucht Brooklyn sich aus seiner Niederlage rauszureden. Jetzt bin ich es, die genervt schnaubt. "Ob du es glaubst oder nicht, ich bin zum ersten Mal hier. Du kannst es nur nicht akzeptieren zu verlieren, weil es an deinem Ego kratzt, dass ich, die Person mit den kürzesten Beinen, die du kennst, vor dir dort war."

"Das warst du zwar diesmal, aber wir werden noch sehen, wer es das nächste Mal zuerst findet." Er stößt sich von dem Regal ab und kommt in meine Richtung.

"Warte, was?" Über was zur Hölle redet er da?

"Die nächste Rubrik ist 'Horror'. Wir müssen ein Buch von Stephen King finden." Urg. Ich hasse Horror Bücher. Während dem Lesen geht es noch, aber in der Nacht zeigen sich die Auswirkungen. Bei jedem noch so kleinen Geräusch bilde ich mir ein, einen Kidnapper oder ähnliches zu hören.

"Die einzige Regel ist, dass niemand rennen darf. Ich warne dich, wehe du schummelst wieder."

"Man Brooklyn, ich", setze ich an, werde jedoch von ihm unterbrochen. "Es geht los in 3" "Brooklyn, wir werden das ganz sicher nicht..." Dieser zählt unnachgiebig weiter. "2"

Was soll ich jetzt machen?

Entweder ich bleibe einfach hier stehen, weil das eine dumme Idee ist in einer Bibliothek zu einem Buch zu rennen. Oder ich mache mit. Denn so einfach will ich ihn nicht gewinnen lassen.

"1" Brooklyn nimmt eine Position ein, die man fürs Sprinten verwendet, während ich hier noch mit dem Buch in der Hand dumm in der Gegend herumstehe.

Deshalb stelle ich dieses, natürlich achtsam, auf den Teppichboden, es soll schließlich nicht kaputt gehen. Ich stehe in dem Moment neben Brooklyn, als dieser "Los!" sagt. Und ab geht die Post.

Mit möglichst großen und schnellen Schritten laufe ich los. Nach ein paar Metern drehe ich mich um und erwarte Brooklyn hinter mir zu hören. Selbst wenn ich am Anfang so schnell war, dass ich einen knappen Vorsprung hätte, sollte er spätestens jetzt bei mir in Sichtweite sein. Doch das ist er nicht.

Denn zu meiner Verwunderung läuft er in die entgegengesetzte Richtung wie ich. Hmm seltsam, er will anscheinend unbedingt verlieren. Ich zucke nur kurz mit den Schultern und laufe dann weiter. Wenn er das so sehr will, habe ich nichts dagegen.

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