Kapitel 16

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Wir liegen im Bett. Seine Hand hat mich umschlungen und zieht mich nahe an seinen Oberkörper. Das Gefühl von Geborgen und Sicherheit macht sich in mir breit. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken, der mir Gänsehaut verschafft. Bitte lass das kein Traum sein. Als ich mich in seinem Arm zu ihm umdrehe, sehe ich nur die smaragdgrünen Augen, der Rest ist verschwommen. Sie schauen mich mit so einer Liebe an, dass ich fast schon daran Zweifel dass es real sein kann.
„Ich liebe dich", flüstere ich ganz leise, als wäre ich mir selber noch nicht sicher, ob es wirklich so ist. Im verschwommenen kann ich eine hochgezogene, fragende Augenbraue bemerken.
Ich nehme also nochmal all meinen Mut zusammen und spreche laut aus, was ich innerlich fühle. „Ich liebe Dich..."
Nathe schmunzelt und streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „ Sag es noch einmal."
„Ich liebe dich!" wiederhole ich mich selbstbewusster.
Seine Hand fährt unter mein T-Shirt den Rücken hoch. Die Liebe in seinen Augen ist verschwunden.
Jetzt brennt verlangen in ihnen.
„Ich will mit dir spielen, Caitlin!"

„Cat...Cat, steh auf!"
Unsanft werde ich angepackt und wachgerüttelt.
„Cat!", schimpft die Stimme weiter auf mich ein.
Mit einem lauten Platsch landet ein eiskalter Waschlappen in meinem Gesicht. Sofort bin ich hell wach.
Nathan steht schon angezogen mit Rucksack und Schuhen in meinem Zimmer.
„Hast du sie noch alle?", fahre ich ihn an und werfe den Lappen in seine Richtung. Ohne großen Erfolg.
„Lern mal zielen.", beschwert er sich. „Komm, es ist 7:45Uhr."
Panisch werfe ich ein Blick auf meinen Wecker. In 15 Minuten beginnt die Schule.
„Fuck!"
Ich springe aus dem Bett, schnappe mir ein paar Kleider und renne ins Bad. Kaum sehe ich mich im Spiegel, bereu ich, dass ich so spät ins Bett gegangen bin. Meine Augenringe sind mindestens genauso sichtbar wie seine. Schnell ziehe ich mich an, putze meine Zähne und stecke meine Haare in einen unordentlichen Dutt. Als ich aus dem Bad rauskomme, hält Nathe schon meinen Rucksack parat.
„Du sieht gut aus!", stellt er fest.
Pissig reiße ich ihm den Rucksack aus der Hand: „Spar die die Kommentare"
„Ist da jemand ein Morgenmuffel?"
Boar, er kann es echt nicht lassen. Nicht drauf eingehen. Meine Priorität liegt darauf, so pünktlich wie möglich zu kommen und ihn zu ignorieren.
Warum hast du mich nicht früher geweckt?", ärgere ich mich als ich meine Schuhe und die Jacke anziehe.
„Bin ich dein Babysitter?"
„Das hat gar nichts damit zu tun sondern was mit mitdenken!", motze ich ihn weiter an, obwohl ich eigentlich weiß, dass es meine Schuld ist. Aber eigentlich hatte ich in Erinnerung, gestern Abend noch meinen Wecker auf 6:30 Uhr gestellt zu haben... oder war das auch in meinem Traum?
„Noch so ein Satz und du läufst gleich!", knurrt er und schnappt sich einen Schlüssel aus der weißen Schale neben dem Garderobenschrank.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich alle Busse verpasst habe die noch pünktlich um 8:00 Uhr zur Schule fahren. Also werde ich wohl oder übel bei Nathe mitfahren müssen.
„Nimm den Helm von Sally mit."
Seit wann braucht man einen Helm zum Auto fahren? Wie schlimm fährt er denn bitte?
Aber ich habe keine Lust noch weiter zu streiten, deswegen mache ich ausnahmsweise mal was er sagt und laufe ihm nach, die Treppe runter in den Keller zu Garage. Aber statt sich einen der Autos zu nehmen, schiebt er ein Motorrad vor.
„Vergiss es. Da bekommt mich keiner drauf!", stelle ich gleich fest. Diese Dinger sind gefährlich. Total unsicher und ungeschützt. Da brauch man nicht nur ein Helm sondern gleich einen Ganzkörperschutzanzug. Wie oft mir Papa schon schlimme Fälle aus dem Krankenhaus wegen einem Motorradunfall berichtet hat, kann ich gar nicht an zwei Händen abzählen.
„Wenn du unbedingt laufen willst..."
Nathe steigt auf und lässt das Monsterteil anspringen. Er zieht den Helm über seine Haare und macht seine Jacke zu, bevor er mir einen letzten Blick zu wirft. Jetzt oder nie. Was habe ich für eine andere Wahl? Auf den nächsten Bus warte ich zu lange, wir sind eh schon zu spät und schlecht gelaunt bin ich auch schon. Wenn ich jetzt noch zu spät zum Unterricht komme, verbessert das meine Laune definitiv nicht.
Ich nehme all meinen Mut zusammen, atme einmal tief durch und zieh den Helm auf, wobei ein Dutt sich als sehr unbequeme Frisur erweist.
„Festhalten", ruft er durch den Motorenlärm als ich mich draufzwinge, bevor er Gas gibt und ich gerade noch so meine Hände um seine Hüften schwingen kann.
Arsch!
Während der Fahrt überlege ich innig, ob Nathe mich absichtlich nicht geweckt hat, oder sogar meinen Wecker ausgestellt hat, damit ich heute mit ihm zur Schule fahren muss. Damit ich vielleicht nicht mehr all zu sauer bin auf ihn. Oder er wieder mal einen Gefallen von mir fordern kann. Aber so schnell der Gedanke kommt, verwerfe ich ihn auch wieder. Ihm macht es sicher nichts aus, dass ich sauer auf ihn bin. Vielleicht genießt er das ganze auch noch, weil er denkt, so wird er mich schneller los.
Ohhh Man, ich will einfach nur den Nathe aus meinem Traum zurück. Mit den Liebenden Augen. Okay okay, Cat, komm mal wieder auf deine Gefühle klar. In Wirklichkeit ist er rücksichtslos, kalt und ein riesiger Egoist. Liebe hat gar keinen Platz neben seinem Ego.
Innerhalb von 5 Minuten haben wir es zur Schule geschafft, rote Ampeln und Fußgänger hat Nathe komplett übersehen. Etwas zitterig steige ich ab, drücke ihm meinen Helm in die Hand und laufe ohne ein Danke ins Schulgebäude.
Mit einem leisen „Sorry", quetsche ich mich durch die Türe ins Klassenzimmer und setze mich neben Feli.
„Was muss passiert sein, damit DU zu spät zum Unterricht kommst? Du siehst aus, als hättest du die halbe Nacht durchgemacht!", die Augen meiner besten Freundin fallen ihr fast aus dem kleinen Kopf.
„Nathe und ich haben verschlafen."
„Nathe und Du...?", hakt sie flüsternd nach, aber ich schüttele sofort den Kopf.
„Nein! Oh Gott, wir haben nicht zusammen geschlafen, nur beide verschlafen. War ein langer Abend."
„Haben meine Eltern auch gesagt."
Überrascht schaue ich meine beste Freundin an. „Deine Eltern waren da?"
Sie nickt. „Ja, aber sie wollten mich nicht mitnehmen. Sie meinten, es wird eh langweilig und ich war mir nicht sicher, ob du überhaupt da bist. Und bevor ich mich mit Nathan oder Vanessa unterhalten muss, hab ich den Abend auf der Couch bevorzugt." Feli wirft mir einen wissenden Blick zu. „Aber ich hab gehört, er war gar nicht so langweilig. Zumindest nicht für dich."
Geschockt zieht sich alles in mir zusammen. „Steht es etwa schon in de Zeitung?"
Sie schmunzelt. „Beruhig dich, Robin Hood, die Stimme für die Armen. Meine Eltern haben mir davon erzählt, ich soll dich endlich mal einladen zu uns."
„....aber nur wenn die zwei Tuscheltanten in der 2. Reihe auch mal ihr Geschnatter aufhören könnten!", mischt sich Mrs. Peterson empört in unser Gespräch ein.
Ich schenke ihr ein entschuldigendes Lächeln und richte meinen Blick an die Tafel.

5 Stunden Unterricht können sich anfühlen wie 2 Wochen. Die Zeit scheint heute nicht auf meiner Seite zu sein. Zumindest gibt es in der Mensa Grillgemüse, Rindfleisch mit Reis und Salatbüfett. Alles wie immer wunderschön angerichtet.
„Ich würde dich echt gerne was über Mathe fragen, aber du siehst so fertig aus.", beginnt Feli unser Gespräch und knabbert  an einer Paprika. „War es so schlimm gestern Abend?"
„Das kannst du laut sagen... Sally hat mich alleine gelassen und ist zu einer Freundin geflogen. Nathe hat mir ein völlig unpassendes Kleid ausgesucht, dann war noch die Gala, ich musste mich mit Vanessa anlegen und Nathe hat sich als verdammter Lügner rausgestellt, dann haben wir uns in die Haare bekommen und ich bin beleidigt ins Bett gefallen."
Ihre Kaugeräusche stoppen und sie starrt mich mit ihren großen Augen an: „Du hast mit ihm gestritten?"
„Oh Gott nein. Der Penner hat mir nur klar gemacht, wie gerne er mich hat", entrüste ich mich voller Ironie.
„Das ist halt Nathe, der tut immer einen auf abweisend, auch wenn er einen eigentlich mag."
Ja klar. Eigentlich mag er mich, aber er will mich einfach zu gerne loswerden. Voll Logisch. Gerade, weil er mich so gerne mag. Warte mal.....Kann das wirklich sein? Das er merkt, dass er echte Gefühle für mich empfindet? Und das ist ihm so fremd, dass er alles versucht um mich loszuwerden um sich seine Gefühle nicht einstehen zu müssen?
„Alles klar, Mrs. Ich-bin-nachdenklich.", reißt meine beste Freundin mich aus meinen Gedanken. „Aber Musik wird sicherlich gleich etwas komisch, wenn das noch zwischen euch steht und ihr jetzt miteinander arbeiten solltet..."
Oh Gott, ich hab ja dieses blöde Projekt zwischen 11 und 12 Klässlern total verdrängt.
Oh Herr, bitte lass mich heute einen neuen Partner in Musik haben. Oder mach mich krank.
Ich seufze laut auf. „Ich hab wirklich keine Lust auf dieses blöde Musikprojekt."
Feli rührt mit ihrem Löffel in ihrem Nachtisch herum. „Ich auch nicht."
„Du kannst wenigstens mit Brent zusammen arbeiten. Nathe hat mich letztes Mal nicht mal von der Seite angeschaut. Und dann hat er noch so mega arrogant auf mein halbleeres Blatt geschaut, bevor er gegangen ist und sich wahrscheinlich innerlich totgelacht."
„Aber jetzt wohnt ihr zusammen, heute wird sicher besser als letztes Mal.", versucht Feli mich zu trösten bevor sie das Thema wechselt „Hast du übrigens das neuste Bild auf dem Magazin von Modelstar gesehen?"
Ich tippe mal, das ist das Bild mit der Schlange und dem halbnackten Nathe. Ich nicke langsam und stochere in meinem Essen rum. Das wir jetzt gleich zusammen Musik haben, verdirbt mir echt den Appetit.
„Junge junge, wie kann man sich nur so vor der Welt präsentieren.", lästert Feli weiter über Ivonas Firma während sie auf Instagram die Modelstar aufgesucht hat und skeptisch den neusten Post mustert. Jetzt wo ich das Bild zum zweiten Mal sehe, läuft es mir kalt den Rücken runter wie fremd dieser Junge auf dem Handy mir doch ist. Kalt, unnahbar und gefährlich. 
„Ich dachte, du schwärmst für Silver ?", hacke ich bei ihr nach.
Sie zuckt mir den Schultern. „Wer will schon einen Freund, den die ganze Schule am liebsten Ausziehen würde? Da hab ich immer Angst, das ich nicht gut genug für ihn bin, dass er mich betrügt oder nur benutzt. Glaub mir Cat, unser Versprechen, sich niemals in einen hier zu verlieben ist überlebenswichtig."

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