Immer mehr Menschen fließen in die Eingangshalle und werden von dem Silver-Paar freundlich begrüßt. Da ich noch vor meinem Zimmer stehe, kann ich mir nur bildlich vorstellen, wie schick und elegant alle gekleidet sind. Ich bin mit meinem Nerven so gut wie am Ende, meine Nervosität steigt stetig. Viele Menschen auf einem Haufen versetzen mich in Platzangst, ich bin nicht gut darin neue Menschen kennenzulernen, schon gar nicht arrogante, egoistische Richpeople. Aber was mich am meisten stresst ist, dass ich mit Nathan zusammen auftreten werde. Und, dass ich auf den silbernen, hohen Absatzschuhen nicht laufen kann, obwohl ich gerade zwei Stunden in meinem Zimmer geübt habe.
Aufgeregt straffe ich das Kleid an meinem Bauch und taste meinen Nacken ab, ob bei meiner Hochsteckfrisur ein paar Haare rebellieren.
Alles gut, Cat. Die Frisur sitzt. Das Kleid auch. Du bist die letzten 5 Male beim laufen üben nicht umgeknickt und siehst super heiß aus. Du wirst unter den vielen Menschen niemandem besonders auffallen.
Lockige Haare erscheinen am Treppenansatz. Nathe schlendert mit den Händen in den Hosentaschen lustlos die Treppe hoch. Er trägt eine schwarze Anzugshose und ein schwarzes Hemd, das ein klein wenig zu Eng zu sein scheint und somit seine Arm und Brustmuskeln betont. Die ersten zwei Knöpfe sind offen, sodass seine silberne Kreuzkette zum Vorschein kommt, die mit den Ringen an den Fingern und der silbernen Schlangengürtelschnalle harmoniert. Den Gefallen an dieser Farbe muss er von Sally abgeschaut haben.
Mein Herz macht einen kleinen Satz als er auf mich zukommt. Ich kann leider nicht leugnen, dass sein Erscheinungsbild sehr gut aussieht.
„Klappe zu, du sabberst.", schmunzelt er mich an, als er bemerkt, wie ich ihn anstarre.
Oh man. Mund zu. Augenbrauen nach oben ziehen und ihn genauso arrogant anschauen, wie er mich.
„So gefällst du mir Swany. Ich hatte gerade schon Angst, die provokante Caitlin ist auf dem Weg sich zu verlieben."
Ich hacke mich an seiner Seite ein: „Wie wenn man sich in einen gefühllosen Arsch verlieben könnte."
„Also ich steh auf Ärsche", flüstert er mir mit rauer Stimme zu als wir die Treppe herunter laufen und schaut hinter mich.
„Du bist widerlich!", erwidere ich empört und will mich gerade aus seinem eingehackten Arm entziehen, als mein Blick auf die Veranstaltung fällt und mich beinahe umhaut.
Etwa 100 Menschen stehen quatschend beieinander mit Sektgläsern oder kleinen Häppchen die es am Buffet gibt. Überall laufen Kameraleute umher und versuchen die Augenblicke einzufangen.
Aber alle sind SCHWARZ-WEIß angezogen. Das einzige Rote was heraussticht, ist die Deko und... ich.
Ich würde am liebsten die Treppe wieder hoch in mein Zimmer rennen, wenn sich nicht so viele Augenpaare auf uns richten würden. Ohne jegliche Kontrolle lasse ich mich von Nathe die Treppe runterziehen und werde mit einem Blitzregen von Kameras begrüßt.
Dieser Arsch. Dieser verdammte Arsch. Er hat es gewusst. Er hat das alles gewusst. Und geplant. Er will mich von hier vertreiben. Er will mich bloßstellen damit ich vor allen wie eine Idiotin dastehe und dann freiwillig verschwinde.
Wütend versuche ich erneut ihm meinen Arm zu entziehen aber er ist stärker.
Durch das Mikrophon bittet Victor die Paparazzi beiseite zu treten und uns durchzulassen zur Bühne. Ich kann jeden einzelnen Blick der Gäste auf mir spüren und würde am liebsten tief in den Erdboden versinken. Das kann nur ein schlechter Traum sein. Wach auf, wach auf, schreie ich die Stimme in meinem Kopf an. Aber ich wache nicht auf, weil das hier kein Traum ist sondern ein wahrgewordener Alptraum. Ich lasse mich auf eine Bühne ziehen, mitten in einer Villa vor über 100 fremden Leuten und mindestens 20 Paparazzi.
Wie konnte ich nur denken, dass er mit mir auf diese Gala geht ohne Hintergedanken.
Ich kann mich bei der Rede von Mr. Silver nicht auf ein einziges Wort konzentrieren, sondern stehe immer noch wie in Schockstarre neben Nathe.
„... und in diesem Sinne möchte ich Ihnen Caitlin Swan vorstellen!"
Der Herr des Hauses bringen mich mit diesem Satz zurück in die Realität, in der ich gerade nicht sein möchte.
„ Caitlin kommt aus dem Kohleviertel unserer Stadt und sie hat es durch ein Stipendium und ausgezeichnete Noten geschafft auf die Highschool for Medicin zu gehen. Meine Frau und ich haben ihr angeboten bei uns zu wohnen, bis sie ihren Abschluss hat, um ihre Familie finanziell zu entlasten und sie gleichzeitig zu fördern."
Ein anerkennender Applaus belebt die Halle und wieder einmal liegen alle Blicke auf mir.
War das der Grund, warum mir Nathe nichts von dem schwarz-weißen Dresscode gesagt hat? Damit jeder weiß, dass ich nicht zu ihnen gehöre? Zu den Reichen und Schönen? Damit jeder sehen kann, wie großzügig doch die Silvers sind? Benutzen sie mich nur für gute Schlagzeilen und ein höheres Ansehen?
Meine Wut sammelt sich rasant im Bauch und ehe ich Herr über mich selbst sein kann gehe mit schnellen aber bestimmten Schritten zum Podium. Niemand macht den Versuch mich nicht mal aufzuhalten. Selbst Mr. Silver kann seine Überraschung nicht hinter einem Pokerface verbergen.
Langsam bin ich es gewohnt, dass alle Augen auf mich gerichtet sind, aber, dass ich diese anschauen muss, ist etwas Neues. Wäre ich nicht wütend, würde ich vor Aufregung zittern wie Espenlaub.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mr. Silver." Ich nicke ihm kurz zu. „Es freut mich, dass ich die Erlaubnis habe auch ein paar Worte an Sie richten zu dürfen. Victor, vielen Dank für die einleitenden Worte." Mr. Silvers verwirrtem Lächeln weiche ich aus und fahre unbeirrt fort: „Generell muss ich ihnen für das Danken, was sie mir ermöglichen. Meine Damen und Herren, wie sie vielleicht sehen, trage ich heute eine Farbe wie niemand sonst auf diesem Fest. Weil ich nicht hier her gehöre, hier nicht reinpasse. Aber, jemandem wie mir hat diese Familie die Chance gegeben ihre Träume zu ermöglichen. Ich weiß wie es ist in den Slums aufzuwachsen, ohne viel Hoffnung auf ein erfolgreiches Leben. Jeden Tag verschwinden Kindern an Straßenecken, viele leiden Hunger und manche, so wie ich, Träumen groß, ohne Hoffnung. Meine Damen und Herren, wenn sie die Möglichkeit und den guten Willen haben, diesen Menschen, diesen Kindern auch ihren Traum zu ermöglichen, dann wären die Slums ein besserer Ort." Ich mache kurz eine Pause, um zu realisieren, was genau ich hier gerade mache. Aber zu viel Adrenalin schießt durch meinen Körper. Also fahre ich fort: „Ich trage heute etwas Rotes. Aber ich trage dennoch die selbe Kleidung wie ihr alle. Weil wir alle gleich sind. Egal welche Farben wir an oder in uns tragen. Egal woher wir kommen. Wir sollten uns gegenseitig helfen. Für den Fortschritt der Welt. Für eine bessere Welt."
Ein tosender Applaus mit strahlenden Gesichtern und Rufen wirbelt durch den Raum. Die Blicke, die mich skeptisch gemustert haben strahlen vor Begeisterung. Am Glücklichsten strahlt Berta in ihrer Schürze am Kücheneingang. Ihr Gesicht erleuchtet den Raum. Für sie und für mich habe ich gesprochen. Und es hat Wurzeln geschlagen.
Mr. Silver bedankt sich noch einmal bei allen und verkündet die Eröffnung des Buffets.
Als ich von der Bühne runter will, bedrängen mich auf der Treppe schon die Kameras und Reporter. Ich weiß gar nicht wie ich reagieren soll, in so einer Situation war ich noch nie. Instinktiv weiche ich zurück.
„Miss Swan, wie ist es in einer Welt wie dieser nun zu Leben?"
„Möchten sie jemals wieder zurück?"
„Was denken sie wird finanziell Nötig sein um etwas in dem Kohleviertel zu verändern?"
Völlig benommen und geblendet bleibe ich stehen, unfähig auf all diese Fragen zu antworten, als sich eine Hand um meine Taille legt und ich an einen Körper gezogen werde, der mich durch die Menge der Reporter durchschiebt.
„Miss Swan ist heute nicht bereit für ein Interview. Lassen sie uns durch."
Mit ausgestreckter Hand bahnt Nathe sich einen Weg durch die Fotoblitze und plappernden Menschen als würde er das tagtäglich machen. Er zieht mich durch die Menschenmasse nach draußen auf die Terasse. Die frische Luft kann ich gut gebrauchen da mir jetzt erst bewusste wird, dass ich gerade vor mehr als 100 erfolgreichen Leuten gesprochen. Über das Anliegen, was mir seit Jahren auf dem Herzen liegt. Und auch noch ohne zu stottern oder mich zu verplappern.
„Lief doch gut."
Danke! Ich weiß! Warte... auf dich bin ich sauer!
Wütend schaue ich Nathe an, der sich ohne mir weiter Beachtung zu schenken eine Zigarette anzündet. Auf der Terasse sind wir so gut wie alleine, da sich alle auf das Essen stürzen. Ich könnte ihn jetzt anschreien und fertig machen. Aber als ich sein Tagebuch gelesen habe, ist er auch ganz ruhig geblieben, da sollte ich fair bleiben. Wie du mir, so ich dir.
„Was?", frage ich mit einem leicht wütenden Unterton.
„Deine Rede. Du hast recht. Du passt nicht hier her.", sagt er ruhig und vergräbt sein Feuerzeug in der Anzughose.
„Ernsthaft Silver! Willst du schon wieder damit anfangen?", motze ich ihn genervt an und bin bereit mich zurück freiwillig zu den Reportern zu begeben um nicht wieder dieses Gespräch führen zu müssen.
„Was denkst du, warum ich dir das rote Kleid ausgesucht habe?"
Sofort bleib ich stehen. Meine erste Vermutung war, weil er mich bloßstellen wollte, meine Zweite, vor allem mir zeigen, dass ich hier nicht hingehöre, meine dritte, er hat es einfach vergessen zu erwähnen und meine Vierte ist...
„Du wusstest, dass ich so reagiere.", kommt es mir plötzlich in den Sinn. Überrascht drehe ich mich zu ihm um. Sein arrogantes Grinsen kann er nicht verstecken. „Du wusstest genau, dass ich ausrasten werde."
„Du bist halt ziemlich berechenbar, Swany"
Okay, nein, dieser Spitzname geht gar nicht. Und das schon zum zweiten Mal heute Abend. Aber ich will jetzt nicht an ihm rummeckern, er hat mir die Chance meines Lebens ermöglicht. Die Chance für viele Ghettobewohner. Die Chance, reichen Schnöseln zu zeigen, in was sie ihr Geld reinstecken können.
„Der Bürgermeister war anwesend, der Bank -und der Pressedirektor. Außerdem noch 90 weitere Personen mit Schwimmbädern voll Geld und Einfluss."
Es gibt also Hoffnung. Er ist vielleicht doch kein kompletter Arsch. Nur ein kleiner, vielleicht.
„Du hättest mich wenigstens vorwarnen können!" Immer noch etwas beleidigt verschränke ich die Arme.
Nathe beginnt arrogant zu Lächeln. „Wo wäre denn dann der Spaß für mich geblieben."
„Alter, wie kann man eigentlich so arrogant sein!"
„So ne Stunde nehm ich mir da schon jeden Tag."
„Vielleicht schickst du mir mal ein Trainingsplan dafür rüber. Das kann die Lösung für mich sein. Ich werde einfach ein arrogantes Arschloch das nichts fühlt."
Nathes Augen färben sich dunkel.
„Wie kommst du darauf, dass ich nichts fühle?"
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An deiner Seite
Romance„Du schuldest mir einen Gefallen." Verständnislos lache ich auf: „Man kann sich also nicht mal mehr untereinander helfen, ohne einen Hintergedanken zu haben?!" Nathan Silver kommt schmunzelnd auf mich zu und raunt mir mit rauer Stimme ins Ohr „Willk...