„Hey Dad... Caitlin und ich wurden entführt. Damit du uns wieder bekommst sollst du 80.000$ als Lösegeld mitbringen. Am Dienstag, um 23:11 Uhr an der alten Eiche der Slums, Northside. Wenn nicht, töten sie uns! " In Nathes Gesicht ist keine Spur von Angst zu sehen. Er redet so monoton, dass man meinen könnte, er erzählt ein langweiliges Gedicht. Richi drückt auf einen Knopf.
„Ja...nein, Nathan, dein Dady wird dir kein Wort glauben. Die Träne und der Kratzer sind echt gut, aber irgendwie fehlt mir dein Schauspielerisches Talent, Angst zu zeigen." Er wirft einen Blick zu mir. „Planänderung. Bindet sie neben ihn."
Eh ich mich versehen kann, sitze ich mit Stricken gefesselt neben Nathe. Und wieder einmal bekomme ich einen entschuldigenden Blick von ihm ab. Wieder einmal bringt er mich in eine ungünstige Situation. Den Blick kannst du dir sparen.
Nathe wird von Breitschulter geknebelt, und das Messer, dass noch Blutspuren meines Schnittes enthält legt sich an Nathes Kehle. Ich brauch meine Angst gar nicht zu spielen, sie ist real.
„Mach mich stolz, Süße." Richi zeigt mir seine vergelbten Zähne. Bei dem Kosennamen könnte ich im Strahl kotzen. Aber um Nathes und meinetwillen reiße ich mich zusammen. „Und füg noch hinzu, dass bei verspäteter Ankunft des Geldes ich auf 100.000$ aufschlage und einer von euch beiden dann nicht mehr leben wird."
Nathes Augen weiten sich, bevor er mit aller Kraft sich vom Boden abdrückt und den Stuhl mitsamt ihm auf dem Boden krachen. Sein Fluchtversuch geht allerdings nach hinten los, da der Stuhl nicht zerbricht und mit wenigen Handgriffen Richis Männer ihn zurück auf die vier Beine stellen. Ich dachte, der Blick an seinen Vater wäre Nathes todesblick, aber dieser Blick an Richie erreicht ein neues Level.
„Du bist mir noch viel zu aktiv, Nathielein."
Auf ein Nicken von ihm, stellt sich Breitschulter vor Nathe und schlägt auf sein Gesicht ein.
Ich erstarre in diesem Moment zu Stein. Die Situation ist ausweglos. Ob Mr. Silver das Geld in der kurzen Zeit aufgetrieben bekommt ist ungewiss. Und dass ich die erste sein wird, die stirbt, braucht mir keiner zu erzählen. Die 100.000§ Aufschlag würde Victor sicher nicht für mich zahlen...
Richi drückt auf den Aufnahmeknopf der Kamera.
„Genug Henry!", pfeift er seinen Handlanger zurück und nickt mir zu. Nathe scheint das Bewusstsein verloren zu haben, dennoch stellt sich Breitschulter Henry hinter ihm, zieht seinen Kopf an den Haaren zurück und setzt das Messer erneut an der Kehle an.
„Victor, Nathe und ich sind in eine Entführung reingeraten." Ich räuspere mich, um das unsichere Zittern zu überspielen. „Sie verlangen 80.000$, dass du am Dienstag um 23:11 Uhr an die alte Northside Eiche bringen sollst."Ich versuche die aufsteigenden Tränen zu verdrängen, scheitere allerdings kläglich. „Kommst du zu spät, werden sie einen von uns umbringen und das Lösegeld auf 100.000§ erhöhen..."
Zufrieden drückt Richi auf den Knopf und klatscht in die Hände.
„Na geht doch! Eure Arbeit ist getan. Hoffen wir, dass Dady schnell antwortet. In den Stall mit ihnen. Kai, kümmer dich um ihren Arm."Die Kornflakes sind so eingeweicht, dass sie mir auf der Zunge zergehen. Aber so richtig Hunger hab ich nicht, ich versuche mich eher zu beschäftigen.
„Du hättest das Video nicht drehen dürfen." Nathe sitzt an der Steinwand, seine Hände sind wieder direkt an den Stahlring angeschlossen. Wäre er nicht so weit weg, hätte ich ihm was von meinem Frühstück abgegeben. Aber wenn er jetzt schon mit solchen Vorwürfen kommt, bekommt er von mir gar nichts, außer eine genervte Caitlin.
„Und was hätte ich machen sollen? Du hattest ein Messer an der Kehle, Nathan!"
„Oh man Cait, glaubst du wirklich sie hätten mich umgebracht wenn du nichts gesagt hättest?" wütend verdreht er die Augen.
„Er hätte dich verletzt.", werfe ich ein. „Und ich gehe im Gegensatz zu dir nicht das Risiko ein, dass du verletzt wirst."
Meine Anspielung auf den Schnitt in meinem Arm, der von Schlüsselmann Kai mit einem Verband versorgt wurde, scheint ihn zu treffen. Er wendet seinen Blick auf den Boden.
„Victor wird eh nichts zahlen. Er ist wahrscheinlich froh darüber, dass er mich los hat."
Obwohl ich noch sauer auf ihn bin, tut er mir leid. Sanft versuche ich ihn aufzumuntern: „Er ist sein Vater. Er wird dich zurückkaufen. Vertrau mir."
Für meine aufbauenden Worte bekomme ich ein kurzes dankbares Lächeln, was unechter nicht sein kann. Er hat die Hoffnung schon aufgegeben. Aber ich nicht! Egal wie kalt Victor sein mag, Nathe ist sein Sohn, er wird den Deal eingehen. Jeder Vater würde das gut, egal wie verkorkst er ist. Ich müsste mir da schon mehr Sorgen machen, denn es geht schließlich nur um Nathes Befreiung, nicht um meine.
„Woher kennst du Richi eigentlich?", unterbreche ich die aufkommende Stille.
Nathe seufzt und schaut auf. „Er hat mal für uns gearbeitet. Er war Gärtner und Hausmeister."
„So wie Freddy jetzt?"
Nathe nickt. „Richi und seine Frau Sonja waren jahrelang bei uns eingestellt. Sie war die Hausdame zwei Generationen vor dir. Als Richi rausgefunden hat, dass zwischen Victor und seiner Frau was läuft, ist er völlig durchgedreht. Er hat Vic eines nachts angegriffen und wollte ihn umbringen. Ich kam von einer Party spät zurück und hab die zwei kämpfen sehen und sofort die Polizei gerufen. Richi kam für 6 Jahre wegen versuchten Mordes in Haft, muss aber durch gute Führung schneller wieder rausgekommen sein."
Gänsehaut breitet sich über meinen Rücken aus. Was für eine absurde Geschichte.
„Victor hat Ivona betrogen?", schlussfolgere ich.
„Weißt du noch, als Victor vor unserem Fotoshooting eskaliert ist?" Eine der schlimmsten Momente bei den Silvers den ich nie wieder vergessen werde. Ich nicke.
„Vic hat einen Anruf von der Schule bekommen, dass Charles und ich und geprügelt haben. Und weil das meine Verhaltensnote beeinflusst wollte er mir verbieten weiterhin Football zu spielen. Daraufhin hab ich ihn mit der Affäre von Sonja erpresst."
Ich hab nie darüber nachgedacht, warum die Situation damals so eskaliert ist. Ich hab angenommen, dass Victor einfach zu viel getrunken hatte und ein Boxsack gebraucht hat.
„Ivona weiß es also immer noch nicht?"
Nathe schüttelt den Kopf.
„Und woher wusstest du es?"
Er lässt seine Arme kraftlos in die Handschellen fallen. „Ich hab die zwei gesehen. Und es Richi gesagt."
„Du hast was?", frage ich ungläubig.
„Richi und ich haben uns gut verstanden, er war wie ein Vater den ich nie hatte. Er hat mir das Footballspielen und Motorradfahren beigebracht, Reifenwechseln, Tipps wie ich die Mädchen um mich herum klären kann...Maxi das Laufen und Sally das Tanzen. Er hat mir alles gezeigt, was Victor mir nie beigebracht hat. Ich musste es ihm sagen, das war ich ihm schuldig. "
Und schlussendlich hat Nathe sich doch für den Anruf bei der Polizei entschieden und damit auch für seinen Vater, der seine Stiefmutter betrogen hatte. Er hat sich für Vic entschieden. Für weitere Jahre der Erpressung und Unterdrückung.
„Erst seit dem ist es zwischen mir und Vic so eskaliert... erpresse niemals einen Mann mit Geld und Macht.", murmelt er mehr zu sich selbst.
„Und was ist mit Sonja passiert?"
„Die wurde Entlassen. Ich hab sie seit dem her nie wieder gesehen."
„Und warum genau will Richi jetzt Geld von euch? Ich meine, was hat er davon?", hacke ich weiter nach.
Nathe zuckt mit den Schultern. „Er wartet wahrscheinlich nur auf die nächste Gelegenheit um zu Rechen."
„Deswegen sollte ich das Video nicht drehen..." in meinem Kopf fügen sich einzelne Puzzelstücke zusammen. „Weil Richi jetzt eine weitere Chance bekommt, das zu vollenden, was er angefangen hat. Deinen Vater zu ermorden."
Nathan nickt gedankenverloren.
„Hast du...", beginne ich vorsichtig. „Hast du es jemals bereut, die Polizei gerufen zu haben?" Hätte er es gelassen, dann wäre sein Vater vielleicht nicht mehr am Leben und Nathe hätte durch all diese schlimme Zeit nicht durchgehen müssen.
Ein Schwiegen legt sich über den Stall, als hätte er sich die von mir ausgesprochene Frage noch nie gestellt.
„Er ist meine Familie, Caitlin. Er ist alles, was ich noch habe."
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An deiner Seite
Romance„Du schuldest mir einen Gefallen." Verständnislos lache ich auf: „Man kann sich also nicht mal mehr untereinander helfen, ohne einen Hintergedanken zu haben?!" Nathan Silver kommt schmunzelnd auf mich zu und raunt mir mit rauer Stimme ins Ohr „Willk...