Mit ein paar kurzen Anweisungen und ein paar wenigen Klageeinlagen von Sally, die nicht mit mir in ihrer Prüfung betrügen kann, sitze ich nervös in dem roten Ferrari neben Nathe. Im Radio läuft gerade irgendein fröhliches Lied, weswegen Nathe mit den Händen auf dem Lenkrad seine Schlagzeugskills auspackt. Wie kann er so locker drauf sein, wenn er weiß, dass er in wenigen Minuten eine riskante Aktion geplant hat? Wenn wir erwischt werden, könnten wir von der Schule fallen. Für ihn sicherlich nicht so schlimm wie für mich, da das Geld seines Vaters einiges wieder gutmachen kann.
Sein Plan, Anatomie zu bestehen, ist einfach und damit sehr unsicher. Ich soll auf ihn auf dem Jungsklo warten. Mehr hat er mir noch nicht gesagt. Und genau das macht mich nervös. Zumal ich den Sportkurs verpassen werde.
Als Nathe das aufgeregte herumspielen an meiner Halskette bemerkt, dreht er die Musik etwas leiser und legt seine große Hand auf meinen Oberschenkel. Alles in mir zieht sich zusammen.
„Mach dir keine Sorgen. Das wird gut."
„ Ja Nathe, gut für dich. Ich verpasse zwei Stunden Sportunterricht."
Seine Augen Mustern mich von Kopf bis Fuß. „Hätte dir sicher nicht geschadet, aber auf dem Jungsklo bist du nützlicher."
Wütend hebe ich seine Hand von meinem Schenkel. „Sag mal, was tickt bei dir da oben eigentlich nicht ganz richtig? Behalt deine dummen Kommentare bei dir, die will hier keiner hören."
Ich verschränke dich Arme vor meiner Brust und drehe mich zu meinem Fenster. Gestern noch wollten wir zusammen einen schönen Abend machen und lernen. Da war noch alles gut. Ist er heute so, weil Victor ihn wegen mir verprügelt hat? Ist er auf mich deswegen sauer und nutzt mich deswegen aus? Ich sollte ihm nur falsche Antworten bei der Prüfung liefern. Das hätte er so verdient. Aber dann verliert er das Footballteam und ich weiß nicht, ob er mir das verzeihen wird.
Nach ein paar Minuten der Stille in der ich vor mich hin grolle, unterbricht Nathe das Schweigen. „Also, machen wir den Deal richtig. Was willst du nachher von mir, wenn du deinen Teil erfüllt hast?"
Oh, wie großzügig, ich darf auch noch selbst aussuchen.
„Fahr mich zu meinen Eltern."
Ich kann seinen verwunderten Blick aus dem Augenwinkel sehen. „In die Slums?"
„Ja, Nathan, in die Slums. Pass das nächste mal auf, mit wem du Geschäfte abschließt!"Um 9:30 Uhr klingelt es pünktlich zum Unterrichtsbeginn der 3. Schulstunde. Anstatt in der Sporthalle am Reck zu versagen, stehe ich nervös vor dem Jungsklo herum. Ich will noch ein paar Minuten warten, nicht, dass dort noch jemand drin ist und unangenehme Fragen stellen kann. Ich weiß nicht was mich nervöser macht. Der Fakt, dass ich gleich auf eine Jungstoilette gehe oder Nathe beim schummeln einer Prüfung helfe. Ich spüre das dicke Buch „Anatomie, der humane Körper" und seine Funktionen durch den Rucksack in meinen Rücken stechen.
Ein schneller Blick auf meine Uhr verrät mir, dass mehr als 3 Minuten nach Unterrichtsbeginn vorbei sind. Zögernd drücke ich die dunkelgrüne Türe auf und lauf mit schnellen Schritten an den Pissoirs vorbei zu den Kabinen, um mich einzuschließen.
Nach wenigen Augenblicken hat sich mein schlagendes Herz wieder beruhigt und ich setze mich auf den Deckel und zücke mein Handy um die Zeit zu überbrücken.
Nach dem Telefonat mit Neal hat er noch: „Hat mich gefreut mit dir zu telefonieren. Gute Nacht, träum was süßes" geschrieben. Unterbewusst verdrehe ich die Augen.
Feli hat vor ein paar Minuten geschrieben, wo ich bin. Die Arme muss jetzt alleine durch den quälenden Sportunterricht von Mr. Wheel. Das wird sie mir übel nehmen.
Um ihre Nerven zu beruhigen, dass ich das Familienessen gestern überlebt habe und nicht mein plötzlicher Tot der Grund für mein Fehlen im Unterricht ist, tippe ich ihr die Nachricht: „Muss Nathe was helfen, erzähl dir nachher alles."
Als die Toilettentüre aufgeht, zucke ich zusammen und ziehe automatisch meine Füße an meinen Körper, damit meine weiß-rosanen Schuhe mich nicht verraten. Ich höre schwere Schritte, die plötzlich inne halten. Stille. Mein Herz schlägt bis zum Hals. Kein normaler Junge würde in die Klokabine gehen und mit den Füßen nicht auf den Boden kommen.
„Denkst du wirklich, das ist unauffällig?"
Erleichtert atme ich auf, als ich Nathes Stimme erkenne. Ich steige vom Klo und trete aus der Kabine heraus.
„Warum bist du schon hier? Die Prüfung ist doch erst seit 20 Minuten"
Ein gemeines Schmunzeln legt sich auf die Lippen, die mich am besten Küssen können: „Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie ekelig du es auf dem Klo findest. Ich wollte mir dann ein wenig Zeit lassen."
Ich verdrehe die Augen. Einmal ein Arsch, immer ein Arsch. Was finde ich nur an ihm?
„Hast du die Aufgaben dabei?", frage ich genervt und versuche gleich zur Sache zu kommen. Je schneller ich hier raus bin, desto besser. Da Nathe kein Papier in der Hand hat, vermute ich, dass er es irgendwo in der Hosentasche oder unterm T-Shirt versteckt hat.
„Sie sind in meinem Kopf", klärt er mich auf, als er bemerkt, wie ich ihn mustere. „Hol dir ein Blatt und Stift, und leg los."
Ich bin mehr als erstaunt, wie Nathe sich jede einzelne Frage mit den genauen Zahlen merken konnte um mir die Aufgaben zu diktieren. Aus seiner Hosentasche zieht er eine kleine Box heraus, die aussieht, wie seine AirPods.
„Drück hier drauf und sprich in 3 Minuten langsam deine Lösungen durch." Er drückt mir ein kleines, viereckiges Kästchen in die Hand, das aussieht, wie ein Walki-Talki in Miniformat.
„Und durch Telepathie hörst du mich dann?", frage ich ironisch und mustere dieses Ding in meiner Hand genau.
Nathe setzt sich einen kleinen, schwarzen Knopf ins Ohr. „Das ist aus der Firma von Victor. Die erfinden solche Sachen nebenbei."
Er zieht kurz seinen Mundwinkel nach oben, erhebt sich vom Boden und klopft mir auf die Schulter. „Bis dann, Swany."Mein Kopf fühlt sich schwer an. Meine Gedanken ziehen an mir vorbei ohne dass ich sie wirklich wahrnehme. Wären keine Hirnhäute und der Schädelknochen da, könnte man sehen, wie es aus meinem Kopf raucht. Jede seiner auswendig gemerkten Fragen konnte ich beantworten oder zumindest im Buch nachschlagen.
Das Mini Walki-Talki steckt in den folgenden Unterrichten meiner Jackentasche und erinnert mich minütlich daran, dass ich genau dem Typ durch eine Prüfung geholfen habe, der Schuld ist an meinen Stimmungsschwankungen. Aber die Stimmung im Hause Silver wäre noch viel schlimmer, wenn Nathe durch die Prüfung fliegt und nicht mehr ins Footballteam darf. Verrückte Familie. Umso mehr freue ich mich auf meine.
Mit Feli laufe ich nach dem Unterricht zum roten Ferrari.
„Die Aufnahmeprüfung für die Cheerleader wäre nächste Woche am Donnerstag.", plappert Feli fröhlich vor sich hin. Oh shit. Das hab ich völlig vergessen.
„Wollen wir da wirklich hin?", frage ich vorsichtig. Ich kann mir echt Tausend schönere Sachen vorstellen, als vor Vanessa zu tanzen. Sie wird mich eh nicht im Team haben wollen. Und dazu hab ich auch noch zwei linke Füße.
„Du bist schon wieder so pessimistisch, Cait.", beschert sich meine beste Freundin und lehnt sich an das rote Auto der Silvers an, als wäre es ihres. „Tanzen tut dem Körper richtig gut und hilft dir, dich abzulenken von dem ganzen Stress. Aber vor allem könntest du deinen Freund unterstützen."
„Er ist nicht mein Freund", werfe ich schnell ein.
Feli zieht fragend eine Augenbraue nach oben. Aber ich jetzt die Komplikationen mit Nathe und mir zu erklären macht keinen Sinn. Zumal ich von Vic schon bedroht wurde, nichts über die körperliche Gewalt im Haus auszuplaudern. Der Mann ist gefährlicher als er aussieht. Ich muss mich immer wieder an Bertas Satz erinnern: >>Halte dich lieber raus. Sonst landet noch der falsche im Gefängnis<<.
„Hey Caitlin." Als ich mich umdrehe sehe ich Neal, der auf uns zuläuft. Seine blonden Haare wippen im Takt seiner Schritte, würde er langsamer gehen wäre es ein ideales Filmintro in Zeitlupe.
„Hey Neal", antworte ich knapp und hoffe, dass er ohne Kommentare vorbei geht und ich Feli nicht noch mehr Beziehungen zu den einzelnen Jungs erklären muss. Aber meine Gebete werden nicht erhört.
„Gestern Abend war schön mit dir."
„Das Telefonat?", frage ich leicht dämlich, damit Feli nichts falsches denkt und die Sache noch komplizierter wird.
„Ja...", antwortet Neal etwas verdutzt und ruckt seinen Rucksack zurecht, der lässig über einer Schulter hängt. „Das sollten wir bald wiederholen."
Da ich absolut nicht weiß, was ich darauf antworten soll, lächele ich nur unsicher. Klar war das Telefonat mit Neal gestern schön und ich konnte mal wieder meinen Kopf frei bekommen, aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass da bei ihm noch mehr dahinter steckt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich eine große Gestallt mit dunklen Haaren auf uns zukommen, weswegen Neal sich schnell verabschiedet.
Zu meinem Glück legt sich ein Arm um meine Taille und zieht mich an sich heran.
„Bereit für eine Spritztour?" Grünen Augen werden von wilden Locken überdeckt, die in sein Gesicht fallen, sonst könnte ich besser deuten, wie viel Lust er auf den Ausflug in die Slums hat. Obwohl es mir tatsächlich egal sein kann, da ich ihm einen Gefallen getan habe und jetzt selber einen einfordere.
Felis fragendes Gesicht wird immer größer als sie sieht, wie nah Nathe und ich zusammen stehen und er mich zu sich gezogen hat. Kühl löse ich mich aus der Besitzergreifungen Umarmung von ihm.
„Tut mir leid Feli, ich erkläre es dir später." Ein schlechtes Gewissen steigt in mir hoch meine beste Freundin so verdattert stehen zu lassen. Aber keine Erklärung, egal wie kurz sie ist, würde meine Situation auf die Schnelle erklären können.
„Du hast mir einiges zu erklären meine Liebe. Auch das alleine lassen im Sportkurs heute!", sagt sie streng, beginnt dann aber zu lächeln. „Aber erst mal viel Spaß zuhause"
„Ich ruf dich an", rufe ich ihr zu, bevor ich die Beifahrertüre zuziehe.
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Romance„Du schuldest mir einen Gefallen." Verständnislos lache ich auf: „Man kann sich also nicht mal mehr untereinander helfen, ohne einen Hintergedanken zu haben?!" Nathan Silver kommt schmunzelnd auf mich zu und raunt mir mit rauer Stimme ins Ohr „Willk...