Kapitel 18 ⚠️Gewalt

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Nach dem ich schnell bei Nathe abgeschrieben habe, konnte ich ein ausgefülltes Blatt auf Mrs. Keddings Tablett schicken.
Wie jeden Montag machen Feli und ich uns dann auf den Weg, um den Footballern und Cheerleadern beim Training zuzuschauen. Es ist nicht untypisch bei der Medicin die Mittagspause bei den Sportlern zu verbringen. Kostenlose Unterhaltung während des Essens. Und Feli ist der wahrscheinlich größte Fan der Footballer, neuerdings auch von Brent, so wie ich in Musik die zwei miteinander arbeiten gesehen habe.
Während dem Training höre ich Feli ganz genau zu, was sie von den Strategien, Pässen oder Aufteilungen meint, damit ich im Notfall vor Nathe mal wieder so tun kann, als hätte ich voll Ahnung vom Fußball.
„Wie ich Vanessa nicht leiden kann!", unterbricht Feli ihr Coaching und schaut Richtung der tanzenden Cheerleadern in kurzen Röcken, die für das nächste Spiel des Teams eine neue Choreografie erlernen müssen.
„Sie war gestern auch auf der Party", bringe ich den Lockenkopf auf den neusten Stand. „Sie hat die ganze Zeit versucht aus mir raus zu bekommen, ob ich auf Nathe stehe."
Feli beginnt zu schmunzeln: „Wie wenn man auf so einen Typen stehen kann."
Vor einer Woche hatte sie da auch noch eine andere Meinung dazu, aber davon will ich jetzt nicht anfangen. Ich will mich heute nicht noch mit mehr Leuten anlegen und um ehrlich zu sein bin ich sehr froh, dass sie kein Auge mehr auf Nathe wirft.
„Ach, sie ist so eine Schlange geworden." Der Blick meiner besten Freundin liegt noch auf den Cheerleadern.
„Geworden?", hinterfrage ich sie neugierig.
„Wir hatten den selben Hauslehrer. Nathe und sie waren zwar eine über mir, aber ich hab unglaublich viel von ihnen gelernt. Aber wir haben uns echt gut verstanden und viel zusammen gespielt, in den Pausen und zuhause. Sie hat eine total liebe Mutter, die aber immer öfters in Depressionen gefallen ist, was meine Eltern so gehört haben. Ist anscheinend was angeborenes. Vanessa hat es auch."
Mit einem Mal tut es mir leid, dass ich sie als Schlange bezeichne und eifersüchtig auf die Beziehung zwischen Nathe und ihr bin. Wahrscheinlich ist er ihr einziger Ansprechpartner und der Einzige, der sie wirklich versteht. Ich kann mir vorstellen, dass auch Nathe oftmals nahe am Rand der Depression ist. Wenn Gewalt, Tot, Hass und Verachtung dein Leben bestimmen, liegt das eigentlich sehr nahe. Und Vanessa scheint ihn noch zu kennen, als seine Mutter gelebt hat. Zu gerne würde ich von ihr wissen, wie seine Mutter so war. Muss eine tolle Frau gewesen sein, wenn sich wegen ihres Todes so viel zum schlechten Gewand hat.
„Kanntest du seine Mutter?"
„ Nur ein wenig von ein paar Besuchen bei Nathe. Sie war...ach man, Charles ", unterbricht Feli sich selbst und ich lenke meinen Blick zurück zu den Jungs. Charles scheint einen Mitspieler böse gefoult zu haben, der sich vor Schmerzen auf dem Boden windet. Sofort rennen seine Teamkollegen auf ihn zu, Nathe stößt Charles grob zur Seite und beugt sich über die Nummer 11. Auch der Coach kommt angerannt und es bildet sich ein Kreis aus blauen Trikots um den Verletzten.
Hilfesuchend richtet Nathes Blick sich auf die Tribünen. Seine Augen gleiten verzweifelt über die Tribüne und bleibt an mir hängen. Ich kann es kaum hören als er nach meinem Namen ruft.
Ohne groß darüber nachzudenken, dass ich eigentlich noch sauer bin, renne ich die Tribüne nach unten, über den Rasen zu den Spielern. Auch die Cheerleader haben einen Moment lang aufgehört zu tanzen.
Stöhnend vor Schmerzen liegt die Nummer 11 am Boden, Nathe und der Coach knien neben ihm.
„Das wäre so was von eine rote Karte gewesen", höre ich jemanden sagen als ich mich durch den Kreis der Spieler dränge. Mein Blick landet auf den unnatürlich angewinkelten Fuß.
„Nathe, hilf mir den linke Schuh auszuziehen."
Ohne weitere Fragen nickt der Kaptain und begibt sich zu den Füßen des Spielers mit folgenden Anweisungen:
„Charles läuft 5 Strafrunden um den Platz, Neal, hol mir Eis, Coach, wir brauchen einen Krankenwagen und der Rest geht sich umziehen, das Training ist vorbei. Brent, du bleibst!  "
Sofort löst sich der Kreis um uns auf. Muss Spaß machen, Respekt von allen zu bekommen. Was er Zuhause nicht erreicht, holt er sich eben auf dem Platz.
Vorsichtig ziehe ich den Schuh aus, um einen besseren Blick auf das Bein zu werfen.
„Alles gut, David", redet Nathe mit ruhiger Stimme auf seinen Teamkollegen ein. David. Der Neuzugang, der bei Nathe im Tagebuch stand. Er ist erst seit kurzem mit dabei und gleich schon verletzt. Der kann einem echt leid tun.
„Ich kann noch nicht viel sehen, die Schienbeinschohner und Socken müssen leider auch weg."
Nathe nickt ernst und versucht mit mir so sachte wie möglich den Fuß frei zu bekommen. Das Sprunggelenk ist schon angeschwollen und leicht bläulich.
„Der Waden oder Schienbeinknochen wird es wohl sein", stellt Nathe selbst fest und wieder einmal bin ich über sein Wissen überrascht.
„Ich tippe auch auf das obere Sprunggelenk", stimme ich ihm zu. „Es wird gebrochen sein."
Neal kommt mit einem Kühlpack angesprintet: „Der Krankenwagen kommt gleich." Er drückt mir das Kühlpack in die Hand und wendet sich dann an den Verletzten: „Hey Kumpel, alles gut?"
David nickt, obwohl man ihm ansieht, wie er versucht die Tränen zu unterdrücken.
„Das war doch eine beabsichtigte Blutgrätsche. Der Typ gehört aus dem Team geworfen. Das war wahrscheinlich Absicht, um jetzt zur Stammaufstellung zu gehören." Brent schaut feindselig zum joggenden Charles, dem das alles gar nichts auszumachen scheint. Er joggt seine Strafrunden ohne einen Funken Reue zu zeigen.
„Nathe, gib mir dein Trikot.", melde ich mich von unten zu Wort. Ohne Zögern zieht er es aus und gibt es mir. Welches Risiko er damit eingeht ist mir in diesem Moment noch nicht bewusst, da mir die Schrammen und Kratzer nicht mehr neu sind.
Ich wickele das Kühlpack mit dem Trikot um das Bein und ziehe es fest. „Könnt ihr zwei ihm zum Spielfeldrand helfen?"
Brent und Neal legen jeweils einen Arm um ihre Nacken unf helfen David auf die Beine. Mit einem dankendem, gequältem Lächeln von dem Verletzen, laufen sie langsam zu dritt Richtung Umkleiden, an dem joggendem Übeltäter vorbei.
„Hey Charles! Wie wäre es mit einer Entschuldigung?", ruft Nathan während David vorsichtig auf der Ersatzbank absetzt wird.
Sofort verlangsamt Charles sein Tempo und dreht sich zu ihm.
„Was?", fragt er provokant, als hätte er nicht verstanden, wie man soetwas von ihm verlangen kann.
Nathe geht auf ihn zu mit überzeugten Schritten. Er kann Charles nicht leiden, soviel kann ich aus der Spannung die zwischen den zwei herrscht herauslesen. Aber das beruht sich auf Gegenseitigkeit.
„Du sollst dich entschuldigen!"
„Du hast mir nichts zu sagen!"
Die beiden stehen nahe beieinander. Nathes Hände ballen sich zu Fäusten.
„Ich bin dein Kaptain und du tust verdammt nochmal was ich dir sage. Entschuldige dich oder du fliegst aus dem Team."
Brent und ich beobachten das Ganze nur von außen, da wir beide Angst haben, die Spannung zu unterbrechen oder sogar mit rein zu geraten.
Wie aus dem nichts fliegt Charles Faust in Nathes Gesicht. Ein erschreckendes Einatmen vernehme ich hinter mir von den Cheerleadern. Alles ist ruhig. Der ganze Platz wartet auf Nathes Reaktion. Das wird ein Kampf werden den ich definitiv nicht aufhalten kann.
„Dieses Jahr wird über den Kaptain neu abgestimmt.", schreit Charles seinen Gegenüber wütend an als dieser nicht reagiert „Und du hast nicht die Fähigkeiten dafür Nathan. Du verbringst deine Zeit ja neuerdings mit Abschaum wie ihr." 
Sein Finger deutet auf mich. Bevor ich reagieren kann, ist es Nathe, der Charles eine reinhaut und somit die Schlägerei eröffnet.
„Nenn sie noch einmal so und du bist krankenhausreifer als David!", knurrt Nathe und wischt sich das Blut, dass aus Charles Nase läuft, von seinen Handknochen ab.
„Wie wenn du mich besiegen würdest, Nathan!", spricht Charles seinen Namen erneut verachtend aus. „Ein Gewinner steht zu seinem Team und lässt nicht jedes zweite Training sausen. Letztes Schuljahr hast du uns oft genug hängen lassen wegen irgendwelchen Verletzungen oder deinem lächerlichen Modeljob. Diese Jungs arbeiten hart und verdienen einen Captain, der immer für sie da ganz da ist mit Geist und Körper, nicht so einen entstellten Krüppel wie dich. Oder woher kommen die Schrammen und Blutergüsse? Wahrscheinlich hast du mit der Kleinen Sex und sie darf dich richtig hart dominieren."
Erneut kassiert der Vorlaute einen Schlag ins Gesicht. Nathes Atmung wird unkontrolliert und ich sehe, wie er beginnt die Beherrschung zu verlieren. Aber genau das ist Charles Ziel, schießt es mir in den Kopf. Er will, dass Nathe die Kontrolle verliert und von der Schule nicht mehr als zurechnungsfähiger Kaptain eingestuft wird. Und um das zu erreichen, spielt er mit seinen Gefühlen. Charles schlägt ihn mit Wucht in den Bauch.
Schnell renne ich auf die zwei zu, egal ob der nächste Schlag in meinem Gesicht landet, ich muss alles tun, damit Nathe seinen Platz und Ruf nicht verliert. Weil es ihm viel bedeutet.
Mit beiden Händen drücke ich ihn gegen den nackten Oberkörper weg.
„Nathe!", versuche ich seinen Blick auf mich zu lenken. „ Nathe, schau mich an." Ich lege meine Hand auf seine Wange. „Schau mich an!", wiederhole ich mich, bis dunkelgrüne, funkelnde Augen zu meinen finden.
Seine Atmung wird immer unregelmäßiger, bis er zu husten beginnt und seine Hände sich an den Bauch drücken. Der Schlag von Charles hat im zweiten Moment doch mehr angerichtet als erwartet.
Aus der Ferne hört man eine Krankenwagen und Coach Miller geht auf die Streithähne zu.
„Was ist denn hier los?", ruft er verärgert und sieht in Charles blutendes Gesicht und auf den röchelnden Nathe.
„Jungs, das hat ein Nachspiel!", sagt er streng und zieht den anderen mit sich zu David.
Nathe hört nicht mehr auf schwer zu Atmen, als könnte er die Luft nicht ganz in seiner Lunge aufnehmen. Ich weiß nicht was ich tun soll, hat Charles Schlag ihm die Luft geraubt? Ihm die Atemwege zerquetscht? Soll ich ihn schnell zu den Sanitätern bringen, die sich gerade David anschauen?
Charles ist mir keine große Hilfe. Er spuckt seinen Frust auf den Boden und verzieht sich in die Umkleide um sich um die blutende Nase zu kümmern.
Mein Blick sucht Feli auf der Tribüne, aber diese ist leer. Feli ist weg. Aus dem Nichts werde ich von hinten angerempelt und lange blonde Haare versperren mein Sichtfeld.
Vanessa schüttelt feste ein Asthmaspray und hält es ihrem besten Freund vor die Nase.
„Ganz ruhig", versucht sie auf ihn einzureden. Dankend nimmt Nathe das Spray an und holt damit ein paar mal tief Luft, bis seine schwere Atmung sich wieder zu legen scheint. Sein panischer Blick wird wieder kalt als er die Kontrolle über sich zurück hat.
„Ich geh mich umziehen.", sagt er mit rauer Stimme und lässt mich und Vanessa alleine auf dem Feld stehen.
Die Augenbrauenqueen dreht sich zu mir um. Ich kann in ihrem Gesicht nicht lesen, was sie gerade denkt.
„Du hast gut gehandelt, Caitlin!"
Okay, ich hab gerade mit allem gerechnet, aber definitiv nicht mit einem Kompliment. Hat sie zu viel Sonne abbekommen? Oder steht das Wohl ihres besten Freundes über ihrem Stolz?
„Du hast ihn geholfen...", versuche ich ihr klar zu machen, dass ich absolut nichts ehrenwertes getan habe.
„Aber du hast ihn davor bewahrt, seinen Platz als Kaptain zu verlieren."

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