Kapitel 16

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Unruhig lief ich in einem Zimmer auf und ab. Meinen Gemütszustand konnte man bestenfalls als angespannt und nervös beschreiben. Erneut flog mein Blick zu der Uhr auf meinem Nachttisch. Noch eine quälend lange viertel Stunde würde ich warten müssen, ehe ich mich auf den Weg zu dem Treffen machen konnte. In meinem Kopf spielten sich unzählige Szenarien ab, wie das ganze ablaufen könnte. Doch am intensivsten beschäftigte ich mich mit der Frage, wer dieser Kontaktmann sein könnte. Sir Soylan sagte, dass ich ihn kennen würde, doch das hatte nichts zu sagen. Hier im Palast kannte ich nämlich so gut wie jeden. Auch die Information, dass er aufbrausend sein soll, half mir kein bisschen, denn es gab einige Männer auf die diese Beschreibung passen könnte.

Frust stieg dunkel und schwer in meinem Herzen hoch. Doch da war nicht nur Frust. Da war noch so viel mehr, teilweise auch Gefühle, die ich nicht verstand oder ihren Ursprung nicht erkennen konnte. Da wären Aufregung, Nervosität, Angst, Freude und Kampfgeist. Jedoch waren da auch eine düstere Vorahnung, ein leichter Stich der Traurigkeit und ein Gefühl, welches mich wie auf Wolken schweben ließ, bei dem ich aber nicht wusste was es genau war.

"Mylady, wenn ihr weiter auf ein und der selben Stelle auf und ab lauft, dann werdet ihr bald eine Delle in eurem Fußboden haben.", merkte Sir Soylan sarkastisch an. Lässig lehnte er neben meinem Bücherregal an der Wand und schaute mir bei meiner Unruhe zu. Kein noch so kleines Anzeichen ließ darauf schließen, dass er dieselbe Nervosität verspürte wie ich.

" Wie könnt ihr nur so ruhig bleiben?", stellte ich ihm meine Gegenfrage und hielt in meinem Lauf inne.

Ein belustigtes Lächeln flog über sein Gesicht. Mit Schwung stieß er sich von der Wand ab und kam ein paar Schritte auf mich zu.
"Nach außen hin wirke ich vielleicht ruhig und gelassen, aber innerlich bin ich genauso angespannt wie Ihr es seid. Jedoch solltet Ihr eure Gefühle lieber in euch verschließen, sodass bei dem Treffen nichts unüberlegtes geschieht. Vielleicht fangt Ihr sogar jetzt schon einmal damit an, denn später werden eure Gefühle sehr wahrscheinlich versuchen sich ihren Weg nach außen zu bahnen. Bei einer auf die schnelle erschaffenen mentalen Mauer passieren mehr Fehler, als wenn man sich vorher schon vorbereitet. "

Sacht nickte ich, denn er hatte recht. Es nützte nichts, wenn ich schon jetzt ein totales Nervenbündel war und mir alles mögliche vorstellte.
Vorsichtig ließ ich mich den Stuhl neben meinem Schreibtisch sinken und atmete tief durch. Um mich dabei auch von nichts ablenken zu lassen, schloss ich kurzerhand die Augen. So gut ich konnte, versuchte ich meine Konzentration auf eine ruhige Atmung zu lenken.

Nachdem meine Atmung und mein Herzschlag ruhig und ausgeglichen waren und ich auch nicht wieder vor Aufregung aufspringen und durch das Zimmer tiegern wollte, öffnete ich die Augen wieder.

Doch kaum fiel mein Blick auf Sir Soylan, musste ich mir ein Lachen verkneifen. Er saß nämlich im Schneidersitz mit geschlossenen Augen vor mir auf dem Boden und schien in einer tiefen Meditation versunken zu sein. Warum genau er das tat war mir im Moment unklar, denn er hatte doch seine Gefühle vollkommen unter Kontrolle. Vielleicht will er nicht nur ruhig wirken, sondern es von innen auch wirklich sein?, flüsterte eine leise Stimme in meinem Kopf und still stimmte ich ihr zu. Wahrscheinlich brauchte er das einfach gerade.

Leise, um Sir Soylan nicht zu stören, schob ich den Stuhl ein Stück zurück und stand wieder auf. Doch im Gegensatz zu vorher lief ich nicht auf und ab, sondern trat zielstrebig an den kleinen Nachttisch neben meinem Bett. Aus einer meiner Hosentaschen holte ich einen kleinen, leicht angerosteten Schlüssel und steckte ihn ins Schloss. Zwei Umdrehungen später ertönte ein leises Klicken und die Schublade ging einen winzigen Spalt breit auf. Darauf bedacht nicht zu stark an den Griff der Schublade zu ziehen, öffnete ich diese und mein Blick fiel auf den Inhalt. Neben einigen Andenken an die Reisen mit meinem Vater lagen dort in dicke, schwarze Tücher gehüllt auch zwei Dolche. Doch es waren nicht einfach irgendwelche Dolche. Nein, sie waren etwas ganz besonderes. Gefertigt wurden sie in einer der Lavaschmieden im Westen des Landes. Wenn die Klingen der Dolche mit Blut in Berührung kamen, begannen sie silbern zu schimmern und der Stahl aus dem sie bestanden war unzerbrechlich. Zudem waren sie die ersten Waffen gewesen, die mein Vater mir geschenkt hatte.

Grey Soldiers ~ ManipulationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt