Kapitel 9 (Erinnerungen)

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Jungkook POV

„Das Ganze ist vor sechs Jahren passiert. Ich weiß auch nicht ... Jetzt hier in Japan zu sein hat irgendwie ein paar Erinnerungen geweckt ..."
„Was für Erinnerungen?", fragte Jimin neugierig nach, legte aber auch mitfühlend eine Hand auf Yoongis.
„Mein bester Freund aus High-School Zeiten ... Er ist damals einfach verschwunden. Man hat ihn zuletzt in Tokyo gesehen. Ich war kurz nach seinem Verschwinden selbst dort, um ihn zu suchen. Seitdem war ich nicht mehr in Japan. Irgendwie sind jetzt die Erinnerungen hoch gekommen, wo ich wieder hier bin."
„Er ist einfach so verschwunden?", fragte ich fassungslos nach, da es zur heutigen Zeit, bei diesen ganzen Überwachungskameras überall, doch eigentlich so gut wie unmöglich sein sollte, dass jemand einfach so verschwand. Besonders in einer modernen Stadt wie Tokyo.

„Ja. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass es inzwischen fast sechs Jahre her ist."

Bedrücktes Schweigen breitete sich über uns auch. Man sah Jimin an, dass er am liebsten noch viel mehr Fragen gestellt hätte, genauso wie ich. Doch ich wollte Yoongi auch nicht bedrängen, wo er uns nun doch anvertraut hatte, was ihn beschäftigte. Vielleicht würde er irgendwann von selbst ein wenig davon erzählen. Jetzt musste die Stimmung zwischen uns erstmal gebessert werden und Yoongi auf andere Gedanken gebracht. Er wollte diesen Urlaub auch, also sollte er diesen auch genießen! So viel zumeinen Gedanken zu dem Thema.

„Wie war er so?", fragte Jimin nämlich doch nach. Anscheinend hatte die Neugier doch bei ihm gesiegt. Meine innerliche Motivation fiel in sich zusammen und ich lehnte mich in meinen Liegestuhl zurück, abwartend, ob Yoongi noch mehr erzählen würde. Wenn Jimin seiner Neugier nachgab, durfte ich das schließlich auch.

„Er war ein wahnsinnig guter Freund. Noch durchgeknallter als Jungkook. Er hat uns in so viel Scheiße rein geritten. Aber sobald er gemerkt hat, dass ich bei irgendwas hängen bleibe, das mir nicht gut tut, hat er mich wieder rausgeholt."
„Was genau meinst du damit?", fragte ich. Immerhin schien es Yoongi nicht zu stören, dass wir Fragen stellten. Vielleicht tat es ihm sogar gut darüber zu reden.

„Naja, durch ihn habe ich zum Beispiel angefangen zu kiffen. Irgendwann war ich an dem Punkt, wo ich kaum einen Tag ohne ausgekommen bin. Da hat er beschlossen, dass es genug ist und dafür gesorgt, dass ich wieder einen klaren Kopf kriege."
„Ein besonders guter Einfluss schien er dann aber nicht zu sein", murmelte Jimin nachdenklich.

„Stimmt schon", lachte Yoongi leicht. „Meistens jedenfalls. Wenn er nicht gerade Streit mit seinen Eltern hatte, war er wirklich der Vorzeigesohn schlechthin. Ich glaube, eigentlich war er gar nicht wirklich der Typ dafür, ständig so viel Mist zu bauen. Deshalb schien er auch schon fast immun gegen jede Art der Abhängigkeit zu sein. Wenn ich mir die Situation damals jetzt rückblickend anschaue, dann bekomme ich immer mehr das Gefühl, dass er einfach nicht glücklich war."
„Hast du eine Idee woran das gelegen haben könnte?"
„Vielleicht hatte es ja mit den ständigen Streitereien mit seinen Eltern zu tun?", überlegte ich nun auch mit Jimin zusammen. Doch Yoongi zuckte nur mit den Schultern.

„Wir haben über sowas nie wirklich geredet. Er hat mir zwar gesagt, wenn er wieder mit seinen Eltern Streit hatte, doch worum es dabei ging, hat er nie erzählt. Ehrlich sagt habe ich aber auch nie nachgefragt. Wenn man unsere Freundschaft mit denen der Anderen aus unserer Schule verglichen hat, war sie schon recht innig. Normalerweise hing man nur gemeinsam ab, hat sich aber nie von seinen Probleme erzählt. Alleine, dass Tae mir jedes Mal erzählt hat, dass es Streit bei ihm zu Hause gab, habe ich ihm hoch angerechnet. Normalerweise wird immerhin die perfekte Fassade aufrechterhalten."
„Wow, das hört sich echt traurig an."
„Aber es ist wirklich normal", murmelte ich nachdenklich. „In unseren Kreisen zumindest. Wer nicht genug über dich weiß, kann dir auch nicht schaden. Oder deiner Familie."

Yoongi nickte zustimmend auf meine Worte hin. „Einer der Gründe, weshalb von Taes Verschwinden nie in den Medien berichtet wurde. Seine Eltern erzählen immer noch, dass er im Ausland studieren würde und er inzwischen mehrfach das Studienfach gewechselt hätte." Traurig lachte Yoongi auf. „Das würde so zu ihm passen. Schon in der Schule hatte er immer zwanzig Interessen auf einmal und hat auch immer versucht alles auf einmal zu machen. Ich wünschte nur es wäre wirklich so und nicht nur eine Lüge seiner Eltern."

„Echt? Das ist ja krass. Und irgendwie auch echt traurig. Ich glaube, wenn ich an der Stelle deines Freundes wäre und davon hören würde, würde ich auch gar nicht nach Hause kommen wollen", sagte ich. Alleine die Vorstellung so verleugnet zu werden, machte mich ein wenig traurig. Ob meine Eltern wohl auch so reagieren würden? Oder würden sie mein Verschwinden öffentlich machen, um sicherzugehen, dass ich auf jeden Fall gefunden werde? Eigentlich wollte ich darüber gar nicht genauer nachdenken, denn die Antwort war mir eigentlich klar.

„Schon", murmelte Yoongi und seufzte. „Aber mir hätte er ruhig was sagen können. Oder ein Lebenszeichen von sich geben, damit ich weiß, dass er nicht gerade in irgendeiner Gasse am Verrotten ist."
„Hey", lächelte Jimin schwach und strich Yoongi über die Schulter. „Ich kenne ihn zwar nicht, aber wenn du ihm so wichtig warst, wie er dir zu sein scheint, dann tut es ihm sicherlich Leid. Er wird schon seine Gründe haben, dass er sich nicht gemeldet hat."
„Seid ihr euch eigentlich sicher, dass er nicht entführt wurde oder so", überlegte ich laut.
„Jungkook, er hat seine Koffer gepackt, seine Konto aufgelöst und seine Schlüssel hier gelassen. Das war mit Sicherheit geplant", erwiderte Yoongi auf meine Überlegung hin mit dünner Stimme.

„Ich mein ja nur", zuckte ich mit den Schultern. „Vielleicht wollte er sich in Tokyo wirklich ein neues Leben aufbauen, aber nicht heimlich, sondern einfach nur was eigenes. Dann ist er in das falsche Taxi gestiegen, dass in irgendeiner Seitengasse gehalten hat, in der keine Kameras sind und..." Durch Jimins warnenden Blick wurde ich immer leiser, ehe ich ganz aufhörte zu Reden. Mit einem Blick in Yoongis blasses Gesicht, wusste ich nun auch wieso Jimin so drein schaute. Vielleicht hätte ich einfach die Klappe halten sollen, dann wäre die Stimmung vielleicht nicht endgültig in den Keller gesunken.

An der Küste Japans (BTS, Vkook, FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt