Kapitel 24 (Abschied?)

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Jungkook POV
Gedankenverloren schaute ich durch die offene Terassentür auf das Meer hinaus. Die letzten Tage hatte ich viel Zeit in Taes kleiner Welt verbracht. Ich fühlte mich wohl auf seiner Insel. Hier gab es nichts, was das Hotel nicht zu bieten hätte. Den Strand, einen Pool, ein gemütliches Gästezimmer. Das Essen war vielleicht nicht auf dem gleichen Niveau, dennoch schmeckte mir Taes Essen viel besser als die feinen Speisen im Restaurant des Hotels. Ich würde am liebsten einfach hier bleiben. Je näher der Tag kam, an dem ich wieder gehen musste, desto größer wurde die Sehnsucht nach dem Ort, an dem ich mich eigentlich schon befand.

„Wo bist du nur schon wieder mit deinen Gedanken, Jungkook?", wurde mein Gedankenkarussell von Tae unterbrochen. Er reichte mir meinen Tee und setzte sich zu mir auf den Boden. Er faszinierte mich. In den letzten Tagen hatte er mein Handeln immer seltener hinterfragt, sondern es einfach hingenommen, egal wie seltsam es wohl wirken musste. Dass ich trotz der großen Couch gerne auf dem Boden saß. Dass ich manchmal gar nicht hörte, wenn er mit mir sprach, weil ich so in meinen Gedanken versunken war. Dass ich die ein oder andere Nacht zu ihm ins Bett geschlichen kam, um mich an ihn zu kuscheln, wie an einen großen Teddy.

„In zwei Tagen geht mein Flug zurück nach Korea."
Eine Weile war es still zwischen uns. Was erwartete ich auch zu hören? Das er mich bat hierzubleiben, wo ich seinen Alltag nun doch schon erheblich durcheinander brachte? Wohl kaum.
„Bist du dir sicher, dass du im Moment auch wieder nach Hause willst?"
„Nein", gab ich zu. „Eigentlich würde ich gerne noch länger hier bleiben." Ich spürte, wie meine Wangenrot wurden, als ich zugab: „Bei dir."
Tae lächelte mich an und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Denkst du nicht, dass es Zeit wird dich mit deinen Freunden zu versöhnen?"
„Schon ... Vielleicht. Sie sind die echtesten Freunde, die ich bisher hatte und sie fehlen mir. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mir wirklich verzeihen würden."
„Wenn sie die echtesten Freunde sind, die du je hattest, dann werden sie dir sicherlich verzeihen, wenn du dich ehrlich bei ihnen entschuldigst."
„Vielleicht. Es ist nur ...", ich unterbrach mich selbst mit einem tiefen Seufzen. „Ob sie mir vergeben oder nicht, sie werden mir um die Ohren hauen, was für ein Arsch ich bin und das wird weh tun. Natürlich haben sie jedes recht dazu, aber ich weiß nicht, ob ich bereit dafür bin. Vielleicht hatte ich auch deswegen vor ihnen nie richtige Freunde. Sie sagen mir immer, was richtig und was falsch ist. Ich weiß, dass sie recht haben. Aber in den meisten Fällen will ich das einfach nicht hören."
„Von mir hast du dir doch auch einiges anhören müssen und hast es überstanden."
„Du hast mich aber auch in einem echt schwachen Moment erwischt, sodass ich praktisch keine Wahl hatte. Davon abgesehen sind dabei wieder Sachen hoch gekommen, die ich eigentlich schön verpackt in mir vergraben hatte. Ich hab mich noch nie so Schwach und hilflos gefühlt, wie in den letzten Tagen."
„Hör' auf Unsinn zu reden, Kookie", widersprach Tae mir sanft. „Du bist vieles, aber auf keinen Fall schwach. Du bist ein Mensch, der verletzt wurde und der, wie jeder andere, geliebt werden will. Du wusstest vielleicht nicht, wie du damit umgehen solltest und hast vielleicht auch Fehler gemacht, aber das macht dich per se doch nicht zu einem schlechten Menschen. Wer ist schon perfekt? Ich bin von Zuhause abgehauen, ohne jemanden Bescheid zu sagen. Ich bin weggelaufen, anstatt mich meinen Problemen und den Schmerzen zu stellen. Nur weil du vielleicht jetzt nicht die Kraft dazu hast, dich den Dingen zu stellen, bist du doch nicht schwach. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Verletzungen heilen auch nicht an einem Tag."
„Danke, Tae. Ich bin froh, dass ich dich hier getroffen habe", grinste ich ihn an, ehe ich mich mit dem Kopf an seine Schulter lehnte und einen Schluck von meinem Tee nahm.

Tae war der Meinung ich wäre stark, dabei kam ich mir überhaupt nicht stark vor. Viel mehr wie ein Häufchen Elend. Wie würde es mir dann wohl gehen, wenn ich wieder Zuhause wäre. Im Moment stellte sich bei dem Gedanken an das Haus meiner Eltern vor allem ein Gefühl ein: Abscheu. Vor allem wollte ich meinen Vater nicht sehen. Wenn es nach mir ginge, würde ich den Kontakt am liebsten vorerst komplett zu ihm abbrechen. Doch Zuhause gab es Regeln, denen es zu folgen galt. Da hatte ich keine Wahl.

„Ich will dich nicht weiter durcheinander bringen, vielleicht würde es dir helfen, wenn du dir eine Liste machst. Was in deinem Leben machst du, weil es von dir erwartet wird. Was wird generell von dir erwartet und wenn keine dieser Erwartungen da wäre, was würdest du machen. Wie würdest du dein Leben dann gestalten wollen? Hast du Träume und Wünsche, die du bisher unter den Teppich gekehrt hast, um den Erwartungen zu entsprechen? Vielleicht siehst du dann ein bisschen klarer und kannst eher entscheiden, wie dein Leben aussehen soll."

An der Küste Japans (BTS, Vkook, FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt