Jungkook POV
„Nichts für ungut Taehyuk, aber deine Abenteuer waren die letzten zwei Tage schon echt anstrengend. Ich brauche eine Pause", jammerte ich ein wenig vor mich hin, während ich mich von Taehyuk zu einem Taxi ziehen ließ, welches schon auf uns zu warten schien. Ich war von mir selbst überrascht. Normalerweise hatte ich keine Probleme damit auf meine Wünsche zu pochen. Selbst bei Kompromissen versuchte ich mich so gut wie möglich durchzusetzen. Doch bei Taehyuk jammerte ich zwar etwas, ließ ihn aber dennoch machen, was er wollte. Das war doch sonst nicht meine Art.„Kein Sorge, heute wird's nicht so anstrengend wie auf der Baustelle oder am Strand. Und es dauert auch nicht so lange."
„Da stellt sich mir nur die Frage, was du wohl für nicht ganz so anstrengend hältst."
„Ich verspreche dir, dass wir uns nur innerhalb eines Gebäudes auf einer Etage bewegen. Die meiste Zeit stehen wir nur und das wars. Nach maximal drei Stunden können wir wieder gehen und danach können wir uns gerne auf die faule Haut legen."
„Hast du nicht eigentlich einen Laden, um den du dich kümmern musst?", fragte ich verwirrt nach, denn Taehyuk hatte die letzten Tage überraschend viel Zeit mit mir verbracht. Sogar mehr als Jin und Namjoon. Im Gegensatz zu ihnen schien er aber auch nicht bei der Arbeit zu sein.
„Der Junge von einer Bekannten hat nach einem Ferienjob gefragt, also lasse ich ihn ein bisschen in meinem Laden arbeiten."
„Sicher, dass du einem Kind deinen Laden überlassen willst?"
„Er ist letzten Monat 18 Jahre alt geworden und fängt bald an zu studieren. Ich denke er kriegt das hin."
„Klar, es ist immer gut Fremden sein Hab und Gut zu überlassen, in der Hoffnung, dass hinterher noch alles da ist."
„Vertrauen ist nicht so dein Ding, oder?"
„Lieber skeptisch, als bestohlen."
„Hast du das von deinen Eltern?"
„Von wem denn sonst?", fragte ich zerknirscht, denn das war etwas, was mein Vater immer wieder wiederholte. Selbst seinen Assistenten, der seit fast fünfzehn Jahren für ihn arbeitete, ließ er regelmäßig überprüfen.Wir fuhren ein Stück mit dem Taxi und Tae beschloss, dass wir noch ein Stück spazieren sollten. Also liefen wir eine halbe Stunde durch die Straßen Osakas, ehe wir an einer ruhigeren Ecke vor einem Gebäude halt machten.
„Wir sind also da?", vermutete ich, da Taehyuk mich erwartungsvoll anschaute.
„Sind wir", bestätigte er mir und hielt mir die Tür auf. Das Gebäude schien von außen nichts besonderes zu sein. Die Fassade war grau und wirkte etwas dreckig. Drinnen war es ebenfalls schlicht gehalten. Sie Wände waren weiß gestrichen und die Fliesen waren ebenfalls grau, aber sauber. Wir gingen nur wenige Schritte durch den Flur, bis wir links in einen großen Raum abbogen. Hier waren bereits ein paar wenige Menschen, die mit Kisten durch den Raum liefen. Außerdem roch es so, als würde jemand Curry kochen. Wir mussten nicht lange warten bis eine junge Frau auf uns aufmerksam wurde. Taehyuk schien sie bereits zu kennen, doch die kleine Einführung schien sie uns beiden zu geben. Taehyuk war hier also auch zum ersten Mal. Das Ganze war eine Wohltätigkeitsveranstaltung, um Familien unter schwierigen Umständen zu unterstützen. Es wurden Sachspenden verschenkt und außerdem gab es noch eine warme Mahlzeit. Für die Kinder gab es noch eine Spielecke, in der sie sich austoben konnten, während die Eltern sich Ratschläge von Sozialarbeiten holen konnten, sollten sie das wollen.
Wir halfen beim Aufbau und nach kurzer Zeit füllte sich der Raum. Mir war zwar bewusst, dass es Familien gab, die es nicht so leicht hatten, doch mit knapp fünfzehn dieser Familien in einem Raum zu sein, war doch etwas anderes. Obwohl es mir ein bedrückendes Gefühl gab, war aus allen Ecken Gelächter und angeregte Gespräche zu hören. Es schien mir irgendwie nicht ins Bild zu passen.„Was schaust du so skeptisch?", flüsterte mir jemand ins Ohr, sodass ich zusammen zuckte. Ich drehte mich um und sah Taehyuk grinsend mit seiner dreckigen Schürze vor mir stehen. Er war dazu eingeteilt worden, Essen zu verteilen. Ich hingegen sammelte das dreckige Geschirr ein, half ein wenig beim Abwasch und hatte gerade eine neue Getränkekiste zu den Getränken gestellt.
„Viele von ihnen wirken so fröhlich, obwohl ich dachte, dass die Stimmung viel trauriger sein würde."
„Wieso sollte man traurig sein, wenn Menschen versuchen einem zu helfen?"
„Dadurch lösen sich die Probleme doch aber nicht in Luft auf."
„Aber es hilft. Ich meine ..."
Bevor Taehyuk mit seiner Erklärung ausschweifen konnte, wurden wir von zwei kleinen Kindern unterbrochen. Ich schätzte den Jungen auf circa sechs Jahre und das Mädchen auf vier. Wobei ich generell nicht gut darin war das Alter von Kindern zu schätzen.
„Entschuldigung, wieviel kostet das hier?", fragte der kleine Junge und hielt uns einen Spielzeugdino hin.
„Und das?", fügte das Mädchen hinzu. Sie hatte eine Kuscheltier-Katze im Arm.
„Ich mache das schon", mischte sich jemand ein, ehe wir auf die Frage der Kinder eingehen konnten. „Ich habe euch doch gesagt, dass ihr die Sachen nicht von eurem Taschengeld bezahlen müsst."
„Bist du sicher Papa?", fragte der Junge und legte dabei den Kopf schief, sodass ihm die etwas zu langen Haare in die Augen fielen. Der beinah schon magere Mann schenkte seinen Kindern ein liebevolles Lächeln und strich ihnen sanft über ihre Köpfe. „Ganz sicher, Geht spielen, ich kläre hier den Rest."
Die beiden stießen Freudenschreie aus und verschwanden in Richtung Spielecke.„Entschuldigung", wandte der Mann sich nun an uns, die die Szene vor uns nur stumm beobachtet hatten. „Die Kinder wissen nicht, dass das hier eine Wohltätigkeitsveranstaltung ist. Ich will nicht, dass sie so viel von unseren Problemen mitkriegen."
„Schon gut, das ist völlig verständlich", lächelte Taehyuk. „Haben Sie schon etwas gegessen?"
„Ihr könnt mich ruhig duzen. Ich bin Enji. Nein, noch nicht. Die Kinder waren so aufgeregt wegen des Ausflugs heute, dass sie sich hier erstmal umschauen wollten."
Besonders viel zum Schauen gibt es hier eigentlich nicht, dachte ich mir, behielt den Gedanken aber lieber für mich und überließ Taehyuk das Reden.
„Dann besorge ich dir schnell was. Ich bin sofort wieder da."
Damit war Taehyuk verschwunden und ließ mich mit Enji alleine. Ich versuchte ihn nicht allzu auffällig anzustarren. Aber es fiel direkt auf, dass er einer der magersten Erwachsenen hier war. Seine Kleidung schien auch schon mehrmals geflickt worden zu sein. Er hatte tiefen Augenringe. Alles in allem wirkte er echt abgeschlagen. Das Leben hatte es wohl nicht gut mit ihm gemeint. Dennoch strahlten seine Augen Wärme aus, wo andere vielleicht bereits verbittert gewesen wären, könnte ich mir vorstellen.„Dürfte ich was fragen?", fragte ich vorsichtig, da ich ihm nicht zu Nahe treten wollte.
„Natürlich", erwiderte Enji aber sofort mit einem Lächeln.
„Wieso sollten deine Kindern nichts von deinen Problemen mitbekommen? Ist das nicht schwierig immer darauf zu achten, wo sie sich doch sowieso irgendwann der Realität stellen müssen?"
„Irgendwann, aber doch nicht jetzt!", erwiderte Enji energisch, aber weiterhin mit seinem freundlichen Tonfall. „Sie sind immer noch meine Kinder und dazu noch so klein, da ist es meine Aufgabe als Vater sie zu beschützen und auf sie aufzupassen. Sie werden die Schattenseiten des Lebens schon früh genug kennenlernen. Aber ich werde ihnen, so lange ich kann, eine unbeschwerte Kindheit schenken. Vielleicht kann ich ihnen nicht alles bieten, mit Sicherheit sogar viel weniger als viele andere Eltern. Aber ich werde immer für sie da sein und versuchen der beste Vater zu sein, der ich sein kann. Ich würde alles für die beiden tun. Selbst wenn ich hungern muss. Dann hungere ich, solange ich weiß, dass die beiden mit vollem Magen ins Bett gehen."Am Abend hatte es uns wieder an die Strandbar verschlagen. Mit den Zehen im warmen Sand vergraben starrte ich auf die Weiten des Meeres. So richtig nahm ich meine Umgebung aber gar nicht wahr. Stattdessen war ich gedanklich bei Enji. Enji, der so dürr war, dass man sich schon Sorgen machte. Enji, der alles für seine Kinder tun würde. Enji, der seine Kinder einfach liebte ohne irgendwelche Erwartungen an sie zu stellen. Seine Kinder waren da, das war für ihn Grund genug sie zu lieben. Ich nahm einen Schluck von meinem Bier und versuchte krampfhaft an etwas anderes als die liebevollen Augen des Vaters zu denken. Der Druck auf meiner Brust schien einfach viel zu groß zu werden. Ich musste an meine Eltern denken. An den Ort, den ich immer als mein Zuhause bezeichnet hatte. Brauchten Enjis Kinder überhaupt einen Ort, um sich zu fühlen, als wären sie zu Hause? Sie hatten doch ihren Vater. Ihren Ritter und Beschützer. Was hatte ich gehabt? Nannys und Eltern denen es vor allem um Regeln, Ansehen und Geschäfte ging. Ich war wichtig. Aber nicht als Person, sondern als Erbe. Als kleines Rädchen einer Maschine, die zu funktionieren hatte. Wie sehr hatte ich mich zu meiner Schulzeit angestrengt, um von ihnen gelobt zu werden?Stattdessen wurde mir immer nur gesagt, was es besser zu machen galt. Das die Regeln befolgt werden sollten, weil sonst Konsequenzen drohten. Mir schnürte sich die Kehle zu als ich versuchte mich daran zu erinnern, wann meine Eltern mich das letzte Mal umarmt hatten. Ich konnte es nicht. Viel zu lange war es her. Das war kein Zuhause und keine Familie, es war eine Geschäftsbeziehung für die jeder seine Opfer zu bringen hatte.
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An der Küste Japans (BTS, Vkook, FF)
FanficWer reich ist, kann eigentlich alles haben. Das ist Jungkook mehr als bewusst und er genießt diese Tatsache in vollen Zügen. Geld regiert schließlich die Welt. Doch das Schicksal beschließt ihm eines Besseren zu belehren. Denn mit Geld kann man vie...