Euphoria - Nate & Faith

Kapitel 2 - Faith

Diese Chemiestunde war wahrscheinlich die unangenehmste, die ich je hatte. Ich habe die ganze Zeit Nates Blicke auf mir gespürt und der Typ neben ihm hat auch über mich geredet.
Das ganze ist doch einfach nur beschissen. Ich wollte einen Neuanfang, an einem Ort, in dem mich und meine Vergangenheit niemand kennt.
"Erde an Faith!"
Ich blicke zu Jules auf. Wir sitzen an einem Tisch in der Cafeteria und ich habe gar nicht wirklich mitbekommen, wie wir hierher gelaufen sind, weil ich so in Gedanken versunken war.
"Ja, was?", frage ich und beiße in meinen Apfel.
"Da ist Rue!"
Sie winkt und ein müde aussehendes Mädchen mit gebräunter Haut und dunklen Locken kommt auf uns zu.
Jules zieht sie auf den Stuhl neben sich.
Rues Blick sieht irgendwie so leer aus, aber wenn sie Jules anguckt, strahlen ihre Augen.
"Rue, das ist Faith. Sie ist neu."
Ich freue mich schon darauf, wenn ich nicht mehr als die neue vorgestellt werde.
"Hey, freut mich."
"Mich auch."
Plötzlich legt Jules ihren Arm um Rue.
"Ich bin so stolz auf dich. Du bist jetzt schon zwei Wochen clean!"
Rue zuckt zusammen.
"Ähm ja, aber das muss ja trotzdem nicht jeder wissen."
"Keine Sorge, ich weiß, was es bedeutet clean zu sein."
Jules und Rue runzeln gleichzeitig die Stirn.
Scheiße. Habe ich mir nicht vorgenommen nichts aus meiner Vergangenheit zu erzählen.
"Ich meine, eine Freundin von mir war auch süchtig."
Jules nickt verständnisvoll.
Puh, gerade nochmal die Kurve gekriegt.
"Ach Jules, meine Mum fragt, ob du mal zu uns zum essen kommen willst? Mit deinem Dad natürlich", sage ich, um das Thema zu wechseln.
"Das ist ja süß! Bestimmt lässt sich das einrichten."
Zufrieden nicke ich.
Plötzlich lässt sich ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren auf den Stuhl neben mir fallen.
"Ich bin so genervt! Fucking Annoyed! Ihr wisst nicht was gerade passiert ist! Ich laufe ganz normal über den Gang, als auf einmal Mr. Frights mein Sportlehrer auf mich zukommt und..."
Auf einmal bleibt ihr Blick auf mir hängen.
"Wer ist das?"
Innerlich verdrehe ich die Augen.
"Ich bin Faith", antworte ich.
"Kat", erwidert das Mädchen.
"Also, was ist passiert?", fragt Rue neugierig.
"Er will mir Privatstunden geben und hat dabei so eklig gelächelt! What the fuck!"
Ich schätze perverse Sportlehrer gibt es nicht nur in Beverly Hills.
"Der Trainer meines Cheerleader Teams war genauso drauf, bis wir irgendwann genug Beweise gegen ihn hatten und er von der Schule geflogen ist", erzähle ich.
"Du bist Cheerleader? Du solltest Maddy kennenlernen", erwidert Kat und beißt ein Stück von ihrem Sandwich ab.
Verdammt. Diese Maddy scheint wohl die berühmteste Person an der Schule zu sein. Es ist etwas länger her, aber ich habe diesen Titel auch mal verteidigt.
Aber die Zeiten sind vorbei und sie sollen auch nie wieder zurückkehren.
"Ich hol mir mal ne Flasche Wasser. Will einer von euch noch was?", frage ich und stehe auf.
Alle schütteln den Kopf, also stelle ich mich in der Schlange an und starre auf das trostlose Essen der Kantine, als mich plötzlich eine Hand an der Schulter packt.

"Was tust du hier?", haucht eine tiefe Stimme. Ich zucke zusammen. Das ist Nate. Ich muss mich nicht einmal umdrehen, um mir sicher zu sein.
"Entschuldige, kennen wir uns?"
"Sehr lustig, Faith."
Er verdreht die Augen.
Prüfend schaue ich rüber zu dem Tisch, an dem Kat, Rue und Jules sitzen. Sie sollen nichts davon mitbekommen, dass Nate und ich uns unterhalten. Allerdings sind sie so in ihr Gespräch vertieft, dass ich ihn hier auf der Stelle abknutschen könnte und sie würden es nicht merken.
Natürlich werde ich das nicht tun.
"Lass es einfach, Nate. Wir kenne uns nicht, okay?"
"Du hast mir nie erzählt, dass du hierher ziehst!", zischt er.
"Und du hast nie gefragt!"
Er baut sich vor mir auf, was etwas angsteinflößend ist, weil er viel größer ist als ich.
"Die Nächste!", ruft die Köchin der Kantine.
Ich drehe mich zu ihr um.
"Ein Wasser bitte", bestelle ich.
"Wenn Maddy das erfährt, dann..."
"Was erfährt? Es ist nie etwas passiert", unterbreche ich ihn. Wahrscheinlich will ich noch viel weniger als er, dass jemand von unserer Affäre erfährt. Ich muss mich hier noch beweisen im Gegensatz zu ihm.
Ich greife nach der Flasche.
"Entspann dich Nate. Ich bin nicht hier, um dein Leben kaputt zu machen. Ich bin hier, um mir eins aufzubauen und du bist kein Teil davon."
Er hört mir aufmerksam zu.
Hinter ihm sehe ich Maddy die Cafeteria betreten. Cassie steht hinter ihr und scheint zu chatten, denn sie grinst, während sie schnell auf ihrem Handy herumtippt.
"Und jetzt viel Spaß mit deiner Freundin", wünsche ich und lasse ihn stehen.