Kapitel 6 - Faith

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"Nein, alles gut. Ich fahre mit Jules zur Party. Aber wir sehen uns dort!", rufe ich Andy zu.
"Sicher babe?"
So langsam bin ich genervt.
"Ja, sicher! Jetzt fahr schon!"
Er nickt, steigt in sein Auto und fährt endlich los.
"Oh man, was ist er denn für eine Klette?!", fragt Kat und stöhnt auf.
"Die viel bessere Frage: Was war das vorhin für ein Kuss?!", fragt Jules.
Oh, der Kuss. Der Kuss, der so unerwartet kam, dass ich ihn am liebsten vergessen würde.
Andy war so euphorisch darüber, wie gut das Spiel lief, dass er mich einfach so geküsst hat. Und ich Trottel war so überrascht, dass ich einfach mitgemacht habe.
Aber als ich Nate sah, wurde mir sofort schlecht. Er hat den Kuss gesehen. Auch, wenn das das Ziel war, tut es mir irgendwie leid.
"Lasst uns bitte einfach losfahren. Ich ziehe mich im Auto um", sage ich.
Kat nickt und wir steigen bei ihr ein.

Ich zwänge mich in das enge Kleid und beschließe doch meine Sneaker anzubehalten, da sie wahrscheinlich viel bequemer sind, als die High Heels.
"Kommt Rue auch?", frage ich Jules.
"Keine Ahnung. Sie hat sich nicht gemeldet."
Ich nicke, aber innerlich bin ich besorgt.

Wir halten an der Straße, steigen aus und nähern uns dem Haus.
"Oh Gott, was soll ich tun, wenn er mich nochmal küssen will?", frage ich verzweifelt. Noch einen Kuss von Andy ertrage ich nicht.
"Ihn küssen", antwortet Jules.
"Auf gar keinen Fall!"
"Vielleicht wird er auch einfach zu besoffen sein. Du weißt doch wie die Typen sind, wenn sie gewinnen", sagt Kat.
Ich hoffe, dass sie recht hat.

Wir betreten das Haus. Die Musik ist so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht.
"LASS UNS EINEN DRINK HOLEN!", ruft mir Jules zu. Ich habe ehrlich gesagt nur das Wort Drink verstanden, aber das halte ich für eine gute Idee.
In der Küche ist es etwas ruhiger, aber eine Person fällt mir sofort auf. Nate.
Er steht an die Küchenzeile gelehnt mit einem Bier in der Hand da.
Oh Gott. Soll ich irgendwas sagen? Oder wäre das weird?
"Wie wäre es mit Vodka gemischt mit Sprite?", fragt Jules, die wahrscheinlich noch nichts von Nates Anwesenheit mitbekommen hat.
"Klingt gut", antworte ich.
Nate mustert mich von oben bis unten, was mich noch nervöser macht. Irgendwie sieht er traurig aus.
Und seine Wange ist rot. Hat er sich geprügelt?
Jules holt ihr Handy heraus.
"Oh Maddy und Cassie sind da. Ich gehe kurz zu ihnen. Warte hier."
So schnell wie Jules weg ist, kann ich gar nicht gucken. Mist. Jetzt bin ich auch noch alleine mit ihm in der Küche.

Ich nehme einen großen Schluck von meinem Drink und hoffe auf eine sofortige Wirkung des Alkohols.
Dann nähere ich mich ihm zögernd.
"Gut gespielt", sage ich und lächle.
Im ernst, Faith? Mehr fällt dir nicht ein?
Er antwortet nicht, sondern nippt nur an seinem Bier.
"Was ist mit deiner Wange?", frage ich.
Er antwortet immer noch nicht.
Okay, das wars wohl. Ich sollte gehen.

Ich drehe mich um und will die Küche verlassen, als mich eine Hand am Unterarm packt und zurückzieht.
Nate atmet mir direkt ins Gesicht.
"Wie ist es so ein schlechter Mensch zu sein?", fragt er.
Er ist offensichtlich betrunken.
"Ich weiß nicht wovon du sprichst", antworte ich und reiße mich los.
"Du machst ihm falsche Hoffnungen. Wieso tust du das?"
"Wem? Andy?"
Er nickt.
"Ich mache ihm keine falschen Hoffnungen", lüge ich.
"Oh bitte. Lüg mich nicht an Faith."
ich senke beschämt den Blick. Was ist bloß los mit mir?
"Schade, ich hätte dich anders eingeschätzt", flüstert er mir ins Ohr und lässt mich stehen.
Schuldgefühle und Wut machen sich in mir breit.
Was denkt er eigentlich, wer er ist?
Er hat absolut recht und das macht mich wütend.
Ich drehe mich um und sehe ihm nach. Er läuft direkt auf Maddy zu, zieht sie an sich und küsst sie leidenschaftlich.
Autsch. Das tut weh. Aber was du kannst, kann ich auch.

Nach einer halben Stunde suchen habe ich endlich Andy gefunden. Er sitzt mit seinen Freunden auf dem Sofa und trinkt Bier.
"Babe!", ruft er, als er mich sieht.
Auch, wenn ich am liebsten davonrennen würde, habe ich immer noch meine Mission durchzuführen.
"Lass uns tanzen!", rufe ich und ziehe ihn von der Couch hoch.
"Trink doch erstmal was mit mir", antwortet er und reicht mir sein Bier. Ich hasse Bier.
"Das ist aber mein Lieblingslied. Komm schon."
Eigentlich ist es das nicht, aber der Beat passt zu meinem Vorhaben.

Ich ziehe Andy mit mir in die Mitte des Raumes und fange an zu tanzen. Ich greife nach seinen Händen und lege sie an meine Taille.
"Oh babe du siehst verdammt scharf aus!", ruft mir Andy zu. Ja, das war das Ziel.
Ich drehe mich um und reibe meinen Arsch an ihm.
Im selben Moment sehe ich Nate und Maddy vor uns tanzen. Nates Blick ist direkt auf mich gerichtet.
Amüsiert lächle ich ihn an.
Andys Hände wandern meinen Körper entlang nach oben zu meinen Brüsten. Okay, das reicht. Ich ziehe seine Hände wieder nach unten an meine Hüfte und tanze weiter.

Ich bemerke, dass einige Blicke auf uns gerichtet sind. Auch Maddy hat uns mittlerweile im Visier.

"Bist du Cheerleader, oder so?", fragt Andy plötzlich.
"Ja, ich war eine", antworte ich.
Wahrscheinlich sieht man mir das an beim tanzen. Das Rhythmusgefühl geht niemals verloren.
Das Lied neigt sich langsam dem Ende zu und ich habe es wirklich geschafft, die ganze Zeit Nates Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Ich drehe mich wieder zu Andy um. Auf einmal packt er mich am Kopf, zieht mich an sich heran und küsst mich.
Oh nein, das wollte ich eigentlich verhindern. Ich stoße ihn von mir weg.
"Komm schon, lass uns nach oben gehen", sagt er und fasst mir an den Arsch.
"Lass das!", rufe ich und stoße ihn wieder von mir weg, was nicht viel bringt, denn er macht weiter damit, mich anzufassen.
"Hör auf!", rufe ich, nun etwas lauter.
Keine Chance. Seine Hand wandert unter mein Kleid bis zu meinem Slip.
"Andy!", schreie ich und versuche mich aus seinem Griff zu befreien, aber er ist zu stark.

Ich bekomme Panik. Mein Herz rast. Oh Gott. Hier sind so viele Menschen und keiner hilft mir.
Auf einmal greift jemand Andy an seinem Shirt und zieht ihn weg. Es ist Nate.
Er verpasst Andy eine, sodass er zu Boden fällt.
"Lass die Finger von ihr du Arsch!", brüllt er und schlägt weiter auf ihn ein, obwohl er bereits auf dem Boden liegt.
Oh mein Gott.

"Nate!", ruft Maddy und versucht ihn davon abzuhalten, weiterzumachen. Aber er lässt sich nicht aufhalten.
Oh mein Gott. Er wird Andy umbringen.
"Hör auf!", schreie ich und gehe dazwischen.
"Nate! Hör auf!", schreie ich erneut und packe ihn bei den Armen. Er sieht zu mir hoch. In seinem Blick erkenne ich puren Hass. Nicht mir gegenüber, sondern Andy gegenüber.

Nate steht auf, lässt Andy liegen und verlässt das Wohnzimmer.
Die Musik ist aus und alle starren uns an. Maddy rennt Nate hinterher.

Scheiße. Andy ist mit Blut überströmt und antwortet nicht. Er muss ins Krankenhaus.

Euphoria - Nate & FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt