Kapitel 7 - Faith

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Ich betrete die Notaufnahme. Sofort steigt mir der beißende Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase.
Am Empfangstresen sitzt eine ältere Krankenschwester, die mich neugierig mustert.
"Kann ich etwas für Sie tun?", fragt sie.
"Ja, ich möchte zu Andy", antworte ich.
"Andy und weiter?"
Shit. Ich kenne nicht mal seinen Nachnamen.
"Ich bin eine Freundin von ihm. Er wurde..."
Ich lehne mich näher an den Tresen heran.
"Verprügelt", flüstere ich.
Sie nickt und tippt irgendwas auf ihrer Tastatur.
"Er liegt im Zimmer drei, den Gang runter."
Ich nicke dankbar.
"Viel Spaß mit Ihrem Freund. Aber hey! Keine perversen Spiele!"
Ich verziehe das Gesicht, woraufhin sie anfängt zu lachen.

Andy liegt schlafend in seinem Bett. Sein Gesicht ist gerötet und hat einige Platzwunden.
"Hey", flüstere ich und setze mich ans Bett.
Dann schaue ich auf die Uhr an der Wand. Es ist gerade mal sieben Uhr. Ich bin von der Party direkt nach Hause, um zu duschen und mich umzuziehen.
Andy öffnet die Augen und lächelt, als er mich sieht.
"Wie gehts dir?", frage ich.
"Jetzt besser, wo du hier bist."
"Das ist gut. Ich wollte dir nämlich was sagen..."
Ich stehe auf und laufe zu dem Monitor, an dem er hängt.
"Ich kenne mich mit diesen Systemen absolut nicht aus", scherze ich und fange an irgendwelche Knöpfe zu drücken.
"Hey! Was machst du da?!", fragt Andy gereizt.
"Ach weißt du...ich finde, dass du das verdient hast", antworte ich gehässig.

Männer oder Jungs, die sich einfach so an Jungs vergreifen, haben es nicht anders verdient.

Andy wird panisch und versucht aus dem Bett zu klettern, was ihm nicht gelingt.

"So viele Kabel! Ob das hier wichtig ist?!", frage ich und reiße eins heraus. Es war nur das Stromkabel des Monitors.

"Du bist doch krank! Genau wie Nate! Ihr werdet beide im Knast landen! Du verrückte Bitch!"

Ich verlasse den Raum, bevor mich jemand erwischt und verlasse die Notaufnahme wieder. Irgendwie fühle ich mich gut und befreit.

Auf dem Parkplatz angekommen, wo Jules auf mich wartet, hole ich mein Handy aus meiner Jackentasche.

Ein Video auf Instagram geht gerade viral. Es zeigt Nate, wie er Andy verprügelt.
"Scheiße...", murmle ich.

"Hast du es auch schon gesehen?", fragt Jules besorgt. Ich nicke.

"Wenn die Schule Wind davon bekommt wird Nate suspendiert", sagt sie. Ich nicke nur. Wäre das denn so schlimm? Vielleicht würde Nate eine Auszeit mal ganz gut tun. Auch, wenn ich ihm sehr dankbar bin für seine Hilfe, hat er Maddy gewürgt und Andy verprügelt.
Ich will es zwar nicht wahrhaben, aber er ist auf irgendeine Art gefährlich.

"Lass uns nach Hause fahren", schlage ich vor.

Jules und ich stellen unsere Fahrräder in die Garage. Gerade, als wir die Veranda Stufen hochgehen, höre ich jemanden meinen Namen rufen.
Ich drehe mich um und erblicke Nate.

Er steigt aus seinem Auto.

"Geh schonmal ins Haus", flüstere ich Jules zu.
Sie nickt und geht rein.

"Was willst du?", frage ich und komme zu ihm herunter.
Er hat seine Hände lässig in seine Hosentaschen gesteckt, aber ich spüre seine Anspannung.

"Hast du das Video gesehen?", fragt er und sieht die Straße herunter, als würde ihn jemand verfolgen.
"Ja, habe ich."
"Es zeigt nur die halbe Wahrheit."
Ich nicke.
"Wenn mein Vater das Video sieht...oder der Schuldirektor, dann..."
"Dann wirst du suspendiert", beende ich den Satz.
Er nickt.
"Du kennst die ganze Wahrheit. Du weißt, wieso ich Andy verprügelt habe."
Ich seufze.
"Du musst mich verteidigen, Faith!"
Ich zucke zusammen, als sich seine Stimme erhebt.
"Ich muss?! Bin ich dir was schuldig?", frage ich.
Nate seufzt verzweifelt und dreht mir den Rücken zu.

"Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, aber ob ich dir da raushelfe, oder nicht, ist meine Sache!"
Auf einmal geht die Haustür auf und Dad kommt heraus. Auch das noch.
"Hey, ihr beiden!"
Er kommt zu uns und grinst.
"Du bist doch Nate, oder?"
Nate runzelt fragend die Stirn.
"Oh wir haben uns letztens kurz in eurem Haus gesehen. Ich bin ein Geschäftspartner von deinem Dad."
Nate lächelt auf einmal und sie geben sich die Hand.
"Willst du nicht reinkommen?"
"Nein! Nate wollte gerade gehen", rufe ich dazwischen.
Dad nickt.
"War schön dich zu sehen. Bis bald mal!"
Endlich geht er wieder ins Haus.
"Dein Dad und mein Dad arbeiten zusammen?", fragt Nate überrascht.
"Glaub mir. Ich finde das auch merkwürdig", antworte ich.
"Wenn du mir nicht hilfst Faith, wird mein Dad die Geschäftsbeziehung zu deinem Dad kündigen."
Ich reiße die Augen schockiert auf.
Wenn er das tut, haben wir gar nichts mehr. Dad hat dann keinen Job mehr und wir können uns dann wahrscheinlich nicht mal mehr das Haus leisten. Aber das geht Nate nichts an.
"Du drohst mir?", frage ich.
"Wenn du nicht anders hören willst, ja."
Das hätte ich mir ja denken können.
"Überleg es dir, Faith."
Er läuft zu seinem Auto und steigt ein.

Ich schaue ihm hinterher, als er die Straße runterfährt.

Euphoria - Nate & FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt