Kapitel 7 - Nate

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Oh man, was habe ich nur getan. Die Tatsache, dass ich Andy verprügelt habe, zieht einen langen Rattenschwanz mit sich mit.
Ich habe Faith bedroht. Wieso tue ich sowas? Ich will es eigentlich nicht zugeben, aber ich habe eine Scheißangst. Angst davor, suspendiert zu werden. Angst davor, meinen guten Ruf zu verlieren und Angst vor meinem Dad.
Er darf das alles nicht wissen, sonst bin ich richtig am Arsch.

Ich betrete die Schule voller Anspannung. Der eigentlich sicherste Ort für Schüler, wird zur Hölle auf Erden.
Alle starren mich an und urteilen über mich.
Sie flüstern und zeigen hinter meinem Rücken mit dem Finger auf mich. Nur Maddy nicht. Sie steht immer noch an meiner Seite.
"Alles okay, Baby?", fragt sie und ergreift meine Hand. Nicht mal mehr das spendet mir Trost.
"Ja, alles okay", lüge ich.
"Sicher? Du bist so angespannt."
"Können wir irgendwo ungestört reden?"
Sie nickt.

Wir schwänzen den Unterricht und stehen nun auf dem Parkplatz. Ich rauche eine, obwohl ich Zigaretten eigentlich verabscheue.
Aber manchmal helfen sie mir beim vergessen.
"Hast du das Video gesehen?", frage ich sie.
"Jeder hat es gesehen."
"Ich bin am Arsch", seufze ich.
"Ach bitte. Du bist Nate Jacobs. Die Sache ist bald vergessen, glaub mir."
"Ich bin mir da nicht so sicher, Maddy. Andy liegt im Krankenhaus."
"Ja, weil er bloß simuliert. Aber eine Frage habe ich trotzdem noch..."
Sie zieht die Augenbrauen hoch.
"Wieso hast du ihn verprügelt?"
Ich schlucke, schnippe den Zigarettenstummel auf den Boden und trete ihn aus.
"Er hat es verdient", sage ich, ohne ihr in die Augen zu schauen.
"Ja, aber wieso? Was hat er getan, was dich auf einmal so wütend gemacht hat?"
Seine reine Anwesenheit macht mich wütend. Dass er Faith angefasst hat und ich das nicht ertragen habe, kann ich Maddy natürlich nicht sagen.
"Sein Dad macht sich an meine Mum ran. Das ist alles."
Sie verzieht das Gesicht.
"Oh baby, das tut mir leid. Ja, er hat es wirklich verdient."
Sie schmiegt sich an mich, aber ich ertrage ihre Nähe gerade nicht.
Ich muss hier weg.

"Ich hab jetzt Unterricht. Wir reden später weiter, okay?"
Maddy nickt und ich lasse sie stehen.
Die Wahrheit ist, dass ich Maddy nur nicht länger in die Augen blicken kann. Ich habe Schuldgefühle, die mich quälen.
Ich sehe immer noch Faiths entsetztes Gesicht vor mir, als ich ihr gedroht habe. Aber was hätte ich denn tun sollen? Ihre Familie hat bestimmt sowieso genug Geld.
Aber wenn rauskommt, dass ich Andy einfach so verprügelt habe, dann verliert der Name Jacobs seinen Ruf. Mein Dad wird keine Kunden mehr haben und wir werden pleite. Das kann ich nicht zulassen.

Ich laufe den Gang runter, bis ich im Augenwinkel eine kleine zierliche Gestalt sehe. Es ist Faith.
Sie hat Leggings, einen schwarzen Hoodie und Converse an. Heute ist sie ungeschminkt und trägt ihr Haar nur in einem Dutt.
Müde holt sie ihre Bücher aus ihrem Spind, macht ihn wieder zu und dreht sich zu mir um. Abrupt bleibt sie stehen, als sie mich erkennt.
Was soll ich bloß sagen? Es tut mir leid, dass ich dir gedroht habe?
Nein, das geht nicht. Aber ich muss etwas sagen. Irgendwas.

Es klingelt zur Pause. Die Türen der Unterrichtsräume springen auf und laute Stimmen ertönen. Schüler laufen an uns vorbei. Sie bemerken uns nicht einmal. Faith senkt den Kopf und lässt sich mit der Menschenmenge mitziehen.

Verdammt. Hätte ich nur etwas mehr Zeit gehabt, dann hätte ich etwas gesagt. Jetzt ist sie weg.

Euphoria - Nate & FaithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt