Deus Rex Machina

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„Aaagh! Ahhhhhg!!"

Jemand schrie. Gurgelnde Tierlaute ohne Sinn und Verstand. Der metallische Geschmack von Blut auf seinen Lippen, auf seiner Zunge, in seiner Nase. Seine Augen flogen auf – und er starrte direkt in eine bluttriefende Totenschädelfratze. Aus dem Augenwinkel sah er ein glänzendes Stück Metall in einer vernarbten Hand. Reflektierte Flammen tanzten darüber. Die Hand hob sich, hob sich – stieß zu.

„Gahhh!"

Die Finger um seine Kehle lösten sich und sein Kopf drehte sich zur neusten Quelle seiner Qual. Sein Arm! Dieses Ding hatte ihm ein Messer durch den Unterarm getrieben, ihn an die Wand genagelt. Sein Blick flog zur anderen Seite. „N... nein." Man hatte ihn gekreuzigt. Erinnerungen an was geschehen war, wo er war, wer er war schmetterten in seinen Verstand. „Nein..."

Sein Peiniger grinste – was nicht schwer war, da ihm die Hälfte des Gesichtes fehlte. Der Anblick dieser Fratze war mehr als genug, um Adelmars Schmerz in den Hintergrund zu drängen. Da war nichts vertrautes mehr in diesen Zügen. Nichts. Dies war nicht das naive Opfer, das er am Markt aufgelesen hatte. Das hier war ein Ungeheuer: pur und simpel. Kein Kind von Chimära. Kein Fey oder Fell. Ein Monster aus den Tiefen des Abgrundes. Da war kein Hauch von Menschlichkeit in diesem schwarzen Loch von einem Auge. Nichts. Wenn überhaupt war das einzige Gefühl, dass man auf den irr grinsenden Zügen sehen konnte, eines von dementer Freude.

Das schwarze Auge starrte ihn an. Erbarmungslos. Erwartungsvoll.

Adelmar schmeckte Säure in seinem Mund und schluckte schwer. Sein ganzes Leben war er nie um Worte verlegen gewesen. Worte waren seine Waffen, waren seine Freunde. Jetzt hatten sie ihn verlassen, so wie scheinbar alle anderen auch. „Ich—"

Die Hand des Vernarbten schoss vor und legte sich auf Adelmars Gesicht. Sie stank nach Blut und Tod und Pein. Der stahlharte Daumen presste auf seine Lippen. „Lüüügner." Es war nicht nur eine Stimme, die zu ihm sprach, sondern viele. So viele. Ein Chor der Verdammten. Der Vernarbte keuchte das Wort, röchelte es, knurrte es, spuckte es ihm entgegen. Alles auf einmal. Alles zusammen. Etwas geschah mit der Hand des Monsters. Adelmar konnte es nicht sehen, spürte es jedoch. Spürte wie etwas aus den Fingern brach, wie es sich rankengleich um seinen Kopf legte und fixierte.

Etwas Warmes lief Adelmars Beine hinab. Blut? Pisse? Beides?

„Lüüügner", hauchte das Monstrum einmal mehr in seinen vielen Stimmen. Sein Daumen, hart und unnachgiebig, presste gegen Adelmars Oberlippe, gegen seine Schneidezähne, stärker und stärker. Schmerz schoss durch seinen Schädel und er schmeckte frisches Blut auf der Zunge, hörte ein Knirschen das von überall und nirgends zu kommen schien. Lauter und lauter und—

CRUNCH!

Adelmar schrie – oder versuchte es, doch nur ein abgehacktes Gurgeln und Klicken kam aus seiner Kehle. Sein Mund füllte sich mit Blut, quoll über seine Lippen, dann seinen Rachen hinunter. Seine Zunge zappelte umher, obszön fasziniert von den zwei harten Dingern in seinem Mund, überwältigt vom Salz- und Metallgeschmack des Blutes. Er hatte das Gefühl zu ertrinken, gurgelte, schluckte, würgte, als die Schneidezähne seinen Rachen hinunterglitten.

Adelmar wünschte sich den Tod ... doch Erlösung war ihm nicht vergönnt.

Das Lächeln des Monsters streckte sich von Ohr zu Ohr, schrecklich wie eine Schnittwunde, die von zwei Fingern auseinandergezogen wurde. Dann drehte es seinen Kopf zur Seite, so das Adelmar die fehlenden Backenzähne sehen konnte. „Zaaahn um Zaaahn", flüsterten, hauchten und zischten die vielen Stimmen seines Peinigers. Adelmars Augen weiteten sich. Der Daumen wechselte die Position, so dass er über Adelmars unteren Schneidezähnen lag. Der Druck, der schreckliche Druck wurde stärker, stärker, stärker ...

ARCHETYPE 3.0Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt