„Welten?"
Adelmar nickte enthusiastisch über die Schulter, als er sich einen Weg durch die ungewaschenen Massen bahnte. „Welten, mein Freund, Welten!"
Ein Muskel im Gesicht des Vernarbten zuckte. Gerade als er dachte, dass die Dinge nicht schlimmer, nicht bizarrer werden konnten, musste er seinen neuen – seinen einzigen – Freund fragen, was er denn so machte. „Welten", murmelte der Vernarbte einmal mehr, schniefte und schlurfte hinter Adelmar her, machte sich für die nächste Ladung Irrsinn bereit.
„In der Tat. Welten! Ich hoffe ich erschrecke Euch nicht, wenn ich sage, dass ich ein nicht unerheblicher Meister des Arkanen bin: Der Technologie der Alten, welche es einem erlaubt andere Sphären der Existenz zu erschaffen und zu bereisen."
„Sprechen wir hier von, was, Computern?"
Adelmar blieb so abrupt stehen, dass der Vernarbte ihn fast über den Haufen lief und fuhr zu ihm herum, ein fanatisches Leuchten in den dunklen Augen. „In der Tat. Wobei ihr es falsch ausgesprochen habt, es heißt Compu-Thar. Compu-Thar, mein Freund."
Der Vernarbte war sich ziemlich sicher, dass es Computer ausgesprochen wurde, nickte jedoch diplomatisch. „Compu-Thar. Das war's. Meine Aussprache war nur ... uhm ... künstlerische Freiheit."
„Huh. Wieviel wisst ihr von den Weltenmachermaschienen?"
„Eckige Kästen mit Metalleingeweiden. Machen schöne Geräusche, wenn man sie die Treppe runterwirft." Adelmar sah aus, als hätte ihm der Vernarbte gerade gesagt, dass er gerne Babys frisst. „War nur ein Witz. Ich denke ich weiß ein bisschen darüber. Erzähl mir doch mehr von diesen ... diesen Weltenmachermaschienen."
Sein Gönner sah ihn noch einen Moment länger entrückt an, fand sein Lächeln und seinen Enthusiasmus jedoch schnell wieder und ging weiter. „Nun... die, die vor uns kamen, konnten diese wundersamen Maschinen nutzen, um in magische Welten einzutauchen. Welten die von Code-Mystikern erschaffen wurden – von Göttern in menschlicher Gestalt."
„Uh huh."
Code-Mystiker? Götter? Interessante Beschreibung für einen Programmierer. Sein neuer Freund hatte eine Recht pompöse Art sein Spezialgebiet – und damit sich selbst – in ein gutes Licht zu stellen. Adelmar war jedoch weit davon entfernt so irritieren wie einige der Oratoren hier zu sein. Gerade eben gingen sie an einem Kerl vorbei, der eine schwer mitgenommene Star-Trek Uniform trug, jedoch mit Elan eine Lichtschwert-Attrappe durch die Gegend schwang und dabei die Vorzüge der Macht beim tantrischen Sex preiste. Der Vernarbte war sich zwar nicht ganz sicher warum, aber er hatte das überwältigende Bedürfnis den häretischen Bastard die Arme auszureißen, um ihn mit seinen eigenen Händen zu erwürgen.
„Man konnte alles in diesen alternativen Realitäten sein!", schwadronierte Adelmar, als er sie schnurstracks in eine dicht aneinander gepackte Menschenmenge führte. „Alles! Man konnte dort unglaubliche Abenteuer erleben – ohne je selbst Gefahr für Leib und Leben haben zu müssen."
Der Vernarbte verzog sein Gesicht und folgte Adelmar in die See aus Leibern. Wenigstens war das Geschwafel eine gute Ablenkung. Es klang sogar vertraut. Sehr vertraut sogar. „Du sprichst von Computerspielen, oder?"
Adelmar fuhr herum. „Spiele?!"
Er fauchte das Wort mit solcher Inbrunst, das der Vernarbte vor Überraschung einen Schritt zurückwich und ihm jemand mit voller Wucht in den Rücken knallte. „Uff!" Sein erster Instinkt war sich umzudrehen, um sich zu entschuldigen, doch Adelmars metallener Finger unter seiner Nase lies ihn das schnell vergessen.
„Das waren keine Spiele!", fauchte sein Führer. „Es waren Leben! Es war die Möglichkeit jemand anderes zu sein und Dinge zu tun, die einem Aufgrund von Geburt und Stand verwehrt blieben! Insbesondere, als die Alte Ordnung dem Wahnsinn verfiel, haben sich die Menschen in ihre magischen Welten geflüchtet. Viele verließen sie nur um den Bedürfnissen ihrer fleischlichen Hülle nachzugehen!"
DU LIEST GERADE
ARCHETYPE 3.0
Science Fiction★Dritter und letzter Teil der WATTYS 2018 "Die Wortschmiede" Gewinner Story★ Liebe. Chaos. Zorn. Waagen, das große Mekka der Monster, ist in Aufruhr. Noch immer liegt der Rauch des Krieges über der Stadt, doch weiteres Unheil braut sich bereits zusa...