Laying down the Law

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„Ahh!" Gaut sprang auf und Silberzunges Kopf flog von seinem Schoß, polterte zu Boden und rollte davon. Sein Herz hämmerte, drohte zu platzen, sein Atem wenig mehr als hektisches Keuchen. Lauf! Das Wort donnerte durch seinen Verstand. Er musste weg von hier, musste irgendwie von diesem Teufel—

Gaut blinzelte. Niemand stand hinter dem Leichnam. Niemand. Das einzige was sich bewegte, war die ständig größer werdende Blutlache, die sich aus Silberzunges Halsstumpf ergoss und über den weißen Marmor auf ihn zu kroch. Ein Quietschen entkam Gauts Nase und er fuhr herum, sicher dieser Teufel würde hinter ihm stehen.

Nichts.

Gaut gurgelte, drehte sich erneut, drehte sich wieder, und wieder, und wieder, bis die Welt wackelte und wankte. Nichts. Dieses Ding war so schnell verschwunden, wie es erschienen war, hatte nicht einmal einen blutigen Fußabdruck hinterlassen.

Blut...

Die von Silberzunge geborene rote See war nur noch wenige Zentimeter von seinen Stiefeln entfernt, kroch näher und näher. Gaut würgte und schmeckte Säure auf seiner Zunge, hätte sich wohl übergeben, wenn ihn nicht eine schreckliche Erkenntnis getroffen hätte. Nicht ... verschwunden. Er taumelte zurück, stieß seinen Stuhl um, stolperte fast darüber. Unsichtbar! Es musste eine Art Tarnkappentechnologie sein, wie sie die Elitespäher des Ordens nutzten.

„Z... zeigt euch!"

Gaut hatte es schreien wollen, doch nur ein Keuchen kam über seine Lippen. Die Stimme eines gebrochenen alten Mannes. Armselig. Er hielt inne. Der Altar. Seine Plasmapistole! Ein Geschenk des Papstes persönlich. Er fuhr herum, fummelte unter der Steinplatte, bis er den dort befestigten Holster fand. Seine zitternde Hand schlossen sich über die gesegnete Waffe – und eine gänzlich unmenschliche Hand schloss sich um seinen Hals.

Komplett um seinen Hals.

„Agh!" Bevor er wusste wie ihm geschah, wurde sein Kopf auf den Stein des Altars geschmettert, die gesegnete Plasmapistole seinen Fingern entrissen. Er wimmerte, schmeckte Blut auf seiner Zunge, wagte es aber nicht sich zu bewegen. War es sein Blut? Das von Demetrius? Das des schleimigen Gehirnbrockens, in das sein Gesicht gepresst wurde, wie die Schnauze eines ungezogenen Hundes in seine Ausscheidungen?

Terror schnürte Gaut die Kehle zu. Angst, wie er sie seit Jahrzehnten nicht mehr gekannt hatte. Die Art Angst, die einem Mann die Worte raubte – und die Würde. Feuchte Hitze strömte über seine Oberschenkel, doch das war ihm egal. Zu sehr war sein Geist auf die stahlharten Finger um seinen Hals fokussiert. Würden sie ihn erdrosseln oder erwartete ihn dasselbe Schicksal wie seinen Magus Rhetoricus?

Gott hilf mir...

Würde sein Leben wirklich so jämmerlich enden? Starr vor Angst und mit besudelten Beinkleidern? Gauts Atem kam in Stößen, kein kontrolliertes ein und aus mehr, sondern das Japsen eines Sünders auf einer Hure, eines Ketzers, dem den Kuss des glühenden Eisens bevorstand. Sein Herz hämmerte so stark, er war sicher, dass es jeden Moment platzen würde.

Hilf mir...

Langsam, quälend langsam, Finger für teuflischen Finger, löste sich die Hand um seinen Hals. Der Griff um sein Handgelenk lockerte sich jedoch kein bisschen, hielt ihn an Ort und Stelle.

Zip!

Das Geräusch mit dem sich etwas um sein linkes Handgelenk zusammenzog und in sein Fleisch biss war schrecklich vertraut. Was war es? Was war ... Die Augen des Vikars weiteten sich. Ein Kabelbinder ... Sein rechtes Handgelenk folgte einen Moment später und mit einem dritten Zip wurden beide Arme hinter seinen Rücken gebunden. Eine absolut unnötige Vorsichtsmaßnahme, denn Gaut wagte es nicht einmal seine Wange aus dem eisigen Fleischmatsch zu heben, wagte es kaum zu atmen.

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