Bruja

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Brujas waren stark. Verflucht stark und es würde nicht lange dauern bis sich Adelmars Kopf sich von seinen Schultern löste. Also tat Leonora das einzige was sie konnte, brachte ihre Pistole hoch, legte an und feuerte. Sie mochte zwar nicht der beste Schütze sein, doch diese Kreatur zu verfehlen wäre, als würde man auf fünf Meter Entfernung ein Scheunentor mit einer Schrotflinte verfehlen.

Pop-Pop-Pop.

Die Gelmunition hämmerte in das gelbe Fleisch, schlug dort Wellen. Leonora hoffte, betete, dass die Betäubungsgeschosse auch bei dieser Art Veränderten Wirkung zeigen würden. Brujas waren extrem schwer zu töten und mit normalen Kugeln hätte sie ohnehin keine Chance. Sogar Silber hatte keine Wirkung. Salz war was sie brauchte, aber wo sollte sie hier schon Salz herbekommen?

Ihr Plan funktionierte jedoch. Teilweise.

Die riesige Hand öffnete sich, bevor Adelmars Gehirn aus seinen Ohren spritzte konnte und er glitt zu Boden – die Bruja jedoch glitt auf sie zu. Ihre säulenartigen Beine drückten die zwei zusammengeschobenen Krankenhausbetten einfach auseinander und schon schoss sie auf Leonora zu wie diese Rennschnecke aus dem Buch, das ihr Vater so sehr gemocht hatte.

„MEHR!", donnerte die Veränderte.

Die Bruja war schnell – Finsternis, war sie schnell! – aber bei weitem nicht so schnell wie ein Sukkubus und vor allem nicht so beweglich. Leonora warf sich zur Seite, rollte sich ab und kam gerade wieder hoch, als die tonnenschwere Kreatur in die nächste Bettenreihe hämmerte. Schrottplatz-Tech, Betten und Körper flogen durch die Luft, verlangsamten die riesige Veränderte jedoch kaum.

„MEHR! MEHR! MEHR!"

Verzweiflung, Wut, Horror und Verlangen donnerten in ihrer Stimme, jagten Leonora einen Schauer über den Rücken. Dann nahm der Sukkubus eine Bewegung zu ihrer rechten war und fuhr herum, Waffe im Anschlag.

„Meine Liebste!" Adelmar kam auf sie zu getorkelt, einen rostigen Eimer in der Hand.

Eine jämmerliche Wahl was provisorische Waffen anging, aber sie musste seinen Eifer loben. Leonora sah sich nach einem Fluchtweg um und bemerkte zum ersten Mal das große Tor in der gegenüberliegenden Wand. Ein Tor, das sie in die nächste Halle bringen würde, eine Halle in der vermutlich immer noch gekämpft wurde. Ein verdammtes Hammer und Amboss Szenario wie es im Buche stand. Warum konnten die Dinge nicht wenigstens ab und zu problemlos verlaufen?

„Verfickte Finsternis!" Leonora packte Adelmar am Arm und zog ihn weiter.

„Ähm, meine Liebe?", begann Adelmar.

„Jetzt nicht wir müssen—"

„MEHR!", donnerte die Bruja und quoll in ihre Richtung, blieb jedoch stehen, als sie einen etwas beleibteren Sklaven vor sich sah. Leonora hatte ein sinkendes Gefühl in ihrem Inneren. „MEHR!" Die Bratpfannenhand klatschte auf den Bauch des Sklaven, umschloss seine Fettschwarte mit soviel Gewalt, dass sich umgehend ein Bluterguss bildete. Die andere Hand der Bruja legte sich auf dessen Brust und sie zog, zog ... zog! Die Haut des Sklaven dehnte sich, dehnte sich ... riss!

SCRR-SPLASH!

Es war ein Geräusch, wie sie es noch nie gehört hatte: widerlich feucht und eindringlicher, als Klauenfinger auf einer Schiefertafel. Von einem Augenblick zum nächsten hielt die Bruja die blutige Wampe des Mannes in der Hand, hob sie für eine Begutachtung kurz an Licht. Fett schimmerte und glitzerte im Schein der flackernden Halogenlampen wie blutbeflecktes Gold. Die Veränderte grinste und zeigte der Welt ein zahnloses Lächeln, wie man es einst auf Kürbissen während der Halloweennacht sah.

„Mehr!" hauchte sie – und stopfte sich die Wampe in den Mund.

Es folgte Schmatzen, Stöhnen – und ein Würgen, allerdings von Leonora. Es stimmte also, was sie gelesen hatte: Es gab nichts, das eine Bruja mehr begehrte als menschliches Fett. Es jedoch mit eigenen Augen zu sehen, es zu hören.

ARCHETYPE 3.0Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt