Kapitel 14 ~Danger Zone~

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Angespannt lief ich durch die hell erleuchteten Gänge. All meine Sinne waren geschärft und ich reagierte auf jedes noch so kleine Geräusch.
In dieser regelrechten Festung wimmelte es nur so von Wachleuten und ich musste echt aufpassen, nicht erwischt zu werden.
Ich erkannte mich selbst nicht wieder...
Wieso hatte ich nicht einfach auf Brandon gewartet?
Wie war ich auf die blöde Idee gekommen, hier allen Ernstes alleine reinzugehen?
Was war nur los mit mir?
Wie konnte ich das meinem Ehemann antun?

Aber jetzt war es zu spät...
Ich war einfach zu stur.
Jetzt war ich hier und es gab kein zurück.

Meine Füße und Beine schmerzten unglaublich und die Verbände müssten dringend mal gewechselt werden, doch das musste ich jetzt ausblenden.
Ich war bereits so weit gekommen.
Ich musste nur noch meine Tochter finden.
Mit verschwitzten Händen umklammerte ich Bennys Waffe.
Ob er noch lebte wusste ich nicht nicht.
Wir hatten einen Unfall gehabt und er war bewusstlos gewesen. Als der Rettungswagen endlich eingetroffen war, hatte ich mich aus dem Staub gemacht und war wie eine verrückte durch Chicago gelaufen.
Und irgendwann hatte ich diesen verdammten Gebäudekomplex endlich erreicht: die Festung der Carriords.

Es erschien mir alles so surreal.
Die Tatsache, dass ich es tatsächlich unbemerkt hinter die äußeren Mauern geschafft hatte, war fast schon unglaublich.
Es hatte allerdings auch lange genug gedauert.
Ich war die ganze Nacht wach gewesen und war mit einigem Abstand um das Gelände geschlichen.
Ich hatte es gerade noch so geschafft, Brandon eine SMS zu schicken, in der ich ihm meine bedingungslose Liebe gestand, bevor mein Akku schließlich völlig den Geist aufgegeben hatte.
Am Vormittag hatte sich dann endlich eine Möglichkeit ergeben.
An einem der Nebeneingänge hatte nur ein einziger Wachmann gestanden, der zudem noch äußerst jung aussah.
Es hatte mich zwar einiges an Überwindung gekostet, doch durch geschicktes Ausspielen meiner Weiblichkeit, hatte der Typ mich doch tatsächlich nach kurzer Diskussion reingelassen.
Seit dem streifte ich durch diese scheinbar endlosen Gänge...

Dementsprechend müde und hungrig war ich nun und es wurde von Minute zu Minute schwieriger, mich auf den Beinen zu halten.

Aber irgendwie wusste ich , dass ich es schaffen könnte.
Ich war mir sicher, stark genug zu sein.
Schon vor einigen Jahren hatte ich den Mut aufgebracht, meinen Ex-Freund im Krankenhaus zu besuchen und heute war ich noch um einiges selbstbewusster geworden.
Ich wusste, dass ich mich verteidigen könnte und hatte in den Jahren viel von Sam und Brandon gelernt.
Allein der Gedanke an Sam gab mir neue Kraft. Ich würde nicht nur meine Tochter retten.
Ich würde auch Sam rächen.
Diesen Verlust konnte ich nicht einfach auf mir sitzen lassen.

Ein bisschen wunderte ich mich über meine eigenen Gedanken.
Bevor ich Brandon kennengelernt hatte, hätte ich niemals einen Gedanken an Rache oder sogar Gewalt verschwendet. Das wäre mir nicht in den Sinn gekommen.
Doch heute dachte ich zunehmend wie Brandon.
Ich fühlte mich in seiner Welt immer mehr zuhause, mir wurde immer mehr anvertraut und so änderten sich auch meine Gedanken und Ansichten.
Nur deshalb stand ich jetzt hier in diesem Gang.
Mit winzigen Schweißperlen auf der Stirn, Bennys Waffe fest umklammert und völlig konzentriert.
Jedes kleinste Geräusch ließ mich zusammenzucken.
Ich würde mich nicht erwischen lassen.
Das hatte ich Brandon versprochen.

Glücklicherweise waren die Gänge einigermaßen verwinkelt, sodass ich mich bisher immer hatte verstecken können, wenn ich Schritte oder Stimmen gehört hatte, doch selbst ich wusste, dass das nicht ewig gut gehen würden.
Ich musste also so schnell wie möglich Esmira finden.
Doch um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte.
Es gab unzählige Türen und jede einzelne von ihnen zu öffnen, hätte zu viel Zeit gekostet und hätte dazu noch Aufsehen erregt.
Außerdem wusste ich ja nichtmal, ob ich überhaupt im richtigen Teil des Gebäudekomplexes war.

Ich merkte, wie die Müdigkeit immer mehr Überhand nahm und wie so langsam selbst das Adrenalin meine Schwäche und die Schmerzen nicht mehr überschatten konnte.

Dann ging plötzlich alles so schnell.
„Na was tust du denn hier Kleine?", drang eine fremde Stimme zu mir, während sich eine starke Hand von hinten auf meine Schulter legte.
Ich reagierte reflexartig, schlug die Hand von meiner Schulter, wirbelte herum und schlug dem relativ jungen Mann mit aller Kraft mit der Waffe von der Seite gegen die Schläfe.
Der Schmerz verdrängte den von meiner Aktion überraschten Ausdruck aus seinem Gesicht, bevor er mit einem dumpfen Knall zu Boden sank.

Wow, ich hätte niemals gedacht, dass das wirklich funktioniert...

Mein inneres Ich klopfte sich kurz selbst auf die Schulter.
Doch dann rannte ich.
Ich wusste, dass diese Tat nicht sehr lange unbemerkt bleiben würde.

Schwungvoll kam ich um die nächste Ecke, blieb abrupt stehen und machte ganz langsam ein paar Schritte zurück, konnte mich den Blicken der Wachmänner allerdings nicht entziehen.
Viel zu schnell waren sie bei mir, doch eins war sicher: ich würde mich nicht so leicht geschlagen geben!

Geschickt wich ich den ersten Griffen aus und merkte regelrecht, wie das Adrenalin meinen Körper völlig durchflutete.
Ich bewegte mich geschickt, schien die Bewegungen reflexartig auszuführen und musste kaum darüber nachdenken.
Bennys Waffe benutze ich nur zum Schlagen, es fiel kein einziger Schuss.
Und mit jedem Mann, der zu Boden ging, wuchs mein Selbstbewusstsein.
Ich war wie in einem Rausch.
Ich fühlte mich, als könnte ich es in diesem Moment mit jedem aufnehmen und steigerte mich regelrecht immer weiter in dieses Gefühl der Stärke und Unbesiegbarkeit hinein.

„Lyana!"
Ich stockte in meiner Bewegung.
Meine Augen wurden vor Überraschung größer.
Diese Stimme kannte ich.
Aber das war nicht möglich.
Es konnte nicht sein, dass ich diese Stimme wirklich hier an diesem Ort hörte.
Hatte ich mir das nur eingebildet?
Nein, es war so eindeutig gewesen...

Diese Stimme brachte mich komplett aus dem Konzept.
Ich war so verwirrt, dass es den drei übrigen Männern ein Leichtes war, mich zu fassen und bewegungsunfähig zu machen.
Ich wand mich in ihrem festen Griff und versuchte einen Blick in die Richtung zu werfen, aus der die Stimme meinen Namen gerufen hatte, doch dort war niemand zu sehen.

„Lasst mich los, ihr Bastarde!", knurrte ich und hörte mich bedrohlicher an, als ich es erwartet hätte.

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