Kapitel 28 ~In my Blood~

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Ein Bordell.
Mitten in dieser verdammten Festung.
Dieses Schwein war so krank.
Ich fühlte mich an diesem Ort schlagartig unwohl und die Anwesenheit und das dreckige Grinsen dieses Bastards rundeten den Schrecken noch ab.
Mich überkam ein bedrückendes Gefühl.
Für diese Welt war ich nicht gemacht.
Ich war so überfordert mit der Situation, dass ich mich gar nicht richtig umschauen konnte.
Dieser verdammte Spanier ließ wirklich nichts unversucht, um mich zu brechen...
Vielleicht würde er hier schaffen; vielleicht würde ich hier aufgeben...

„Gefällt dir dein neuer Arbeitsplatz?", fragte Rael hinterhältig und ich hätte ihm am liebsten das dreckige Grinsen mit der Faust aus dem Gesicht gewischt.
„Darauf kannst du lange warten!", zischte ich und meine Augen verengten sich vor Wut.
Meine Hand ballte sich fast schon unbewusst wie in Zeitlupe zu einer Faust...

Daraufhin baute er sich vor mir auf, packte mit einer Hand meinen Hals und zog meinen Kopf so an sich heran, dass mein Ohr direkt neben seinen Lippen war.
„Hör mal zu, Babe", raunte er bedrohlich, „du hast gar keine andere Wahl. Sei einfach brav und mach deine Arbeit. Ich habe deinen Körper gesehen; du wirst hier sehr viel Geld einbringen. Mave wird dich einweisen und es wird alles gut. Hier gibt es feste Regeln, sodass niemand verletzt wird. Wenn du allerdings meinst, du könntest mich verarschen, kette ich dich im Keller an, und im Keller gibt es keine Regeln. Glaub mir, dass willst du nicht..."

Ein kalter Schauer nach dem anderen lief mir bei seinen Worten über den Rücken.
Ich hatte mit den Tränen zu kämpfen.
Ich wollte das alles nicht.
Ich wollte nicht nur auf meinen Körper beschränkt und als Objekt behandelt werden.
Und ich würde sicher nicht alles mit mir machen lassen.
Ich war niemand, dem es leicht fiel, mit fremden Männern zu sprechen, geschweige denn, mit ihnen zu flirten. Aufgrund meiner Geschichte hatte ich eher Angst vor ihnen.
Und wer sich hier rumtrieb, konnte mich nur anekeln.
Ich wollte meine Würde behalten.
Um jeden Preis...
Alles in mir fühlte sich nach aufgeben an, doch das konnte ich nicht.
Nach allem, was dieser Bastard mir angetan hatte, würde ich es ihm jetzt nicht zu leicht machen.
Aufgeben lag mir einfach nicht mehr im Blut.

„Mave!", donnerte Raels Stimme durch den riesigen Raum und es dauerte nicht lange, da kam eine junge Frau mit pechschwarzen Haaren auf uns zu.
Als sie mich sah, empfing sie mich mit einem herzlichen, warmen Lächeln, das ich so niemals erwartet hatte.
Sie ließ damit ein kleines Stück meines Unbehagen schlagartig verschwinden.
Dafür war ich ihr dankbar, doch ich musste vorsichtig sein. Nur weil sie die erste Person seit Tagen oder Wochen war, die mich anlächelte und noch dazu keine Waffe trug, also keine direkte Bedrohung war, konnte ich ihr nicht einfach blind vertrauen...

„Sei vorsichtig mit ihr, Mave. Die Kleine hat Feuer, das solltest du ihr austreiben", meinte Rael herablassend.
Hätte ich mich in der Situation nicht so unwohl gefühlt, wäre mir bei diesen Worten sicherlich ein Grinsen über die Lippen gehuscht.
Dieser Bastard hatte anscheinend verstanden, dass er mich nicht so leicht brechen könnte...

„Boss, Sie sollten es besser wissen. Mädchen mit Feuer sind genau das, was die Männer hier suchen! So gut sollten Sie ihre eigenen Angestellten ja wohl kennen", kam es fast schon vorwurfsvoll von der Schwarzhaarigen und ich war gespannt auf Raels Reaktion.
Doch sie durfte sich das scheinbar erlauben, denn Rael lächelte amüsiert.
„Du machst das schon", meinte er zu ihr und wandte sich dann wieder mit einem dunklen Blick meiner Wenigkeit zu.

„Und du solltest besser auf Mave hören, sie ist deine Überlebenssicherung hier!", waren seine letzten Worte, bevor er den Raum verließ.

„Na komm, setz dich erstmal. Deine Beine sind ja ganz zittrig..."
Erst jetzt schien ich wirklich zu bemerken, dass meine Beine mich vor Schmerzen kaum noch halten konnten.
Jeder einzelne Muskel schien sich zusammenzuziehen und ich fragte mich, wie ich den Weg hierher überhaupt geschafft hatte.
Und so war ich froh darüber, mich ein paar Sekunden später in einen dunkelroten Sessel fallen lassen zu können.
Den Hintergedanken, was dieses Möbelstück wohl schon alles mitgemacht haben könnte, schob ich ganz schnell wieder aus meinem Kopf heraus.
Meine Beine entspannten sich wieder einigermaßen und auch mein Herzschlag pendelte sich langsam wieder auf einem halbwegs gesunden Niveau ein.
Ich brauchte wirklich Hilfe... Irgendjemanden...

Erst jetzt fand ich die Zeit, mit meine Umgebung genauer anzusehen.
Die Sessel, auf denen wir uns befanden, standen etwas abseits in einer Ecke des riesigen Raumes. Von hier aus konnte man scheinbar alles gut überblicken.
In der Mitte des Raumes befand sich eine Bar, die Theke war aus dunklem Holz gefertigt und in der Politur spiegelten sich die Reflexionen der verschiedensten Gläser.
Etwas rechts davon war eine Podest aufgebaut, dahinter wurden riesige Leinwände halb von schwarzen Samtvorhängen bedeckt. Es handelte sich wohl um eine Bühne.
An den Rändern dieser Bühne und überall im Raum verteilt waren Pole Dance Stangen angebracht, um die immer ein paar Stühle und kleine Tische herum standen.
Hinter der Bar konnte ich von hier aus einen Treppenauf- und Abgang erahnen, beide waren jedoch halb von schwarzen Samtvorhängen verdeckt.
Ich verbot mir jegliches Kopfkino, wollte nicht alles noch schlimmer machen.
Wohlfühlen konnte ich mich hier trotzdem nicht.

„Ist alles okay?", fragte Mave plötzlich mit einer Sanftheit in der Stimme, die mir regelrecht die Sprache verschlug. Da sie mich aus meinen Gedanken gerissen hatte, zuckte ich kurz zusammen, woraufhin sie mir sofort einen entschuldigenden Blick zuwarf.
Als ehrliche Antwort schüttelte ich wortlos den Kopf.
„Was hat er nur mit dir gemacht?", murmelte Mave vor sich hin, erwartete aber offenbar keine Antwort auf ihre Frage. Sie deutete mir, sitzenzubleiben und war dann verschwunden, nur um kurz darauf mit einer Salbe und frischen Verbänden wieder aufzutauchen.
Aus irgendeinem Grund vertraute ich dieser Frau viel zu schnell, auch wenn mir das falsch vorkam. Schließlich befand ich mich immernoch in der Festung des Feindes.
Trotzdem ließ sie mir zunächst keinen Grund, ihr zu misstrauen.
Vielleicht war es ihre mütterliche Ausstrahlung, ihre ruhige, sanfte Art oder vielleicht einfach die Tatsache, dass sie die erste weibliche Person war, die ich seit Tagen zu Gesicht bekommen hatte.
„Darf ich?", fragte sie zaghaft und deutete mit einem aufmunternden Lächeln auf die Verbände an meinen Beinen.
Wieder nickte ich nur und löste den ersten Verband selbst, um ihr wenigstens ein bisschen zu helfen.
Außerdem war ich ja kein kleines Kind mehr und dachte, ich könnte mich selbst um meine Wunden kümmern.

Doch als ich den Verband entfernt hatte und die erste tiefe Stichwunde zum Vorschein kam, krampfte sich alles in mir zusammen.
Meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern und ich musste meinen Blick erst einmal von meinem Bein abwenden.
„Ist schon gut, ich mache das...", meinte die Schwarzhaarige besänftigend und hielt meine Hände, um mich zu beruhigen.
„Ich bin Mave, wer bist du, meine Liebe?", wollte sie wissen und machte sich gleichzeitig an meinem Bein zu schaffen.
Sie wollte mich ablenken, das wusste ich und war ihr auch irgendwo dankbar dafür, nur leider funktionierte das ganz und gar nicht und meine Gedanken kreisten immernoch um die Wunde in meinem Bein.

„Lyana", entgegnete ich knapp und sog im nächsten Moment scharf Luft ein, als Mave die Salbe auf meiner Wunde verteilte.
Sie war zwar überaus vorsichtig, aber das konnte den Schmerz und das Brennen nicht zurückhalten.
„Du musst ihn ja ganz schön provoziert haben... Normalerweise hält er sich bei Frauen eher zurück. Zumindest, was sein Messer angeht", murmelte Mave vor sich hin, was mir nur ein verächtliches Schnauben entlockte.
Ihre Worte waren keinesfalls abwertend diesem Bastard gegenüber und doch ließen sie meine Wut und meine Abscheu ihm gegenüber noch weiter ansteigen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich meine rechte Hand unbewusst zu einer Faust verschlossen hatte und ich entspannte meine Finger wieder, um mich selbst gleichzeitig wieder ein wenig zu beruhigen.

„Du solltest ihm gehorchen...", meinte sie kaum hörbar und schaute mich dabei nicht an.
Reflexartig schob ich ihre Hände von mir weg und wickelte den Verband selbst weiter.
Hörte sie sich eigentlich selbst zu?

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